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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Absicht, dieselbe zur Abwehr von Personen mißliebiger politischer Richtung zu
benutzen. Kurz vorher hatte der Doctor der Medicin Friedrich Dornbluth,
ein durch mehre physiologische und medicinische Schriften ("Die Sinne des
Menschen", "Ursachen und Verbreitungsweise der Cholera", "Anleitung zum
Gebrauch des Seebades") sowie durch Aufsätze in Zeitschriften seitdem in wei-
ieren Kreisen vortheilhaft bekannt gewordener praktischer Arzt in Rostock, der
freilich im Jahre 1848 in den Versammlungen der Reformvereine eine politische
Richtung documentirt hatte, welche mit den Anforderungen des Herrn v. Schrö¬
der nicht zusammenstimmte, der aber doch noch im Jahre 1849 würdig befunden
war, das großherzogliche Gardebataillon als Militärarzt in den badischen Feld-
Zug zu begleiten, die medicinische Facultät von seinem Vorhaben benachrichtigt,
sich als Privatdocent niederzulassen. Die Facultät verwies ihn unter dem
28. Januar mit Bezugnahme auf das inzwischen eingelaufene und vermuthlich
durch den vorliegenden Fall erst hervorgerufene Ministerialrescript vom 18. Januar,
^nächst an den Minister. Dieser erforderte das Erachten des Vicekanzlers,
welches auf Grund einer Unterredung mit dem Dr. Dornbluth, die be¬
sonders die Ermittelung der politischen Richtung zum Zweck hatte, befürwortend
ausfiel. Dessen ungeachtet ertheilte der Minister unter dem 26. Februar den
Bescheid, daß "es bedenklich erschienen, . dem Antrage zu willfahren."
Dr. Dornblüth repräsentirte gegen diesen Bescheid, indem er darauf hinwies,
daß der Plan, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, sein ganzes Studium
gleitet habe, und daß er, da ihm nur in Rostock die ärztliche Praxis freistehe,
"ur an dieser Universität das. was seine Lebensaufgabe geworden sei, verwirk¬
lichen könne. Auch machte er darauf aufmerksam, daß die Habilitation keinerlei
Zechte außer dem Recht, Vorlesungen zu halten, gewähre, und daß ein Ursprunk,
auf Anstellung sich aus derselben nicht ableiten lasse. Falls aber auch jetzt
"och Bedenken gegen seine Zulassung bestehen sollten, bat er, ihm dieselben
mitzutheilen, damit er sich bemühen könne, dieselben hinwegzuräumen. Der
Minister jedoch erklärte, daß "es bei dem in der Sache bereits ergangenen Be¬
scheide vom 26. Februar das Bewenden behalten müsse." Die Gründe der
Abweisung wurden zwar auch jetzt noch nicht angegeben; es können aber
schlechterdings nur Bedenken politischer Art obgewaltet haben.

Einem anderen jungen Gelehrten, dem Dr. Netslag (jetzt Redacteur der
"Abendzeitung" in Berlin), welcher während der constitutionellen Zeit sich
"is Privatdocent habilitirt hatte, wurde unter dem 20. November 1851,
Nachdem der Minister durch Rescript vom 9. August 18S1 eine allgemeine Be¬
stimmung über Entlassung von Privatdocenten gegeben hatte, von demselben
^ Erlaubniß, Vorlesungen zu halten, wieder entzogen, weil er wegen
eines Preßvergchens verurtheilt war. Durch den Verlust seiner Stellung an
Universität geriet!) der junge Mann jetzt unter die Jurisdiction des Raths


Absicht, dieselbe zur Abwehr von Personen mißliebiger politischer Richtung zu
benutzen. Kurz vorher hatte der Doctor der Medicin Friedrich Dornbluth,
ein durch mehre physiologische und medicinische Schriften („Die Sinne des
Menschen", „Ursachen und Verbreitungsweise der Cholera", „Anleitung zum
Gebrauch des Seebades") sowie durch Aufsätze in Zeitschriften seitdem in wei-
ieren Kreisen vortheilhaft bekannt gewordener praktischer Arzt in Rostock, der
freilich im Jahre 1848 in den Versammlungen der Reformvereine eine politische
Richtung documentirt hatte, welche mit den Anforderungen des Herrn v. Schrö¬
der nicht zusammenstimmte, der aber doch noch im Jahre 1849 würdig befunden
war, das großherzogliche Gardebataillon als Militärarzt in den badischen Feld-
Zug zu begleiten, die medicinische Facultät von seinem Vorhaben benachrichtigt,
sich als Privatdocent niederzulassen. Die Facultät verwies ihn unter dem
28. Januar mit Bezugnahme auf das inzwischen eingelaufene und vermuthlich
durch den vorliegenden Fall erst hervorgerufene Ministerialrescript vom 18. Januar,
^nächst an den Minister. Dieser erforderte das Erachten des Vicekanzlers,
welches auf Grund einer Unterredung mit dem Dr. Dornbluth, die be¬
sonders die Ermittelung der politischen Richtung zum Zweck hatte, befürwortend
ausfiel. Dessen ungeachtet ertheilte der Minister unter dem 26. Februar den
Bescheid, daß „es bedenklich erschienen, . dem Antrage zu willfahren."
Dr. Dornblüth repräsentirte gegen diesen Bescheid, indem er darauf hinwies,
daß der Plan, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, sein ganzes Studium
gleitet habe, und daß er, da ihm nur in Rostock die ärztliche Praxis freistehe,
"ur an dieser Universität das. was seine Lebensaufgabe geworden sei, verwirk¬
lichen könne. Auch machte er darauf aufmerksam, daß die Habilitation keinerlei
Zechte außer dem Recht, Vorlesungen zu halten, gewähre, und daß ein Ursprunk,
auf Anstellung sich aus derselben nicht ableiten lasse. Falls aber auch jetzt
"och Bedenken gegen seine Zulassung bestehen sollten, bat er, ihm dieselben
mitzutheilen, damit er sich bemühen könne, dieselben hinwegzuräumen. Der
Minister jedoch erklärte, daß „es bei dem in der Sache bereits ergangenen Be¬
scheide vom 26. Februar das Bewenden behalten müsse." Die Gründe der
Abweisung wurden zwar auch jetzt noch nicht angegeben; es können aber
schlechterdings nur Bedenken politischer Art obgewaltet haben.

