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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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rücksichtlich der Abtheilungsbildung bei dem Verfasser des Stadtrechts findet.
Nicht genug, daß er uns völlig anschaulich macht, wie nach dem Census oder
dem Steuerbetrage nach der Abfolge der Summen und in zweiter Linie, wenn
Mehre genau denselben Census haben, nach der alphabetischen Ordnung der
Familiennamen ein Verzeichnis; angefertigt, der ganze Steuerbetrag in drei
gleiche Theile getheilt und nun zugesehen wird, welche Personen mit ihren
Steuerbeträgen das erste Drittel und welche das zweite und letzte Drittel aus¬
füllen, -- er belehrt uns auch noch über verschiedene delicate Fälle, in denen
Z. B. jemand das Schicksal hat, mit seinem Steuerbetrage zum Theil in das
eine und zum Theil in das andere Drittel zu fallen, oder etwa der Urtheils¬
spruch der sonst so mächtigen Abfolge der Buchstaben an der Mehrheit der
Schulze oder Müller zu Schanden wird. In jenem ersteren Fall wird der Un¬
glückliche, der heimathlos auf der mathematischen Grenze zweier Abtheilungen
balancirt, aus besonderer Gnade in die höhere Abtheilung aufgenommen.- In
dem andern Falle, in welchem selbst die Sanction der alphabetischen Ordnung
nicht helfen kann, wird die letzte Instanz aller menschlichen Dinge, nämlich seine
Majestät der Zufall angerufen, und das Loos entscheidet zwischen Müller
und Müller, Schulze und Schulze. Dieser einzelne Zug von Genauigkeit
und praktischer Brauchbarkeit mag für viele andere gelten. Es ist in der That
w der Regel nicht leicht, aus schriftlichen Darstellungen ohne Hilfe eigner Er¬
fahrung eine gehörige Anschauung irgendeines fraglichen Sachverhältnisses in
ausreichender Specialität zu gewinnen. Offenbar hat der Verfasser nur vermöge
seiner eignen unmittelbaren und nicht blos aus Büchern geschöpften Kenntniß
vieler Verhältnisse die außerordentliche Bestimmtheit und Deutlichkeit der Detail¬
darstellung erreichen können.

Ein anderer den durchgehenden Inhalt des Rechtsstoffs beireffender Punkt,
den wir nicht mit Stillschweigen übergehen können, betrifft die Sorgfalt, mit
welcher bei allen einzelnen Rechten angemerkt wird, ob bei ihrer Verfolgung der
eigentliche Rechtsweg oder nur das Beschwerdeverfahren bei den Verwaltungs¬
instanzen zulässig sei. Bekanntlich bildet die Regelung der juristischen und der
Verwaltungscompetcnz eine der dornichtsten und von politischen Motiven nicht
c"n wenigsten verschobenen Aufgaben. Die Competenzconflicte find ein Gebiet,
in welchem der gewöhnliche Jurist, der den Grundsätzen der Verwaltung fern
steht, nur eine sehr einseitige Auffassung haben kann. Hiermit soll nicht gesagt
^in, daß der Jurist falsche Principien anzuwenden geneigt sei; im Gegen¬
teil liegt die von uns gemeinte Einseitigkeit in einer ganz andern Richtung.
Man hat in specifisch juristischen Kreisen, in denen man bekanntlich eifersüchtig
genug für die eignen Kompetenzen einzutreten Pflegt, trotz alledem nur selten
eine auch nur annähernde Vorstellung von der praktischen Bedeutsamkeit der
Lanzen Frage und von den Mitteln und Wegen, welche den Regierungen zu


Gmizboten I. 186S, 52

rücksichtlich der Abtheilungsbildung bei dem Verfasser des Stadtrechts findet.
Nicht genug, daß er uns völlig anschaulich macht, wie nach dem Census oder
dem Steuerbetrage nach der Abfolge der Summen und in zweiter Linie, wenn
Mehre genau denselben Census haben, nach der alphabetischen Ordnung der
Familiennamen ein Verzeichnis; angefertigt, der ganze Steuerbetrag in drei
gleiche Theile getheilt und nun zugesehen wird, welche Personen mit ihren
Steuerbeträgen das erste Drittel und welche das zweite und letzte Drittel aus¬
füllen, — er belehrt uns auch noch über verschiedene delicate Fälle, in denen
Z. B. jemand das Schicksal hat, mit seinem Steuerbetrage zum Theil in das
eine und zum Theil in das andere Drittel zu fallen, oder etwa der Urtheils¬
spruch der sonst so mächtigen Abfolge der Buchstaben an der Mehrheit der
Schulze oder Müller zu Schanden wird. In jenem ersteren Fall wird der Un¬
glückliche, der heimathlos auf der mathematischen Grenze zweier Abtheilungen
balancirt, aus besonderer Gnade in die höhere Abtheilung aufgenommen.- In
dem andern Falle, in welchem selbst die Sanction der alphabetischen Ordnung
nicht helfen kann, wird die letzte Instanz aller menschlichen Dinge, nämlich seine
Majestät der Zufall angerufen, und das Loos entscheidet zwischen Müller
und Müller, Schulze und Schulze. Dieser einzelne Zug von Genauigkeit
und praktischer Brauchbarkeit mag für viele andere gelten. Es ist in der That
w der Regel nicht leicht, aus schriftlichen Darstellungen ohne Hilfe eigner Er¬
fahrung eine gehörige Anschauung irgendeines fraglichen Sachverhältnisses in
ausreichender Specialität zu gewinnen. Offenbar hat der Verfasser nur vermöge
seiner eignen unmittelbaren und nicht blos aus Büchern geschöpften Kenntniß
vieler Verhältnisse die außerordentliche Bestimmtheit und Deutlichkeit der Detail¬
darstellung erreichen können.

