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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Wendung ihres beigesteuerten Scherfleins. bei der ein greifbarer Nutzen nicht
zu holen ist, waren sie nicht einverstanden. Es erwachte plötzlich ein förmlicher
Wetteifer von edlen und hochherzigen Ideen über -- milde Stiftungen und
Anstalten für das allgemeine Wohl; mit einem derartigen Institut, das auf
Umwegen des Volkes Geld in des Volkes Tasche zurückbrachte, glaubte man
den selber mildherzigen Monarchen mit einem Denkmal zu ehren, dauernder als
Erz. Wozu auch, so hieß es, zu den Vielen neuen Monumenten, über deren
Mittelmäßigkeit nun sofort mit rühmenswerther Einsicht Alle einverstanden
waren, noch ein neuestes? Davon wollte man nichts wissen, daß nun, bei
wahrscheinlich reich fließenden Mitteln, der Kunst eine große Aufgabe, zudem
eine solche gestellt war, bei der sie auf dem fruchtbaren Boden eines Volks-
thümlichen Interesses fußend mit der realen Gegenwart in eine belebende
Wechselwirkung treten konnte. Vergebens bekämpfte eine kleine Schaar dieses
überraschende Erwachen eines praktischen und rührigen Sinnes, der gerade da
sich kundgab, wo es sich um den künstlerischen Ausdruck der begeisterten Er¬
innerung an einen Todten handelte. Jene erreichte nichts, als daß ein Mittel¬
weg eingeschlagen, die eine Hälfte der Beiträge für ein Monument, die andere
für eine dem Volkswohl zweckdienliche Anstalt bestimmt wurde -- ein Ausweg,
mit dem natürlich keiner Partei gedient ist und dessen Ergebniß nach beiden
Seiten nur ein halbes sein kann. Diesmal wird übrigens der Mittelweg, zu
dem man sich verständigt, um so weniger ein goldener heißen können, als sich
allmälig, wie der Ertrag der Sammlung ausweist, die ^ursprüngliche Begeiste¬
rung ebenfalls auf ein Mittelmaß herabgekühlt hat: zum neuen Beleg, daß in
Gelddingen nicht blos die Gemüthlichkeit, sondern auch die aufopfernde Anhäng¬
lichkeit von höchst zweifelhafter Tiefe oder Dauer ist.

Doch auch jetzt, da nur die Hälfte der kleinen Summe für ein Königs-
"ronument ausgesetzt ist, erlahmt noch nicht der praktische Sinn des Altbayern
im Kampfe mit der idealen Schwärmerei, welche den Fürsten mit einem ledig¬
lich ihm gewidmeten Denkmal ehren möchte. Bekanntlich liegt im Herzen Mün¬
chens eine Wüste, der Dult- oder Maximiliansplatz. Nun ist ein Architekt auf
die Idee gekommen, denselben zu Nutz und Frommen der Einwohner in eine
Gartenanlage umzuwandeln, mit einigen Ruhebänken, Blumentöpfen und Kan¬
delabern, dazu zwei Springbrünnlein für die wasserbedürftige Nachbarschaft, in
der Mitte aber mit einem Standbild des Königs im Krönungsornat -- damit
"tho der neugeschaffene Spaziergang zur Noth wohl auch für ein "Denkmal"
gelten könne. Lärmend und fechtend trat die kleine Localpresse für den Plan
ein. Indessen ist die Beschlußfassung über das Monument Männern anheim¬
gegeben, welche über die dem Todten zu erweisende Ehre nicht eben solche phi¬
lanthropische und gemeinsüchtige Ansichten haben, wie sie andrerseits dem Ver¬
nehmen nach für die andere Hälfte der Summe die beste Verwendung getroffen


Wendung ihres beigesteuerten Scherfleins. bei der ein greifbarer Nutzen nicht
zu holen ist, waren sie nicht einverstanden. Es erwachte plötzlich ein förmlicher
Wetteifer von edlen und hochherzigen Ideen über — milde Stiftungen und
Anstalten für das allgemeine Wohl; mit einem derartigen Institut, das auf
Umwegen des Volkes Geld in des Volkes Tasche zurückbrachte, glaubte man
den selber mildherzigen Monarchen mit einem Denkmal zu ehren, dauernder als
Erz. Wozu auch, so hieß es, zu den Vielen neuen Monumenten, über deren
Mittelmäßigkeit nun sofort mit rühmenswerther Einsicht Alle einverstanden
waren, noch ein neuestes? Davon wollte man nichts wissen, daß nun, bei
wahrscheinlich reich fließenden Mitteln, der Kunst eine große Aufgabe, zudem
eine solche gestellt war, bei der sie auf dem fruchtbaren Boden eines Volks-
thümlichen Interesses fußend mit der realen Gegenwart in eine belebende
Wechselwirkung treten konnte. Vergebens bekämpfte eine kleine Schaar dieses
überraschende Erwachen eines praktischen und rührigen Sinnes, der gerade da
sich kundgab, wo es sich um den künstlerischen Ausdruck der begeisterten Er¬
innerung an einen Todten handelte. Jene erreichte nichts, als daß ein Mittel¬
weg eingeschlagen, die eine Hälfte der Beiträge für ein Monument, die andere
für eine dem Volkswohl zweckdienliche Anstalt bestimmt wurde — ein Ausweg,
mit dem natürlich keiner Partei gedient ist und dessen Ergebniß nach beiden
Seiten nur ein halbes sein kann. Diesmal wird übrigens der Mittelweg, zu
dem man sich verständigt, um so weniger ein goldener heißen können, als sich
allmälig, wie der Ertrag der Sammlung ausweist, die ^ursprüngliche Begeiste¬
rung ebenfalls auf ein Mittelmaß herabgekühlt hat: zum neuen Beleg, daß in
Gelddingen nicht blos die Gemüthlichkeit, sondern auch die aufopfernde Anhäng¬
lichkeit von höchst zweifelhafter Tiefe oder Dauer ist.

