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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Male auf Reisen gehen und wandte sich zuerst nach Wismar, bald darauf nach
Lübeck. Durch eine Bulle des Papstes Innocenz des Achten vom 18. März
1488 wurde ihr jedoch die erbetene Erlaubniß zur Rückkehr ertheilt, von welcher
sie im August eben dieses Jahres Gerauch machte.

Ungeachtet dieser Zwischenfälle und einiger durch den Ausbruch der Pest
bewirkter vorübergehender Störungen erfreute sich die Universität bis zur Zeit
der Kirchenreformation eines zahlreichen Besuches, welcher auch durch die
Stiftung der Universitäten zu Greifswald. Wittenberg (1502) und Frankfurt
a. O. (1506) keinen merklichen Abbruch erlitt. Die Kirchenreformation aber
ward ihr sehr verderblich, da sie den Kampf mit der neuen Richtung aufzuneh¬
men wagte und sich des Einflusses derselben zu erwehren suchte. Sie hatte
dabei anfangs an dem Rath eine Stütze, der nur zögernd der reformatorischen
Bewegung sich anschloß, dann aber, als er sich derselben nicht länger entziehen
konnte und sich veranlaßt sah. die Bestrebungen mehrer für die Hebung der
Universität thätiger Humanisten zu unterstützen, die Gunst der Umstände zur
Unterwerfung der Universität unter seine Herrschaft zu benutzen bemüht war.
Es wirkte dabei die Besorgniß mit. daß die Herzöge sich der Universität bedienen
möchten, um die Rechte und Freiheiten der Stadt zu beschränken. Um die
korporative Selbständigkeit der Universität zu schwächen und allmälig zu
vernichten, suchte der Rath dieselbe zur Veräußerung ihrer nach und nach er¬
worbenen liegenden Gründe zu bewegen, wogegen die Herzöge die Alienirung
der Universitätsgüter durch scharfe Mandate untersagten. Während dieser kirch¬
lichen und politischen Kämpfe sank die Universität sehr tief und geriet!) bei der
von dem neuen Geist ergriffenen und durchdrungenen Bürgerschaft in so große
Mißachtung, daß der Name "Doctor" als Spott- und Schimpfname galt.

Um sie aus diesem tiefen Verfall zu retten, bedürfte es langer und ange¬
strengtester Arbeit. Erst dem Herzog Johann Albrecht (1547--1576) gelang es,
die Regeneration der Universität auf reformatorischer Grundlage zu verwirklichen.
Durch einen neuen Dotationsbrief vom 8. April 1557 sicherte er ihr eine
jährliche Hebung von 3500 Fi. zu, die den Einkünften aus den säcularistrten
Kirchengütern entnommen werden sollte. Zugleich war er bemüht, bei!dem
Kaiser eine Bestätigung der durch die päpstliche Stiftungsbulle der Universität
verliehenen Rechte zu erwirken. Diese kaiserliche Confirmation. deren die Uni¬
versität, nachdem sie protestantisch geworden war, zu ihrer Sicherheit zu-be¬
dürfen schien, erfolgte unter dem 18. August 1560. Endlich kam es auch
zwischen ihr und dem Rath der Stadt über die gegenseitigen Verhältnisse zu
einer Vereinbarung, welche unter dem Namen der I^ormulg, eoneoräias am
11. Mai 1563 abgeschlossen wurde. Sie normirte die Selbständigkeit der Uni¬
versität dem Magistrat gegenüber und gab ihr zugleich eine neue Rechtsgrundlage
und eine wesentlich umgestaltete Verfassung. Durch diese Acte ward ein Patronat


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Male auf Reisen gehen und wandte sich zuerst nach Wismar, bald darauf nach
Lübeck. Durch eine Bulle des Papstes Innocenz des Achten vom 18. März
1488 wurde ihr jedoch die erbetene Erlaubniß zur Rückkehr ertheilt, von welcher
sie im August eben dieses Jahres Gerauch machte.

Ungeachtet dieser Zwischenfälle und einiger durch den Ausbruch der Pest
bewirkter vorübergehender Störungen erfreute sich die Universität bis zur Zeit
der Kirchenreformation eines zahlreichen Besuches, welcher auch durch die
Stiftung der Universitäten zu Greifswald. Wittenberg (1502) und Frankfurt
a. O. (1506) keinen merklichen Abbruch erlitt. Die Kirchenreformation aber
ward ihr sehr verderblich, da sie den Kampf mit der neuen Richtung aufzuneh¬
men wagte und sich des Einflusses derselben zu erwehren suchte. Sie hatte
dabei anfangs an dem Rath eine Stütze, der nur zögernd der reformatorischen
Bewegung sich anschloß, dann aber, als er sich derselben nicht länger entziehen
konnte und sich veranlaßt sah. die Bestrebungen mehrer für die Hebung der
Universität thätiger Humanisten zu unterstützen, die Gunst der Umstände zur
Unterwerfung der Universität unter seine Herrschaft zu benutzen bemüht war.
Es wirkte dabei die Besorgniß mit. daß die Herzöge sich der Universität bedienen
möchten, um die Rechte und Freiheiten der Stadt zu beschränken. Um die
korporative Selbständigkeit der Universität zu schwächen und allmälig zu
vernichten, suchte der Rath dieselbe zur Veräußerung ihrer nach und nach er¬
worbenen liegenden Gründe zu bewegen, wogegen die Herzöge die Alienirung
der Universitätsgüter durch scharfe Mandate untersagten. Während dieser kirch¬
lichen und politischen Kämpfe sank die Universität sehr tief und geriet!) bei der
von dem neuen Geist ergriffenen und durchdrungenen Bürgerschaft in so große
Mißachtung, daß der Name „Doctor" als Spott- und Schimpfname galt.

