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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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birung, welche die ohnehin mäßige Lehrerzahl und die Geldzuschüsse zersplitterte,
beide Theile verwundet wurden und daß keine der beiden jetzt neben einander
bestehenden Hochschulen es zu einem kräftigen Dasein bringen konnte, ist be¬
greiflich, und der fromme Eifer des Herzogs Friedrich, der noch in seinem
dreiundfünfzigsten Lebensjahre bei dem von ihm angestellten Professor O. G.
Tychsen Hebräisch lernte, um das alte Testament in der Ursprache lesen zu
können, konnte bei den beschränkten Geldmitteln, über welche er verfügte, auch
für Bützow daran nichts ändern.

Zu Anfang der langen Regierung seines Nachfolgers Friedrich Franz des
Ersten (1783 bis 1837) wurden die Differenzen zwischen dem Landesherrn und
der Stadt durch einen neuen Erbvertrag (13. Mai 1788) ausgeglichen, welcher
auch eine neue Regelung der Verhältnisse der Universität enthielt, worauf denn
(1789) die beiden auscinandergerissenen Hälften derselben in Rostock wieder
zusammengefügt wurden. In einem spätern die Universität betreffenden Ver¬
trage zwischen Landesherrschaft und Stadt, dem Regulativ vom 9. August 1827,
Verzichtete die letztere auf das Compatronat, so daß von dieser Zeit an der
Großherzog alleiniger Patron der Universität wurde.

Die Folge der einheitlichen Leitung, welche mit der Aufhebung des städ-
tischen Compatronats eintrat, äußerte sich in zweifacher Hinsicht: theils durch
kräftigere und erfolgreichere Bestrebungen für die Hebung der Universität, theils
durch mehrfache Beschränkungen ihrer corporativen Selbständigkeit.

Einzelne vorbereitende Schritte für eine Kräftigung der Universität in ihrem
Lehrerpersonal und ihren Instituten geschahen bereits während der letzten Re¬
gierungsjahre des Großherzogs Friedrich Franz des Ersten; aber die Haupt¬
thätigkeit in dieser Richtung trat erst nach dem Regierungsantritt seines Nach¬
folgers, des Großherzogs Paul Friedrich (1837 bis 1842), hervor.

Bei dieser Arbeit entwickelte ein Mann besonderen Eifer, welcher sich dadurch
einen gerechten Anspruch auf Anerkennung erworben hat: der noch jetzt als Vice-
kanzler an der Spitze der Universität stehende Geheimerath Dr. v. Both.

Karl Friedrich v. Both trat im Jahre 1810 als Auditor bei der gro߬
herzoglichen Justizkanzlei zu Schwerin in die richterliche Laufbahn ein und ward
im Jahre 1820 Vicedirector, im Jahre 1844 Director der großherzoglichen
Justizkanzlei zu Rostock, legte diese Stelle aber schon im Jahre 1851 nieder.
In Ausführung des Bundesbeschlusses vom 20. Sept. 1819 wegen strenger
Polizeilicher Ueberwachung der deutschen Universitäten, ward er im Jahre 1820
zum Regierungsbevollmächtigter bei der Universität zu Rostock bestellt, was er
bis zum Jahre 1848 blieb, wo die Stelle infolge der veränderten Zeitverhält¬
nisse eingezogen ward. Im Jahre 1836 wurde er zum Vicekanzler der Universität
ernannt, welches Amt er, obwohl schon in hohem Alter stehend und durch Taub¬
heit am mündlichen Verkehr behindert, noch fortwährend mit großer Hingebung


birung, welche die ohnehin mäßige Lehrerzahl und die Geldzuschüsse zersplitterte,
beide Theile verwundet wurden und daß keine der beiden jetzt neben einander
bestehenden Hochschulen es zu einem kräftigen Dasein bringen konnte, ist be¬
greiflich, und der fromme Eifer des Herzogs Friedrich, der noch in seinem
dreiundfünfzigsten Lebensjahre bei dem von ihm angestellten Professor O. G.
Tychsen Hebräisch lernte, um das alte Testament in der Ursprache lesen zu
können, konnte bei den beschränkten Geldmitteln, über welche er verfügte, auch
für Bützow daran nichts ändern.

Zu Anfang der langen Regierung seines Nachfolgers Friedrich Franz des
Ersten (1783 bis 1837) wurden die Differenzen zwischen dem Landesherrn und
der Stadt durch einen neuen Erbvertrag (13. Mai 1788) ausgeglichen, welcher
auch eine neue Regelung der Verhältnisse der Universität enthielt, worauf denn
(1789) die beiden auscinandergerissenen Hälften derselben in Rostock wieder
zusammengefügt wurden. In einem spätern die Universität betreffenden Ver¬
trage zwischen Landesherrschaft und Stadt, dem Regulativ vom 9. August 1827,
Verzichtete die letztere auf das Compatronat, so daß von dieser Zeit an der
Großherzog alleiniger Patron der Universität wurde.

Die Folge der einheitlichen Leitung, welche mit der Aufhebung des städ-
tischen Compatronats eintrat, äußerte sich in zweifacher Hinsicht: theils durch
kräftigere und erfolgreichere Bestrebungen für die Hebung der Universität, theils
durch mehrfache Beschränkungen ihrer corporativen Selbständigkeit.

Einzelne vorbereitende Schritte für eine Kräftigung der Universität in ihrem
Lehrerpersonal und ihren Instituten geschahen bereits während der letzten Re¬
gierungsjahre des Großherzogs Friedrich Franz des Ersten; aber die Haupt¬
thätigkeit in dieser Richtung trat erst nach dem Regierungsantritt seines Nach¬
folgers, des Großherzogs Paul Friedrich (1837 bis 1842), hervor.

Bei dieser Arbeit entwickelte ein Mann besonderen Eifer, welcher sich dadurch
einen gerechten Anspruch auf Anerkennung erworben hat: der noch jetzt als Vice-
kanzler an der Spitze der Universität stehende Geheimerath Dr. v. Both.

Karl Friedrich v. Both trat im Jahre 1810 als Auditor bei der gro߬
herzoglichen Justizkanzlei zu Schwerin in die richterliche Laufbahn ein und ward
im Jahre 1820 Vicedirector, im Jahre 1844 Director der großherzoglichen
Justizkanzlei zu Rostock, legte diese Stelle aber schon im Jahre 1851 nieder.
In Ausführung des Bundesbeschlusses vom 20. Sept. 1819 wegen strenger
Polizeilicher Ueberwachung der deutschen Universitäten, ward er im Jahre 1820
zum Regierungsbevollmächtigter bei der Universität zu Rostock bestellt, was er
bis zum Jahre 1848 blieb, wo die Stelle infolge der veränderten Zeitverhält¬
nisse eingezogen ward. Im Jahre 1836 wurde er zum Vicekanzler der Universität
ernannt, welches Amt er, obwohl schon in hohem Alter stehend und durch Taub¬
heit am mündlichen Verkehr behindert, noch fortwährend mit großer Hingebung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/389>, abgerufen am 23.07.2024.