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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Pflege der alten Pinakothek. Die Malerei ist die eigentliche Kunst des
Zeitalters und gerade nach ihren Meisterwerken muß vorzugsweise die kunst¬
treibende Gegenwart sich bilden. Von allen Schöpfungen der früheren Jahr¬
hunderte sprechen sie am ergreifendsten und vernehmlichsten zur Phantasie
des Laien wie des Künstlers ; sie geben ihr die mächtigste Anregung, die
Welt im Bilde zu sehen und sich selber zur künstlerischen Anschauung -ihres
Inhaltes zu erheben. Aber zugleich sind von allen Kunstwerken die Gemälde
die vergänglichsten: die elementare Hülle von Licht und Luft, in der die Dinge
schweben und die innere Stimmung in Farbentönen sich ausspricht, können sie
nur auf leicht zerstörbarer Fläche mit unkörperlichen, unfaßbarer Mitteln wie¬
dergeben. Kein Kunsterzeugniß bedarf so sehr der Schonung und der einsich¬
tigsten Pflege, wenn es nicht beinahe ebenso rasch vergehen soll, als es ent¬
standen ist.

Ohne Zweifel zählt die alte Pinakothek zu den ersten Galerien des Con-
tinents, sowohl durch ihre reichhaltige Vertretung aller Schulen, als durch ihre
bedeutende Anzahl von Meisterwerken aus den besten Zeiten. Das Gebäude,
eines der schönsten Klenzcs, spricht seine Bestimmung in der großen, künstlerisch
durchgeführten Anlage vortrefflich aus, die innere Raumeintheilung, breit und
mächtig gegriffen, ist zur festlichen Aufnahme der Gemälde wohl geeignet.
Neuerdings, da in München ganz andere Architektur getrieben wird, hat man
an dem Bau und seiner Eintheilung allerlei mäkeln wollen; doch was sich
allenfalls daran aussetzen läßt, die Höhe und Belcuchtungsart der Säle, durch
welche auf die zu unterst gehängten Bilder nur ein gedämpftes, geschwächtes
Licht fällt, das ist wohl kaum dem Architekten zur Last zu legen, da ihm durch
einige enorme Bildertafeln, die nicht einmal ersten Ranges sind, der Höhema߬
stab gegeben schien. Dieser Uebelstand hätte sich übrigens wohl ausgleichen
lassen durch eine mit Kenntniß und richtiger Einsicht angeordnete Aufstellung
der Gemälde. Allein -- und dies ist weit schlimmer -- an dieser hat es ge¬
fehlt*). Als die Galerie in den dreißiger Jahren eingerichtet wurde, hatte



*) Die Süddeutsche Zeitung hatte den "Zustand und die Pflege der Münchener Pina¬
kothek" in einer Reihe von Aufsätzen (Ur, S4. 67. 59, 61. 63 des Jahrgangs 18K4)
ausführlicher besprochen und auf diese verweisen wir den Leser für das Nähere, da wir uns
hier auf einen kurzen Ueberblick beschränken müssen. Die Erwiederungen auf jene Aufsätze
-- s, die folgende Anmerkung -- beschäftigen sich lediglich mit der Rechtfertigung der Com¬
mission für Gemäldcrcstaurationen und dem pcttenkofcrschc" Regenerationsverfahren, ohne
der dort besprochenen Uebelstände zu gedenken. Man hat dem Verfasser jener Artikel, der
auch Schreiber dieses ist, seine Anonymität vorgeworfen: doch da er nur, was diese Uebel-
stände anlangt, eigenes Material, im Uebrigen aber fremdes redigirt hat, so hatte er kein
Recht, durch Namensunterschrift auch dieses für sein Eigenthum auszugeben. Er ist überhaupt

Pflege der alten Pinakothek. Die Malerei ist die eigentliche Kunst des
Zeitalters und gerade nach ihren Meisterwerken muß vorzugsweise die kunst¬
treibende Gegenwart sich bilden. Von allen Schöpfungen der früheren Jahr¬
hunderte sprechen sie am ergreifendsten und vernehmlichsten zur Phantasie
des Laien wie des Künstlers ; sie geben ihr die mächtigste Anregung, die
Welt im Bilde zu sehen und sich selber zur künstlerischen Anschauung -ihres
Inhaltes zu erheben. Aber zugleich sind von allen Kunstwerken die Gemälde
die vergänglichsten: die elementare Hülle von Licht und Luft, in der die Dinge
schweben und die innere Stimmung in Farbentönen sich ausspricht, können sie
nur auf leicht zerstörbarer Fläche mit unkörperlichen, unfaßbarer Mitteln wie¬
dergeben. Kein Kunsterzeugniß bedarf so sehr der Schonung und der einsich¬
tigsten Pflege, wenn es nicht beinahe ebenso rasch vergehen soll, als es ent¬
standen ist.

