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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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der Stadt Rostock und dieser verfügte nun seine Ausweisung aus der Stadt,
wodurch jener zur Auswanderung aus Mecklenburg genöthigt ward. Auf
eine Gegenvorstellung Retslags an das Ministerium vom 28. November 1851,
in welcher derselbe um Bestellung eines Procurators bat, um die Negierung
verklagen zu sonnen, ward ihm unter dem 8. Januar 18S2 erwiedert, daß
diesem Antrage nicht gewillfahrt werden könne. Das Rescript schließt mit den
Worten: "Die Universität unterliegt nach der ausdrücklichen Bestimmung des
Paragraph 2 der Statuten auch hinsichtlich ihrer einzelnen Glieder der Ober¬
aufsicht der Regierung, welche auch das Recht in sich schließt, solche Glieder der
Universität, deren Verhalten mit dem Zwecke und de-r Würde der Anstalt un¬
vereinbar ist, auf administrativen Wege von derselben zu entfernen. Jener
Fall ist aber bei Ihnen dadurch, daß Sie sich einer Handlung schuldig gemacht,
derentwegen Sie eine criminelle Strafe erlitten, eingetreten."

Nach der hier ausdrücklich ausgesprochenen Ansicht, daß in dem Oberauf¬
sichtsrecht das Recht enthalten sei, mißliebig gewordene Universitätslehrer auf
administrativen Wege ohne vorgängiges Gehör und ohne irgendein geordnetes
Disciplinarvcrfahren aus ihrer Stellung zu entfernen, handelte denn auch bald
nachher der Minister v. Schröter gegen die drei Professoren, welche er in der
schon dargelegten Weise aus ihrem Amte entließ, und wiederum im Jahre 1838
gegen den Professor der Theologie Dr. Michael Baum garder. Das Ver¬
fahren gegen letzteren unterscheidet sich von dem gegen die erstgenannten drei
nur dadurch, daß der Minister in dem baumgartenschen Falle sich ein Actenstück
vom Konsistorium anzuschaffen wußte, in welchem dieses den Professor Baum¬
garten der fundamentalen Ketzerei und des geflissentlicher Eidbruchs beschul¬
digte und daß dieses Actenstück auf Anordnung des Ministers, zusammen mit
dem Rescript über die Amtsentlassung vom 6, Jan. 18S8 durch den Druck ver¬
öffentlicht ward. Ungeachtet der zahlreichen Schriften, welche diese Angelegenheit
hervorgerufen hat, sind die Anfänge derselben doch noch immer in tiefes Dunkel
gehüllt, da der Minister es für gut befundewhat, nur diejenigen Actenstücke zu ver¬
öffentlichen, durch welche das Consisiorium in den Vordergrund geschoben wird.
Das von ihm an das Consisiorium erlassene Rescript, welches zur Erstattung eines
Gutachtens über das Verhältniß der baumgartenschen Theologie zum Inhalt der
kirchlichen Bekenntnißschriften aufforderte und ohne Zweifel schon einige wohlberech¬
nete Fingerzeige hinsichtlich der Auffassung des Ministers enthalten hat, wurde da'
gegen ebenso wie die vor Erlaß der ministeriellen Aufforderung an das Consist^
rinn und nach Eingang des Consistorialerachtens zwischen dem Ministerium
und dem Oberkirchenrath in Schwerin über diese Angelegenheit gewechselte Kor¬
respondenz ^ von der Veröffentlichung ausgeschlossen. Auch über die münd¬
liche Besprechung des Ministers mit dem damaligen Consistorialdirector Mar¬
tini und die vertraulichen Verhandlungen des letzteren mit Krabbe, dem Ver-


der Stadt Rostock und dieser verfügte nun seine Ausweisung aus der Stadt,
wodurch jener zur Auswanderung aus Mecklenburg genöthigt ward. Auf
eine Gegenvorstellung Retslags an das Ministerium vom 28. November 1851,
in welcher derselbe um Bestellung eines Procurators bat, um die Negierung
verklagen zu sonnen, ward ihm unter dem 8. Januar 18S2 erwiedert, daß
diesem Antrage nicht gewillfahrt werden könne. Das Rescript schließt mit den
Worten: „Die Universität unterliegt nach der ausdrücklichen Bestimmung des
Paragraph 2 der Statuten auch hinsichtlich ihrer einzelnen Glieder der Ober¬
aufsicht der Regierung, welche auch das Recht in sich schließt, solche Glieder der
Universität, deren Verhalten mit dem Zwecke und de-r Würde der Anstalt un¬
vereinbar ist, auf administrativen Wege von derselben zu entfernen. Jener
Fall ist aber bei Ihnen dadurch, daß Sie sich einer Handlung schuldig gemacht,
derentwegen Sie eine criminelle Strafe erlitten, eingetreten."