Um sie aus diesem tiefen Verfall zu retten, bedürfte es langer und ange¬
strengtester Arbeit. Erst dem Herzog Johann Albrecht (1547—1576) gelang es,
die Regeneration der Universität auf reformatorischer Grundlage zu verwirklichen.
Durch einen neuen Dotationsbrief vom 8. April 1557 sicherte er ihr eine
jährliche Hebung von 3500 Fi. zu, die den Einkünften aus den säcularistrten
Kirchengütern entnommen werden sollte. Zugleich war er bemüht, bei!dem
Kaiser eine Bestätigung der durch die päpstliche Stiftungsbulle der Universität
verliehenen Rechte zu erwirken. Diese kaiserliche Confirmation. deren die Uni¬
versität, nachdem sie protestantisch geworden war, zu ihrer Sicherheit zu-be¬
dürfen schien, erfolgte unter dem 18. August 1560. Endlich kam es auch
zwischen ihr und dem Rath der Stadt über die gegenseitigen Verhältnisse zu
einer Vereinbarung, welche unter dem Namen der I^ormulg, eoneoräias am
11. Mai 1563 abgeschlossen wurde. Sie normirte die Selbständigkeit der Uni¬
versität dem Magistrat gegenüber und gab ihr zugleich eine neue Rechtsgrundlage
und eine wesentlich umgestaltete Verfassung. Durch diese Acte ward ein Patronat


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[0387] Male auf Reisen gehen und wandte sich zuerst nach Wismar, bald darauf nach Lübeck. Durch eine Bulle des Papstes Innocenz des Achten vom 18. März 1488 wurde ihr jedoch die erbetene Erlaubniß zur Rückkehr ertheilt, von welcher sie im August eben dieses Jahres Gerauch machte. Ungeachtet dieser Zwischenfälle und einiger durch den Ausbruch der Pest bewirkter vorübergehender Störungen erfreute sich die Universität bis zur Zeit der Kirchenreformation eines zahlreichen Besuches, welcher auch durch die Stiftung der Universitäten zu Greifswald. Wittenberg (1502) und Frankfurt a. O. (1506) keinen merklichen Abbruch erlitt. Die Kirchenreformation aber ward ihr sehr verderblich, da sie den Kampf mit der neuen Richtung aufzuneh¬ men wagte und sich des Einflusses derselben zu erwehren suchte. Sie hatte dabei anfangs an dem Rath eine Stütze, der nur zögernd der reformatorischen Bewegung sich anschloß, dann aber, als er sich derselben nicht länger entziehen konnte und sich veranlaßt sah. die Bestrebungen mehrer für die Hebung der Universität thätiger Humanisten zu unterstützen, die Gunst der Umstände zur Unterwerfung der Universität unter seine Herrschaft zu benutzen bemüht war. Es wirkte dabei die Besorgniß mit. daß die Herzöge sich der Universität bedienen möchten, um die Rechte und Freiheiten der Stadt zu beschränken. Um die korporative Selbständigkeit der Universität zu schwächen und allmälig zu vernichten, suchte der Rath dieselbe zur Veräußerung ihrer nach und nach er¬ worbenen liegenden Gründe zu bewegen, wogegen die Herzöge die Alienirung der Universitätsgüter durch scharfe Mandate untersagten. Während dieser kirch¬ lichen und politischen Kämpfe sank die Universität sehr tief und geriet!) bei der von dem neuen Geist ergriffenen und durchdrungenen Bürgerschaft in so große Mißachtung, daß der Name „Doctor" als Spott- und Schimpfname galt. Um sie aus diesem tiefen Verfall zu retten, bedürfte es langer und ange¬ strengtester Arbeit. Erst dem Herzog Johann Albrecht (1547—1576) gelang es, die Regeneration der Universität auf reformatorischer Grundlage zu verwirklichen. Durch einen neuen Dotationsbrief vom 8. April 1557 sicherte er ihr eine jährliche Hebung von 3500 Fi. zu, die den Einkünften aus den säcularistrten Kirchengütern entnommen werden sollte. Zugleich war er bemüht, bei!dem Kaiser eine Bestätigung der durch die päpstliche Stiftungsbulle der Universität verliehenen Rechte zu erwirken. Diese kaiserliche Confirmation. deren die Uni¬ versität, nachdem sie protestantisch geworden war, zu ihrer Sicherheit zu-be¬ dürfen schien, erfolgte unter dem 18. August 1560. Endlich kam es auch zwischen ihr und dem Rath der Stadt über die gegenseitigen Verhältnisse zu einer Vereinbarung, welche unter dem Namen der I^ormulg, eoneoräias am 11. Mai 1563 abgeschlossen wurde. Sie normirte die Selbständigkeit der Uni¬ versität dem Magistrat gegenüber und gab ihr zugleich eine neue Rechtsgrundlage und eine wesentlich umgestaltete Verfassung. Durch diese Acte ward ein Patronat 46^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/387>, abgerufen am 23.07.2024.