Doch auch jetzt, da nur die Hälfte der kleinen Summe für ein Königs-
»ronument ausgesetzt ist, erlahmt noch nicht der praktische Sinn des Altbayern
im Kampfe mit der idealen Schwärmerei, welche den Fürsten mit einem ledig¬
lich ihm gewidmeten Denkmal ehren möchte. Bekanntlich liegt im Herzen Mün¬
chens eine Wüste, der Dult- oder Maximiliansplatz. Nun ist ein Architekt auf
die Idee gekommen, denselben zu Nutz und Frommen der Einwohner in eine
Gartenanlage umzuwandeln, mit einigen Ruhebänken, Blumentöpfen und Kan¬
delabern, dazu zwei Springbrünnlein für die wasserbedürftige Nachbarschaft, in
der Mitte aber mit einem Standbild des Königs im Krönungsornat — damit
"tho der neugeschaffene Spaziergang zur Noth wohl auch für ein „Denkmal"
gelten könne. Lärmend und fechtend trat die kleine Localpresse für den Plan
ein. Indessen ist die Beschlußfassung über das Monument Männern anheim¬
gegeben, welche über die dem Todten zu erweisende Ehre nicht eben solche phi¬
lanthropische und gemeinsüchtige Ansichten haben, wie sie andrerseits dem Ver¬
nehmen nach für die andere Hälfte der Summe die beste Verwendung getroffen


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[0321] Wendung ihres beigesteuerten Scherfleins. bei der ein greifbarer Nutzen nicht zu holen ist, waren sie nicht einverstanden. Es erwachte plötzlich ein förmlicher Wetteifer von edlen und hochherzigen Ideen über — milde Stiftungen und Anstalten für das allgemeine Wohl; mit einem derartigen Institut, das auf Umwegen des Volkes Geld in des Volkes Tasche zurückbrachte, glaubte man den selber mildherzigen Monarchen mit einem Denkmal zu ehren, dauernder als Erz. Wozu auch, so hieß es, zu den Vielen neuen Monumenten, über deren Mittelmäßigkeit nun sofort mit rühmenswerther Einsicht Alle einverstanden waren, noch ein neuestes? Davon wollte man nichts wissen, daß nun, bei wahrscheinlich reich fließenden Mitteln, der Kunst eine große Aufgabe, zudem eine solche gestellt war, bei der sie auf dem fruchtbaren Boden eines Volks- thümlichen Interesses fußend mit der realen Gegenwart in eine belebende Wechselwirkung treten konnte. Vergebens bekämpfte eine kleine Schaar dieses überraschende Erwachen eines praktischen und rührigen Sinnes, der gerade da sich kundgab, wo es sich um den künstlerischen Ausdruck der begeisterten Er¬ innerung an einen Todten handelte. Jene erreichte nichts, als daß ein Mittel¬ weg eingeschlagen, die eine Hälfte der Beiträge für ein Monument, die andere für eine dem Volkswohl zweckdienliche Anstalt bestimmt wurde — ein Ausweg, mit dem natürlich keiner Partei gedient ist und dessen Ergebniß nach beiden Seiten nur ein halbes sein kann. Diesmal wird übrigens der Mittelweg, zu dem man sich verständigt, um so weniger ein goldener heißen können, als sich allmälig, wie der Ertrag der Sammlung ausweist, die ^ursprüngliche Begeiste¬ rung ebenfalls auf ein Mittelmaß herabgekühlt hat: zum neuen Beleg, daß in Gelddingen nicht blos die Gemüthlichkeit, sondern auch die aufopfernde Anhäng¬ lichkeit von höchst zweifelhafter Tiefe oder Dauer ist. Doch auch jetzt, da nur die Hälfte der kleinen Summe für ein Königs- »ronument ausgesetzt ist, erlahmt noch nicht der praktische Sinn des Altbayern im Kampfe mit der idealen Schwärmerei, welche den Fürsten mit einem ledig¬ lich ihm gewidmeten Denkmal ehren möchte. Bekanntlich liegt im Herzen Mün¬ chens eine Wüste, der Dult- oder Maximiliansplatz. Nun ist ein Architekt auf die Idee gekommen, denselben zu Nutz und Frommen der Einwohner in eine Gartenanlage umzuwandeln, mit einigen Ruhebänken, Blumentöpfen und Kan¬ delabern, dazu zwei Springbrünnlein für die wasserbedürftige Nachbarschaft, in der Mitte aber mit einem Standbild des Königs im Krönungsornat — damit "tho der neugeschaffene Spaziergang zur Noth wohl auch für ein „Denkmal" gelten könne. Lärmend und fechtend trat die kleine Localpresse für den Plan ein. Indessen ist die Beschlußfassung über das Monument Männern anheim¬ gegeben, welche über die dem Todten zu erweisende Ehre nicht eben solche phi¬ lanthropische und gemeinsüchtige Ansichten haben, wie sie andrerseits dem Ver¬ nehmen nach für die andere Hälfte der Summe die beste Verwendung getroffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/321>, abgerufen am 23.07.2024.