Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gezogenen 19. Corps ein, verhinderten ober nicht, daß die Conföderirten, welche
inzwischen hinter den Potomac zurückgegangen waren, mit höchstens 2000 Pfer¬
den noch einmal einen sehr einträglichen Zug bis in das Herz von Pennsyl-
vanien machten und hier eine ganze Armee hinter sich her in Bewegung setzten,
ohne selbst den geringsten Verlust zu erleiden. Es ist charakteristisch für den
Norden, daß bei diesen Raubzügen, welche durchschnittlich Von schwachen Truppen¬
theilen gegen große bevölkerte Städte unternommen wurden, es nicht ein ein¬
ziges Mal vorgekommen ist. daß die Bevölkerung sich organisirt und zur Wehr
gesetzt hätte, während im Süden dies fast alle Mal stattfindet. -- Der aristo¬
kratische Süden hat stets Führer, während der Norden in lauter Individuen
sich auslöst und nicht zur Machtentwicklung kommt. Ueber einen Monat hatten
die Conföderirten jenseits des Potomac sich brandschatzend gehalten, am
9. August erst verließen sie Maryland. Theile des 8., 23., des 19. und end¬
lich auch des 6. Corps, letzteres von Grant zur Hilfe gesandt, waren gegen
sie, welche alles in allem bis 10,000 Mann stark waren, in Bewegung ge¬
setzt und das Commando über diese Truppen war Sheridan anvertraut worden.
Am 10. August ging dieser gegen Early, der sich bei Straßburg aufgestellt
und hier Verstärkungen von Lee erhalten hatte, vor, ward aber zurückgeschlagen
und gleichzeitig in beiden Flanken von feindlicher Kavallerie unter G. Moscby
immerfort harcelirt. Sheridan zieht sich, von Early verfolgt, nach Harpers-
ferry zurück und verschanzt sich hier, um verheißene Verstärkungen abzuwarten.
Grant, den wir am 23. Juiu vor Petersburg verlassen haben, hatte am Tage
vorher den G. Wilson mit 8000 Pferden und 16 Geschützen über die Weldon-
bahn und gegen Lynchburg entsandt, am 1. Juli kehrte Wilson ohne Geschütze,
ohne alle Bagage und mindestens um 2000 Mann geschwächt, vollständig auf¬
gelöst zurück. WUson hatte viele Meilen Eisenbahn zerstört, die übrigens in diesen
holzreichen Gegenden immer rasch wieder hergestellt werden, war aber auch mit
seiner Cavallerie für lange Zeit außer Thätigkeit gesetzt. --

Grant begann nun eine Art von regelmäßiger Belagerung gegen Peters¬
burg, indem er eine Stellung von fast einer Meile Länge gegen die Stadt be¬
festigte und unter dem Auswurf von Schanzen immer weiter vorzudringen suchte.
Eine große, gegen den feindlichen linken Flügel angelegte Mine sollte endlich
zum Sturm führen. Um denselben aber durch Schwächung der Besatzung zu
erleichtern, schob Grant Mitte Juli nach und nach drei Corps in seinen-rechten
Flügel über den JameSriver und ließ sie von hier einen directen Angriff gegen
Richmond unternehmen. Die daraus folgenden Gefechte wurden so energisch,
daß Lee am 26. und 27. Juli sich hier zu einer größern Entwicklung seiner
Kräfte verleiten ließ. Am 28. und 29. hatte er infolge dessen östlich Richmond
Erfolge, da er aber inzwischen auch Early entsandt, war Petersburg so sehr
entblößt worden, daß nur drei Divisionen unter Beauregard dort verblieben.


gezogenen 19. Corps ein, verhinderten ober nicht, daß die Conföderirten, welche
inzwischen hinter den Potomac zurückgegangen waren, mit höchstens 2000 Pfer¬
den noch einmal einen sehr einträglichen Zug bis in das Herz von Pennsyl-
vanien machten und hier eine ganze Armee hinter sich her in Bewegung setzten,
ohne selbst den geringsten Verlust zu erleiden. Es ist charakteristisch für den
Norden, daß bei diesen Raubzügen, welche durchschnittlich Von schwachen Truppen¬
theilen gegen große bevölkerte Städte unternommen wurden, es nicht ein ein¬
ziges Mal vorgekommen ist. daß die Bevölkerung sich organisirt und zur Wehr
gesetzt hätte, während im Süden dies fast alle Mal stattfindet. — Der aristo¬
kratische Süden hat stets Führer, während der Norden in lauter Individuen
sich auslöst und nicht zur Machtentwicklung kommt. Ueber einen Monat hatten
die Conföderirten jenseits des Potomac sich brandschatzend gehalten, am
9. August erst verließen sie Maryland. Theile des 8., 23., des 19. und end¬
lich auch des 6. Corps, letzteres von Grant zur Hilfe gesandt, waren gegen
sie, welche alles in allem bis 10,000 Mann stark waren, in Bewegung ge¬
setzt und das Commando über diese Truppen war Sheridan anvertraut worden.