Ohne Zweifel zählt die alte Pinakothek zu den ersten Galerien des Con-
tinents, sowohl durch ihre reichhaltige Vertretung aller Schulen, als durch ihre
bedeutende Anzahl von Meisterwerken aus den besten Zeiten. Das Gebäude,
eines der schönsten Klenzcs, spricht seine Bestimmung in der großen, künstlerisch
durchgeführten Anlage vortrefflich aus, die innere Raumeintheilung, breit und
mächtig gegriffen, ist zur festlichen Aufnahme der Gemälde wohl geeignet.
Neuerdings, da in München ganz andere Architektur getrieben wird, hat man
an dem Bau und seiner Eintheilung allerlei mäkeln wollen; doch was sich
allenfalls daran aussetzen läßt, die Höhe und Belcuchtungsart der Säle, durch
welche auf die zu unterst gehängten Bilder nur ein gedämpftes, geschwächtes
Licht fällt, das ist wohl kaum dem Architekten zur Last zu legen, da ihm durch
einige enorme Bildertafeln, die nicht einmal ersten Ranges sind, der Höhema߬
stab gegeben schien. Dieser Uebelstand hätte sich übrigens wohl ausgleichen
lassen durch eine mit Kenntniß und richtiger Einsicht angeordnete Aufstellung
der Gemälde. Allein — und dies ist weit schlimmer — an dieser hat es ge¬
fehlt*). Als die Galerie in den dreißiger Jahren eingerichtet wurde, hatte



*) Die Süddeutsche Zeitung hatte den „Zustand und die Pflege der Münchener Pina¬
kothek" in einer Reihe von Aufsätzen (Ur, S4. 67. 59, 61. 63 des Jahrgangs 18K4)
ausführlicher besprochen und auf diese verweisen wir den Leser für das Nähere, da wir uns
hier auf einen kurzen Ueberblick beschränken müssen. Die Erwiederungen auf jene Aufsätze
— s, die folgende Anmerkung — beschäftigen sich lediglich mit der Rechtfertigung der Com¬
mission für Gemäldcrcstaurationen und dem pcttenkofcrschc» Regenerationsverfahren, ohne
der dort besprochenen Uebelstände zu gedenken. Man hat dem Verfasser jener Artikel, der
auch Schreiber dieses ist, seine Anonymität vorgeworfen: doch da er nur, was diese Uebel-
stände anlangt, eigenes Material, im Uebrigen aber fremdes redigirt hat, so hatte er kein
Recht, durch Namensunterschrift auch dieses für sein Eigenthum auszugeben. Er ist überhaupt
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[0236] Pflege der alten Pinakothek. Die Malerei ist die eigentliche Kunst des Zeitalters und gerade nach ihren Meisterwerken muß vorzugsweise die kunst¬ treibende Gegenwart sich bilden. Von allen Schöpfungen der früheren Jahr¬ hunderte sprechen sie am ergreifendsten und vernehmlichsten zur Phantasie des Laien wie des Künstlers ; sie geben ihr die mächtigste Anregung, die Welt im Bilde zu sehen und sich selber zur künstlerischen Anschauung -ihres Inhaltes zu erheben. Aber zugleich sind von allen Kunstwerken die Gemälde die vergänglichsten: die elementare Hülle von Licht und Luft, in der die Dinge schweben und die innere Stimmung in Farbentönen sich ausspricht, können sie nur auf leicht zerstörbarer Fläche mit unkörperlichen, unfaßbarer Mitteln wie¬ dergeben. Kein Kunsterzeugniß bedarf so sehr der Schonung und der einsich¬ tigsten Pflege, wenn es nicht beinahe ebenso rasch vergehen soll, als es ent¬ standen ist. Ohne Zweifel zählt die alte Pinakothek zu den ersten Galerien des Con- tinents, sowohl durch ihre reichhaltige Vertretung aller Schulen, als durch ihre bedeutende Anzahl von Meisterwerken aus den besten Zeiten. Das Gebäude, eines der schönsten Klenzcs, spricht seine Bestimmung in der großen, künstlerisch durchgeführten Anlage vortrefflich aus, die innere Raumeintheilung, breit und mächtig gegriffen, ist zur festlichen Aufnahme der Gemälde wohl geeignet. Neuerdings, da in München ganz andere Architektur getrieben wird, hat man an dem Bau und seiner Eintheilung allerlei mäkeln wollen; doch was sich allenfalls daran aussetzen läßt, die Höhe und Belcuchtungsart der Säle, durch welche auf die zu unterst gehängten Bilder nur ein gedämpftes, geschwächtes Licht fällt, das ist wohl kaum dem Architekten zur Last zu legen, da ihm durch einige enorme Bildertafeln, die nicht einmal ersten Ranges sind, der Höhema߬ stab gegeben schien. Dieser Uebelstand hätte sich übrigens wohl ausgleichen lassen durch eine mit Kenntniß und richtiger Einsicht angeordnete Aufstellung der Gemälde. Allein — und dies ist weit schlimmer — an dieser hat es ge¬ fehlt*). Als die Galerie in den dreißiger Jahren eingerichtet wurde, hatte *) Die Süddeutsche Zeitung hatte den „Zustand und die Pflege der Münchener Pina¬ kothek" in einer Reihe von Aufsätzen (Ur, S4. 67. 59, 61. 63 des Jahrgangs 18K4) ausführlicher besprochen und auf diese verweisen wir den Leser für das Nähere, da wir uns hier auf einen kurzen Ueberblick beschränken müssen. Die Erwiederungen auf jene Aufsätze — s, die folgende Anmerkung — beschäftigen sich lediglich mit der Rechtfertigung der Com¬ mission für Gemäldcrcstaurationen und dem pcttenkofcrschc» Regenerationsverfahren, ohne der dort besprochenen Uebelstände zu gedenken. Man hat dem Verfasser jener Artikel, der auch Schreiber dieses ist, seine Anonymität vorgeworfen: doch da er nur, was diese Uebel- stände anlangt, eigenes Material, im Uebrigen aber fremdes redigirt hat, so hatte er kein Recht, durch Namensunterschrift auch dieses für sein Eigenthum auszugeben. Er ist überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/236>, abgerufen am 23.07.2024.