Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.Zu den "negativen Eigenschaften der Facultät gehört es ferner, daß die Die philosophische Facultät zählt, außer den im Anschlusse an die medi¬ Zu den "negativen Eigenschaften der Facultät gehört es ferner, daß die Die philosophische Facultät zählt, außer den im Anschlusse an die medi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0532" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282773"/> <p xml:id="ID_1451"> Zu den "negativen Eigenschaften der Facultät gehört es ferner, daß die<lb/> orientalischen Sprachen und Literaturen seit dem Tode Mahns im<lb/> Jahre 1845 nicht mehr durch einen Fachgelehrten vertreten sind, indem man<lb/> sich mit den etwaigen Kenntnissen auf diesem Gebiet, welche der für das<lb/> Fach der alttestamentlichen Exegese angestellte Professor der Theologie als<lb/> Ueberschuß seines sonstigen Wissens mit sich führt, behelfen zu können<lb/> meint. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1452" next="#ID_1453"> Die philosophische Facultät zählt, außer den im Anschlusse an die medi¬<lb/> cinische Facultät bereits genannten drei Vertretern der naturwissenschaftlichen<lb/> Fächer, sechs ordentliche Professoren. Der älteste ist Franz Volkmar Fritz sehe,<lb/> Glied eines philologisch-theologischen Professorengeschlechts, (Sohn des Pro¬<lb/> fessor Fritzsche in Halle und Bruder der Professoren Fritzsche in Gie¬<lb/> ßen (früher in Rostock) und Fritzsche in Zürich, von welchen jetzt nur der<lb/> zuletzt genannte noch lebt). Er ist Professor der classischen Literatur und Be¬<lb/> redsamkeit, welche letztere indessen nur die Anforderung an ihn stellt, daß er<lb/> das Organ der Universität ist, so oft dieselbe Schriftstücke in lateinischer Sprache<lb/> ausgehen läßt. Sein angeborener Rationalismus hätte ihn und seine heid¬<lb/> nischen Klassiker leicht in Conflicte mit der herrschenden christlichen Romantik<lb/> bringen können, wenn nicht sein harmloses, kindliches Gemüth und seine naive<lb/> Verehrung gegen die Träger der höchsten Staatsgewalt ihn davor bewahrt<lb/> hätten. In das nichtrationalistische Christenthum hat er sich nie zu finden ver¬<lb/> mocht und besitzt kein Organ für dessen Verständniß. Seine äußere Erscheinung,<lb/> seine Sitte und Ausdrucksweise tragen von moderner Fügsamkeit nicht eben viel an<lb/> sich; doch glauben diejenigen, welche sich seiner noch aus der Zeit seiner An¬<lb/> kunft in Rostock vor 36 Jahren erinnern, einen Fortschritt zu geschmeidigern<lb/> Formen constatiren zu können. Als Philolog gehört er der leipziger Schule<lb/> von Gottfried Hermann an, dessen Schwiegersohn er auch ist. Seine Classiker<lb/> kennt er und liebt er innig, und pflegte letzteres früher auch dadurch kund zu<lb/> thun, daß er sie mit»wändeerschütterndcr und selbst die Vorübergehenden allar-<lb/> mirender Donnerstimme auf seiner Studirstube recitirte. Der Hauptgegenstand<lb/> seiner Studien bildet die Komödie und die Satire der Alten; als Herausgeber<lb/> des Aristophanes und des Lucian ist er ehrenvoll bekannt. Dem zu Anfang<lb/> seiner rostocker Laufbahn begründeten philologischen Seminar steht er mit Eifer<lb/> und Pflichttreue vor und seine Schüler schätzen ihn sowohl wegen seines tüch¬<lb/> tigen Wissens als wegen der humanen und wahrhaft liebevollen Gesinnung,<lb/> mit welcher er an ihren wissenschaftlichen Fortschritten wie an ihrem mensch¬<lb/> lichen Wohlergehen auch noch über die Universitätszeit hinaus Theil nimmt.<lb/> In den lateinischen Schriftstücken, welche er für die Universität abzufassen hat,<lb/> ist es ihm mitunter begegnet, daß er sich auf Gebiete wagte, von denen er<lb/> wenig versteht oder für welche sein Tactgefühl nicht ausreichte. Man erinnert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0532]