Am 10. August ging dieser gegen Early, der sich bei Straßburg aufgestellt
und hier Verstärkungen von Lee erhalten hatte, vor, ward aber zurückgeschlagen
und gleichzeitig in beiden Flanken von feindlicher Kavallerie unter G. Moscby
immerfort harcelirt. Sheridan zieht sich, von Early verfolgt, nach Harpers-
ferry zurück und verschanzt sich hier, um verheißene Verstärkungen abzuwarten.
Grant, den wir am 23. Juiu vor Petersburg verlassen haben, hatte am Tage
vorher den G. Wilson mit 8000 Pferden und 16 Geschützen über die Weldon-
bahn und gegen Lynchburg entsandt, am 1. Juli kehrte Wilson ohne Geschütze,
ohne alle Bagage und mindestens um 2000 Mann geschwächt, vollständig auf¬
gelöst zurück. WUson hatte viele Meilen Eisenbahn zerstört, die übrigens in diesen
holzreichen Gegenden immer rasch wieder hergestellt werden, war aber auch mit
seiner Cavallerie für lange Zeit außer Thätigkeit gesetzt. —

Grant begann nun eine Art von regelmäßiger Belagerung gegen Peters¬
burg, indem er eine Stellung von fast einer Meile Länge gegen die Stadt be¬
festigte und unter dem Auswurf von Schanzen immer weiter vorzudringen suchte.
Eine große, gegen den feindlichen linken Flügel angelegte Mine sollte endlich
zum Sturm führen. Um denselben aber durch Schwächung der Besatzung zu
erleichtern, schob Grant Mitte Juli nach und nach drei Corps in seinen-rechten
Flügel über den JameSriver und ließ sie von hier einen directen Angriff gegen
Richmond unternehmen. Die daraus folgenden Gefechte wurden so energisch,
daß Lee am 26. und 27. Juli sich hier zu einer größern Entwicklung seiner
Kräfte verleiten ließ. Am 28. und 29. hatte er infolge dessen östlich Richmond
Erfolge, da er aber inzwischen auch Early entsandt, war Petersburg so sehr
entblößt worden, daß nur drei Divisionen unter Beauregard dort verblieben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282515"/>
          <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> gezogenen 19. Corps ein, verhinderten ober nicht, daß die Conföderirten, welche<lb/>
inzwischen hinter den Potomac zurückgegangen waren, mit höchstens 2000 Pfer¬<lb/>
den noch einmal einen sehr einträglichen Zug bis in das Herz von Pennsyl-<lb/>
vanien machten und hier eine ganze Armee hinter sich her in Bewegung setzten,<lb/>
ohne selbst den geringsten Verlust zu erleiden. Es ist charakteristisch für den<lb/>
Norden, daß bei diesen Raubzügen, welche durchschnittlich Von schwachen Truppen¬<lb/>
theilen gegen große bevölkerte Städte unternommen wurden, es nicht ein ein¬<lb/>
ziges Mal vorgekommen ist. daß die Bevölkerung sich organisirt und zur Wehr<lb/>
gesetzt hätte, während im Süden dies fast alle Mal stattfindet. &#x2014; Der aristo¬<lb/>
kratische Süden hat stets Führer, während der Norden in lauter Individuen<lb/>
sich auslöst und nicht zur Machtentwicklung kommt. Ueber einen Monat hatten<lb/>
die Conföderirten jenseits des Potomac sich brandschatzend gehalten, am<lb/>
9. August erst verließen sie Maryland. Theile des 8., 23., des 19. und end¬<lb/>
lich auch des 6. Corps, letzteres von Grant zur Hilfe gesandt, waren gegen<lb/>
sie, welche alles in allem bis 10,000 Mann stark waren, in Bewegung ge¬<lb/>
setzt und das Commando über diese Truppen war Sheridan anvertraut worden.<lb/>
Am 10. August ging dieser gegen Early, der sich bei Straßburg aufgestellt<lb/>
und hier Verstärkungen von Lee erhalten hatte, vor, ward aber zurückgeschlagen<lb/>
und gleichzeitig in beiden Flanken von feindlicher Kavallerie unter G. Moscby<lb/>
immerfort harcelirt. Sheridan zieht sich, von Early verfolgt, nach Harpers-<lb/>
ferry zurück und verschanzt sich hier, um verheißene Verstärkungen abzuwarten.<lb/>
Grant, den wir am 23. Juiu vor Petersburg verlassen haben, hatte am Tage<lb/>
vorher den G. Wilson mit 8000 Pferden und 16 Geschützen über die Weldon-<lb/>
bahn und gegen Lynchburg entsandt, am 1. Juli kehrte Wilson ohne Geschütze,<lb/>
ohne alle Bagage und mindestens um 2000 Mann geschwächt, vollständig auf¬<lb/>
gelöst zurück. WUson hatte viele Meilen Eisenbahn zerstört, die übrigens in diesen<lb/>
holzreichen Gegenden immer rasch wieder hergestellt werden, war aber auch mit<lb/>