Einem anderen jungen Gelehrten, dem Dr. Netslag (jetzt Redacteur der
"Abendzeitung" in Berlin), welcher während der constitutionellen Zeit sich
"is Privatdocent habilitirt hatte, wurde unter dem 20. November 1851,
Nachdem der Minister durch Rescript vom 9. August 18S1 eine allgemeine Be¬
stimmung über Entlassung von Privatdocenten gegeben hatte, von demselben
^ Erlaubniß, Vorlesungen zu halten, wieder entzogen, weil er wegen
eines Preßvergchens verurtheilt war. Durch den Verlust seiner Stellung an
Universität geriet!) der junge Mann jetzt unter die Jurisdiction des Raths


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[0449] Absicht, dieselbe zur Abwehr von Personen mißliebiger politischer Richtung zu benutzen. Kurz vorher hatte der Doctor der Medicin Friedrich Dornbluth, ein durch mehre physiologische und medicinische Schriften („Die Sinne des Menschen", „Ursachen und Verbreitungsweise der Cholera", „Anleitung zum Gebrauch des Seebades") sowie durch Aufsätze in Zeitschriften seitdem in wei- ieren Kreisen vortheilhaft bekannt gewordener praktischer Arzt in Rostock, der freilich im Jahre 1848 in den Versammlungen der Reformvereine eine politische Richtung documentirt hatte, welche mit den Anforderungen des Herrn v. Schrö¬ der nicht zusammenstimmte, der aber doch noch im Jahre 1849 würdig befunden war, das großherzogliche Gardebataillon als Militärarzt in den badischen Feld- Zug zu begleiten, die medicinische Facultät von seinem Vorhaben benachrichtigt, sich als Privatdocent niederzulassen. Die Facultät verwies ihn unter dem 28. Januar mit Bezugnahme auf das inzwischen eingelaufene und vermuthlich durch den vorliegenden Fall erst hervorgerufene Ministerialrescript vom 18. Januar, ^nächst an den Minister. Dieser erforderte das Erachten des Vicekanzlers, welches auf Grund einer Unterredung mit dem Dr. Dornbluth, die be¬ sonders die Ermittelung der politischen Richtung zum Zweck hatte, befürwortend ausfiel. Dessen ungeachtet ertheilte der Minister unter dem 26. Februar den Bescheid, daß „es bedenklich erschienen, . dem Antrage zu willfahren." Dr. Dornblüth repräsentirte gegen diesen Bescheid, indem er darauf hinwies, daß der Plan, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, sein ganzes Studium gleitet habe, und daß er, da ihm nur in Rostock die ärztliche Praxis freistehe, "ur an dieser Universität das. was seine Lebensaufgabe geworden sei, verwirk¬ lichen könne. Auch machte er darauf aufmerksam, daß die Habilitation keinerlei Zechte außer dem Recht, Vorlesungen zu halten, gewähre, und daß ein Ursprunk, auf Anstellung sich aus derselben nicht ableiten lasse. Falls aber auch jetzt "och Bedenken gegen seine Zulassung bestehen sollten, bat er, ihm dieselben mitzutheilen, damit er sich bemühen könne, dieselben hinwegzuräumen. Der Minister jedoch erklärte, daß „es bei dem in der Sache bereits ergangenen Be¬ scheide vom 26. Februar das Bewenden behalten müsse." Die Gründe der Abweisung wurden zwar auch jetzt noch nicht angegeben; es können aber schlechterdings nur Bedenken politischer Art obgewaltet haben. Einem anderen jungen Gelehrten, dem Dr. Netslag (jetzt Redacteur der "Abendzeitung" in Berlin), welcher während der constitutionellen Zeit sich "is Privatdocent habilitirt hatte, wurde unter dem 20. November 1851, Nachdem der Minister durch Rescript vom 9. August 18S1 eine allgemeine Be¬ stimmung über Entlassung von Privatdocenten gegeben hatte, von demselben ^ Erlaubniß, Vorlesungen zu halten, wieder entzogen, weil er wegen eines Preßvergchens verurtheilt war. Durch den Verlust seiner Stellung an Universität geriet!) der junge Mann jetzt unter die Jurisdiction des Raths

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/449>, abgerufen am 23.07.2024.