Ein anderer den durchgehenden Inhalt des Rechtsstoffs beireffender Punkt,
den wir nicht mit Stillschweigen übergehen können, betrifft die Sorgfalt, mit
welcher bei allen einzelnen Rechten angemerkt wird, ob bei ihrer Verfolgung der
eigentliche Rechtsweg oder nur das Beschwerdeverfahren bei den Verwaltungs¬
instanzen zulässig sei. Bekanntlich bildet die Regelung der juristischen und der
Verwaltungscompetcnz eine der dornichtsten und von politischen Motiven nicht
c»n wenigsten verschobenen Aufgaben. Die Competenzconflicte find ein Gebiet,
in welchem der gewöhnliche Jurist, der den Grundsätzen der Verwaltung fern
steht, nur eine sehr einseitige Auffassung haben kann. Hiermit soll nicht gesagt
^in, daß der Jurist falsche Principien anzuwenden geneigt sei; im Gegen¬
teil liegt die von uns gemeinte Einseitigkeit in einer ganz andern Richtung.
Man hat in specifisch juristischen Kreisen, in denen man bekanntlich eifersüchtig
genug für die eignen Kompetenzen einzutreten Pflegt, trotz alledem nur selten
eine auch nur annähernde Vorstellung von der praktischen Bedeutsamkeit der
Lanzen Frage und von den Mitteln und Wegen, welche den Regierungen zu


Gmizboten I. 186S, 52
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[0435] rücksichtlich der Abtheilungsbildung bei dem Verfasser des Stadtrechts findet. Nicht genug, daß er uns völlig anschaulich macht, wie nach dem Census oder dem Steuerbetrage nach der Abfolge der Summen und in zweiter Linie, wenn Mehre genau denselben Census haben, nach der alphabetischen Ordnung der Familiennamen ein Verzeichnis; angefertigt, der ganze Steuerbetrag in drei gleiche Theile getheilt und nun zugesehen wird, welche Personen mit ihren Steuerbeträgen das erste Drittel und welche das zweite und letzte Drittel aus¬ füllen, — er belehrt uns auch noch über verschiedene delicate Fälle, in denen Z. B. jemand das Schicksal hat, mit seinem Steuerbetrage zum Theil in das eine und zum Theil in das andere Drittel zu fallen, oder etwa der Urtheils¬ spruch der sonst so mächtigen Abfolge der Buchstaben an der Mehrheit der Schulze oder Müller zu Schanden wird. In jenem ersteren Fall wird der Un¬ glückliche, der heimathlos auf der mathematischen Grenze zweier Abtheilungen balancirt, aus besonderer Gnade in die höhere Abtheilung aufgenommen.- In dem andern Falle, in welchem selbst die Sanction der alphabetischen Ordnung nicht helfen kann, wird die letzte Instanz aller menschlichen Dinge, nämlich seine Majestät der Zufall angerufen, und das Loos entscheidet zwischen Müller und Müller, Schulze und Schulze. Dieser einzelne Zug von Genauigkeit und praktischer Brauchbarkeit mag für viele andere gelten. Es ist in der That w der Regel nicht leicht, aus schriftlichen Darstellungen ohne Hilfe eigner Er¬ fahrung eine gehörige Anschauung irgendeines fraglichen Sachverhältnisses in ausreichender Specialität zu gewinnen. Offenbar hat der Verfasser nur vermöge seiner eignen unmittelbaren und nicht blos aus Büchern geschöpften Kenntniß vieler Verhältnisse die außerordentliche Bestimmtheit und Deutlichkeit der Detail¬ darstellung erreichen können. Ein anderer den durchgehenden Inhalt des Rechtsstoffs beireffender Punkt, den wir nicht mit Stillschweigen übergehen können, betrifft die Sorgfalt, mit welcher bei allen einzelnen Rechten angemerkt wird, ob bei ihrer Verfolgung der eigentliche Rechtsweg oder nur das Beschwerdeverfahren bei den Verwaltungs¬ instanzen zulässig sei. Bekanntlich bildet die Regelung der juristischen und der Verwaltungscompetcnz eine der dornichtsten und von politischen Motiven nicht c»n wenigsten verschobenen Aufgaben. Die Competenzconflicte find ein Gebiet, in welchem der gewöhnliche Jurist, der den Grundsätzen der Verwaltung fern steht, nur eine sehr einseitige Auffassung haben kann. Hiermit soll nicht gesagt ^in, daß der Jurist falsche Principien anzuwenden geneigt sei; im Gegen¬ teil liegt die von uns gemeinte Einseitigkeit in einer ganz andern Richtung. Man hat in specifisch juristischen Kreisen, in denen man bekanntlich eifersüchtig genug für die eignen Kompetenzen einzutreten Pflegt, trotz alledem nur selten eine auch nur annähernde Vorstellung von der praktischen Bedeutsamkeit der Lanzen Frage und von den Mitteln und Wegen, welche den Regierungen zu Gmizboten I. 186S, 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/435>, abgerufen am 23.07.2024.