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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Gebote stehen, um ihre Gewalt über das eigentliche Rechtsgebiet auszudehnen
und tief in Verhältnisse einzugreifen, welche nach natürlichen Grundsätzen und
selbst zu einem großen Theil auch nach den bestehenden Gesetzen in die Sphäre
der richterlichen Gewalt gezogen werden müßten. Grade für Corporationen
und Gemeinden wird die Frage des zugelassenen oder ausgeschlossenen Rechts¬
weges meist von noch viel größerer Wichtigkeit sein, als sie es bereits für die
Einzelnen ist. Man denke z. B. an die Procente der Steuererträge, welche den
Städten für das Erhebungsgcschäft, das sie für den Staat besorgen, gesetzlich
zufallen. Diese Procente sind einer gewöhnlichen Civilforderung ganz gleich;
sie sind gleich einem aus einem Spccialtitel erworbenen Recht zu betrachten,
und es könnte bei ihnen, selbst wenn eine ausdrückliche Bestimmung fehlte, gar
kein Zweifel obwalten, daß ihre Eintreibung gegen den Staat auf dem gewöhn¬
lichen Rechtswege zu geschehen habe. Die politisch bedenklichen und bedeutsamen
Fälle hat man nun noch keineswegs da zu suchen, wo das bestehende Recht
den gerichtlichen Proceß ausdrücklich zuläßt, sondern da, wo es ihn ausschließt
oder nicht ausreichende und deutliche Bestimmungen enthält. Man kann zu¬
versichtlich und von vornherein annehmen, daß die bisherige Gesetzgebung dafür
gesorgt habe, die politischen Functionen der Verwaltungsbehörden vor ungebüh-
rcnder Beeinträchtigung durch allzu viele Anerkennungen der Zulässigkeit einer
gerichtlichen Austragung zu bewahren. Allein es giebt eine Menge streitiger
und auch nicht streitiger Punkte, in denen nur der Kenner der Verwaltung die
Mittel der Rechtfertigung des gerichtlichen Verfahrens in vollem Maße besitzt,
oder in denen nur er allein die Wichtigkeit einer Erhebung des Competenz-
conflictes gehörig übersieht. Es ist daher von großem praktischen Vortheil, in
den einzelnen Fällen eine möglichst genaue Auskunft über Zulässigkeit und Un-
zulässigkeit des Rechtsweges zu erhalten, und grade hierin thut sich unsere Schrift
ganz besonders hervor. Das intricate Thema von den Beziehungen der Justiz
und Verwaltung ist dem Verfasser durchaus geläufig, und er bekundet in
der gelegentlichen und zerstreuten Behandlung derselben, die wir in dem preu¬
ßischen Stadtrecht vor uns haben, ebenso sehr den Kenner der Verwaltung,
als den besonnenen, von den Rücksichten des eigentlichen Rechts erfüllten
Juristen.

Wir haben schon angeführt, daß die Exposition des Verwaltungsrechts, also
die Darstellung der Organisation und der Gegenstände der städtischen Verwal¬
tung den Schwerpunkt des ganzen Werkes bilde. Wenn man bedenkt, wie un-
verhältnißmäßig in den Darstellungen des gemeinen deutschen Staatsrechts grade
das Verwaltungsrecht zurückzutreten pflegt, und wie selbst für die preußische
Staatsverwaltung noch keine Bearbeitung vorhanden ist, die in das Detail in
einem für das praktische Bedürfniß ausreichenden Maße einginge (was offenbar
nur in einem großen, das Ve-rfassunzsrecht gar nicht behandelnden Werke geschehen


Gebote stehen, um ihre Gewalt über das eigentliche Rechtsgebiet auszudehnen
und tief in Verhältnisse einzugreifen, welche nach natürlichen Grundsätzen und
selbst zu einem großen Theil auch nach den bestehenden Gesetzen in die Sphäre
der richterlichen Gewalt gezogen werden müßten. Grade für Corporationen
und Gemeinden wird die Frage des zugelassenen oder ausgeschlossenen Rechts¬
weges meist von noch viel größerer Wichtigkeit sein, als sie es bereits für die
Einzelnen ist. Man denke z. B. an die Procente der Steuererträge, welche den
Städten für das Erhebungsgcschäft, das sie für den Staat besorgen, gesetzlich
zufallen. Diese Procente sind einer gewöhnlichen Civilforderung ganz gleich;
sie sind gleich einem aus einem Spccialtitel erworbenen Recht zu betrachten,
und es könnte bei ihnen, selbst wenn eine ausdrückliche Bestimmung fehlte, gar
kein Zweifel obwalten, daß ihre Eintreibung gegen den Staat auf dem gewöhn¬
lichen Rechtswege zu geschehen habe. Die politisch bedenklichen und bedeutsamen
Fälle hat man nun noch keineswegs da zu suchen, wo das bestehende Recht
den gerichtlichen Proceß ausdrücklich zuläßt, sondern da, wo es ihn ausschließt
oder nicht ausreichende und deutliche Bestimmungen enthält. Man kann zu¬
versichtlich und von vornherein annehmen, daß die bisherige Gesetzgebung dafür
gesorgt habe, die politischen Functionen der Verwaltungsbehörden vor ungebüh-
rcnder Beeinträchtigung durch allzu viele Anerkennungen der Zulässigkeit einer
gerichtlichen Austragung zu bewahren. Allein es giebt eine Menge streitiger
und auch nicht streitiger Punkte, in denen nur der Kenner der Verwaltung die
Mittel der Rechtfertigung des gerichtlichen Verfahrens in vollem Maße besitzt,
oder in denen nur er allein die Wichtigkeit einer Erhebung des Competenz-
conflictes gehörig übersieht. Es ist daher von großem praktischen Vortheil, in
den einzelnen Fällen eine möglichst genaue Auskunft über Zulässigkeit und Un-
zulässigkeit des Rechtsweges zu erhalten, und grade hierin thut sich unsere Schrift
ganz besonders hervor. Das intricate Thema von den Beziehungen der Justiz
und Verwaltung ist dem Verfasser durchaus geläufig, und er bekundet in
der gelegentlichen und zerstreuten Behandlung derselben, die wir in dem preu¬
ßischen Stadtrecht vor uns haben, ebenso sehr den Kenner der Verwaltung,
als den besonnenen, von den Rücksichten des eigentlichen Rechts erfüllten
Juristen.

Wir haben schon angeführt, daß die Exposition des Verwaltungsrechts, also
die Darstellung der Organisation und der Gegenstände der städtischen Verwal¬
tung den Schwerpunkt des ganzen Werkes bilde. Wenn man bedenkt, wie un-
verhältnißmäßig in den Darstellungen des gemeinen deutschen Staatsrechts grade
das Verwaltungsrecht zurückzutreten pflegt, und wie selbst für die preußische
Staatsverwaltung noch keine Bearbeitung vorhanden ist, die in das Detail in
einem für das praktische Bedürfniß ausreichenden Maße einginge (was offenbar
nur in einem großen, das Ve-rfassunzsrecht gar nicht behandelnden Werke geschehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/436>, abgerufen am 23.07.2024.