Nach der hier ausdrücklich ausgesprochenen Ansicht, daß in dem Oberauf¬
sichtsrecht das Recht enthalten sei, mißliebig gewordene Universitätslehrer auf
administrativen Wege ohne vorgängiges Gehör und ohne irgendein geordnetes
Disciplinarvcrfahren aus ihrer Stellung zu entfernen, handelte denn auch bald
nachher der Minister v. Schröter gegen die drei Professoren, welche er in der
schon dargelegten Weise aus ihrem Amte entließ, und wiederum im Jahre 1838
gegen den Professor der Theologie Dr. Michael Baum garder. Das Ver¬
fahren gegen letzteren unterscheidet sich von dem gegen die erstgenannten drei
nur dadurch, daß der Minister in dem baumgartenschen Falle sich ein Actenstück
vom Konsistorium anzuschaffen wußte, in welchem dieses den Professor Baum¬
garten der fundamentalen Ketzerei und des geflissentlicher Eidbruchs beschul¬
digte und daß dieses Actenstück auf Anordnung des Ministers, zusammen mit
dem Rescript über die Amtsentlassung vom 6, Jan. 18S8 durch den Druck ver¬
öffentlicht ward. Ungeachtet der zahlreichen Schriften, welche diese Angelegenheit
hervorgerufen hat, sind die Anfänge derselben doch noch immer in tiefes Dunkel
gehüllt, da der Minister es für gut befundewhat, nur diejenigen Actenstücke zu ver¬
öffentlichen, durch welche das Consisiorium in den Vordergrund geschoben wird.
Das von ihm an das Consisiorium erlassene Rescript, welches zur Erstattung eines
Gutachtens über das Verhältniß der baumgartenschen Theologie zum Inhalt der
kirchlichen Bekenntnißschriften aufforderte und ohne Zweifel schon einige wohlberech¬
nete Fingerzeige hinsichtlich der Auffassung des Ministers enthalten hat, wurde da'
gegen ebenso wie die vor Erlaß der ministeriellen Aufforderung an das Consist^
rinn und nach Eingang des Consistorialerachtens zwischen dem Ministerium
und dem Oberkirchenrath in Schwerin über diese Angelegenheit gewechselte Kor¬
respondenz ^ von der Veröffentlichung ausgeschlossen. Auch über die münd¬
liche Besprechung des Ministers mit dem damaligen Consistorialdirector Mar¬
tini und die vertraulichen Verhandlungen des letzteren mit Krabbe, dem Ver-


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[0450] der Stadt Rostock und dieser verfügte nun seine Ausweisung aus der Stadt, wodurch jener zur Auswanderung aus Mecklenburg genöthigt ward. Auf eine Gegenvorstellung Retslags an das Ministerium vom 28. November 1851, in welcher derselbe um Bestellung eines Procurators bat, um die Negierung verklagen zu sonnen, ward ihm unter dem 8. Januar 18S2 erwiedert, daß diesem Antrage nicht gewillfahrt werden könne. Das Rescript schließt mit den Worten: „Die Universität unterliegt nach der ausdrücklichen Bestimmung des Paragraph 2 der Statuten auch hinsichtlich ihrer einzelnen Glieder der Ober¬ aufsicht der Regierung, welche auch das Recht in sich schließt, solche Glieder der Universität, deren Verhalten mit dem Zwecke und de-r Würde der Anstalt un¬ vereinbar ist, auf administrativen Wege von derselben zu entfernen. Jener Fall ist aber bei Ihnen dadurch, daß Sie sich einer Handlung schuldig gemacht, derentwegen Sie eine criminelle Strafe erlitten, eingetreten." Nach der hier ausdrücklich ausgesprochenen Ansicht, daß in dem Oberauf¬ sichtsrecht das Recht enthalten sei, mißliebig gewordene Universitätslehrer auf administrativen Wege ohne vorgängiges Gehör und ohne irgendein geordnetes Disciplinarvcrfahren aus ihrer Stellung zu entfernen, handelte denn auch bald nachher der Minister v. Schröter gegen die drei Professoren, welche er in der schon dargelegten Weise aus ihrem Amte entließ, und wiederum im Jahre 1838 gegen den Professor der Theologie Dr. Michael Baum garder. Das Ver¬ fahren gegen letzteren unterscheidet sich von dem gegen die erstgenannten drei nur dadurch, daß der Minister in dem baumgartenschen Falle sich ein Actenstück vom Konsistorium anzuschaffen wußte, in welchem dieses den Professor Baum¬ garten der fundamentalen Ketzerei und des geflissentlicher Eidbruchs beschul¬ digte und daß dieses Actenstück auf Anordnung des Ministers, zusammen mit dem Rescript über die Amtsentlassung vom 6, Jan. 18S8 durch den Druck ver¬ öffentlicht ward. Ungeachtet der zahlreichen Schriften, welche diese Angelegenheit hervorgerufen hat, sind die Anfänge derselben doch noch immer in tiefes Dunkel gehüllt, da der Minister es für gut befundewhat, nur diejenigen Actenstücke zu ver¬ öffentlichen, durch welche das Consisiorium in den Vordergrund geschoben wird. Das von ihm an das Consisiorium erlassene Rescript, welches zur Erstattung eines Gutachtens über das Verhältniß der baumgartenschen Theologie zum Inhalt der kirchlichen Bekenntnißschriften aufforderte und ohne Zweifel schon einige wohlberech¬ nete Fingerzeige hinsichtlich der Auffassung des Ministers enthalten hat, wurde da' gegen ebenso wie die vor Erlaß der ministeriellen Aufforderung an das Consist^ rinn und nach Eingang des Consistorialerachtens zwischen dem Ministerium und dem Oberkirchenrath in Schwerin über diese Angelegenheit gewechselte Kor¬ respondenz ^ von der Veröffentlichung ausgeschlossen. Auch über die münd¬ liche Besprechung des Ministers mit dem damaligen Consistorialdirector Mar¬ tini und die vertraulichen Verhandlungen des letzteren mit Krabbe, dem Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/450>, abgerufen am 23.07.2024.