seiner Cavallerie für lange Zeit außer Thätigkeit gesetzt. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_744" next="#ID_745"> Grant begann nun eine Art von regelmäßiger Belagerung gegen Peters¬<lb/>
burg, indem er eine Stellung von fast einer Meile Länge gegen die Stadt be¬<lb/>
festigte und unter dem Auswurf von Schanzen immer weiter vorzudringen suchte.<lb/>
Eine große, gegen den feindlichen linken Flügel angelegte Mine sollte endlich<lb/>
zum Sturm führen. Um denselben aber durch Schwächung der Besatzung zu<lb/>
erleichtern, schob Grant Mitte Juli nach und nach drei Corps in seinen-rechten<lb/>
Flügel über den JameSriver und ließ sie von hier einen directen Angriff gegen<lb/>
Richmond unternehmen. Die daraus folgenden Gefechte wurden so energisch,<lb/>
daß Lee am 26. und 27. Juli sich hier zu einer größern Entwicklung seiner<lb/>
Kräfte verleiten ließ. Am 28. und 29. hatte er infolge dessen östlich Richmond<lb/>
Erfolge, da er aber inzwischen auch Early entsandt, war Petersburg so sehr<lb/>
entblößt worden, daß nur drei Divisionen unter Beauregard dort verblieben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0274] gezogenen 19. Corps ein, verhinderten ober nicht, daß die Conföderirten, welche inzwischen hinter den Potomac zurückgegangen waren, mit höchstens 2000 Pfer¬ den noch einmal einen sehr einträglichen Zug bis in das Herz von Pennsyl- vanien machten und hier eine ganze Armee hinter sich her in Bewegung setzten, ohne selbst den geringsten Verlust zu erleiden. Es ist charakteristisch für den Norden, daß bei diesen Raubzügen, welche durchschnittlich Von schwachen Truppen¬ theilen gegen große bevölkerte Städte unternommen wurden, es nicht ein ein¬ ziges Mal vorgekommen ist. daß die Bevölkerung sich organisirt und zur Wehr gesetzt hätte, während im Süden dies fast alle Mal stattfindet. — Der aristo¬ kratische Süden hat stets Führer, während der Norden in lauter Individuen sich auslöst und nicht zur Machtentwicklung kommt. Ueber einen Monat hatten die Conföderirten jenseits des Potomac sich brandschatzend gehalten, am 9. August erst verließen sie Maryland. Theile des 8., 23., des 19. und end¬ lich auch des 6. Corps, letzteres von Grant zur Hilfe gesandt, waren gegen sie, welche alles in allem bis 10,000 Mann stark waren, in Bewegung ge¬ setzt und das Commando über diese Truppen war Sheridan anvertraut worden. Am 10. August ging dieser gegen Early, der sich bei Straßburg aufgestellt und hier Verstärkungen von Lee erhalten hatte, vor, ward aber zurückgeschlagen und gleichzeitig in beiden Flanken von feindlicher Kavallerie unter G. Moscby immerfort harcelirt. Sheridan zieht sich, von Early verfolgt, nach Harpers- ferry zurück und verschanzt sich hier, um verheißene Verstärkungen abzuwarten. Grant, den wir am 23. Juiu vor Petersburg verlassen haben, hatte am Tage vorher den G. Wilson mit 8000 Pferden und 16 Geschützen über die Weldon- bahn und gegen Lynchburg entsandt, am 1. Juli kehrte Wilson ohne Geschütze, ohne alle Bagage und mindestens um 2000 Mann geschwächt, vollständig auf¬ gelöst zurück. WUson hatte viele Meilen Eisenbahn zerstört, die übrigens in diesen holzreichen Gegenden immer rasch wieder hergestellt werden, war aber auch mit seiner Cavallerie für lange Zeit außer Thätigkeit gesetzt. — Grant begann nun eine Art von regelmäßiger Belagerung gegen Peters¬ burg, indem er eine Stellung von fast einer Meile Länge gegen die Stadt be¬ festigte und unter dem Auswurf von Schanzen immer weiter vorzudringen suchte. Eine große, gegen den feindlichen linken Flügel angelegte Mine sollte endlich zum Sturm führen. Um denselben aber durch Schwächung der Besatzung zu erleichtern, schob Grant Mitte Juli nach und nach drei Corps in seinen-rechten Flügel über den JameSriver und ließ sie von hier einen directen Angriff gegen Richmond unternehmen. Die daraus folgenden Gefechte wurden so energisch, daß Lee am 26. und 27. Juli sich hier zu einer größern Entwicklung seiner Kräfte verleiten ließ. Am 28. und 29. hatte er infolge dessen östlich Richmond Erfolge, da er aber inzwischen auch Early entsandt, war Petersburg so sehr entblößt worden, daß nur drei Divisionen unter Beauregard dort verblieben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/274
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/274>, abgerufen am 23.07.2024.