Zu den "negativen Eigenschaften der Facultät gehört es ferner, daß die
orientalischen Sprachen und Literaturen seit dem Tode Mahns im
Jahre 1845 nicht mehr durch einen Fachgelehrten vertreten sind, indem man
sich mit den etwaigen Kenntnissen auf diesem Gebiet, welche der für das
Fach der alttestamentlichen Exegese angestellte Professor der Theologie als
Ueberschuß seines sonstigen Wissens mit sich führt, behelfen zu können
meint. —
Die philosophische Facultät zählt, außer den im Anschlusse an die medi¬
cinische Facultät bereits genannten drei Vertretern der naturwissenschaftlichen
Fächer, sechs ordentliche Professoren. Der älteste ist Franz Volkmar Fritz sehe,
Glied eines philologisch-theologischen Professorengeschlechts, (Sohn des Pro¬
fessor Fritzsche in Halle und Bruder der Professoren Fritzsche in Gie¬
ßen (früher in Rostock) und Fritzsche in Zürich, von welchen jetzt nur der
zuletzt genannte noch lebt). Er ist Professor der classischen Literatur und Be¬
redsamkeit, welche letztere indessen nur die Anforderung an ihn stellt, daß er
das Organ der Universität ist, so oft dieselbe Schriftstücke in lateinischer Sprache
ausgehen läßt. Sein angeborener Rationalismus hätte ihn und seine heid¬
nischen Klassiker leicht in Conflicte mit der herrschenden christlichen Romantik
bringen können, wenn nicht sein harmloses, kindliches Gemüth und seine naive
Verehrung gegen die Träger der höchsten Staatsgewalt ihn davor bewahrt
hätten. In das nichtrationalistische Christenthum hat er sich nie zu finden ver¬
mocht und besitzt kein Organ für dessen Verständniß. Seine äußere Erscheinung,
seine Sitte und Ausdrucksweise tragen von moderner Fügsamkeit nicht eben viel an
sich; doch glauben diejenigen, welche sich seiner noch aus der Zeit seiner An¬
kunft in Rostock vor 36 Jahren erinnern, einen Fortschritt zu geschmeidigern
Formen constatiren zu können. Als Philolog gehört er der leipziger Schule
von Gottfried Hermann an, dessen Schwiegersohn er auch ist. Seine Classiker
kennt er und liebt er innig, und pflegte letzteres früher auch dadurch kund zu
thun, daß er sie mit»wändeerschütterndcr und selbst die Vorübergehenden allar-
mirender Donnerstimme auf seiner Studirstube recitirte. Der Hauptgegenstand
seiner Studien bildet die Komödie und die Satire der Alten; als Herausgeber
des Aristophanes und des Lucian ist er ehrenvoll bekannt. Dem zu Anfang
seiner rostocker Laufbahn begründeten philologischen Seminar steht er mit Eifer
und Pflichttreue vor und seine Schüler schätzen ihn sowohl wegen seines tüch¬
tigen Wissens als wegen der humanen und wahrhaft liebevollen Gesinnung,
mit welcher er an ihren wissenschaftlichen Fortschritten wie an ihrem mensch¬
lichen Wohlergehen auch noch über die Universitätszeit hinaus Theil nimmt.
In den lateinischen Schriftstücken, welche er für die Universität abzufassen hat,
ist es ihm mitunter begegnet, daß er sich auf Gebiete wagte, von denen er
wenig versteht oder für welche sein Tactgefühl nicht ausreichte. Man erinnert
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