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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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nur über die Annahme der gesetzlich geringsten oder einer geringen Zahl von
Vortragen ausweisen kann. Selbst Testate über ihren Fleiß werden die Zu¬
hörer aus diesem Grunde sich noch ferner erbitten. Die Gefahr andrerseits,
daß die Studenten vorzugsweise oder ausschließlich zu den Vorlesungen der
Examinatoren gehen werden, dürfte, selbst wenn die Studenten sich wirklich
nur hierdurch leiten ließen, nahezu dadurch ausgeglichen werden, daß ja alle
Grade der Universitätslehrer zum Prüfen berechtigt sein sollen, und daß in je
zwei Jahren der übrigens vorher nicht veröffentlichte ganze Kreis der Examina¬
toren wechseln kann, die Examinatoren der einzelnen Prüfung aber erst un¬
mittelbar vor letzterer ernannt werden. Daß ein Professor seine Stellung
zur Universität oder zum Examen dazu mißbrauchen sollte, die Zuhörer
darauf "hin zu sich allein absichtlich heranzuziehen, erscheint schon sittlich undenk¬
bar. Geschähe es, so wäre allerdings die durch die neue Verordnung un¬
zweifelhaft angebahnte Verbesserung von Grund aus in die größte Gefahr
für das wissenschaftliche juristische Studium umgewandelt. Da die Studenten
ferner aus bester Einsicht oder urtheilsloser Gewohnheit eine bestimmte Reihen¬
folge der Kollegia auch künftig einhalten müssen, an fast allen Universitäten
aber die einzelnen Collegia in jedem Semester nur von je Einem der hierin
unter sich wechselnden Universitätslehrer, also ohne Concurrenz, gelesen werden,
läßt sich ein Monopol der jedesmaligen Examinatoren auf die Zuhörerschaft um
so weniger besorgen. Daß alle diese für Aufhebung der Zwangscollegia und
zu Gunsten der neuen Verordnung sprechenden Gründe nicht rein theo¬
retische sind, zeigt sich bereits in der akademischen Praxis, wo selbst nach Pu¬
blication der Examenordnung Studenten, welche schon den Vorzug der ver¬
schärften Prüfung kosten werden, zahlreicher, als bisher, solche Collegia belegen
und besuchen, die ihrer Natur nach mehr zur allseitigen juristischen Ausbildung
als zur Entscheidung im Examen beitragen. Deshalb erscheint es auch nicht
nothwendig, ja an sich nicht im Sinne der neuen Verordnung, daß etwa juri¬
stische Decane auf der Abgangsurkunde der Studenten von der Universität ver¬
merken, welche wesentlichen juristischen Vorlesungen von ihnen nicht gehört
seien. Sollten trotzdem die finanziellen Resultate für einzelne der Professoren
und Docenten durch die Reform sich ungünstiger erweisen als bisher, so bie¬
tet sich für die Docenten, denen man dies billigerweise allein überweist, das
jetzt um so nöthigere wahrhaft wissenschaftliche Repetitorium als Ersatz; weder
Professoren noch Docenten aber dürften die Examinationsordnung wegen
der eigenen finanziellen Nachtheile aufzuheben.trachten, welche den Docenten
niemand, den Professoren der Staat allein auszugleichen verpflichtet wäre.
Der Nutzen der Verordnung für das ganze Gemeinwesen ist wichtiger und


nur über die Annahme der gesetzlich geringsten oder einer geringen Zahl von
Vortragen ausweisen kann. Selbst Testate über ihren Fleiß werden die Zu¬
hörer aus diesem Grunde sich noch ferner erbitten. Die Gefahr andrerseits,
daß die Studenten vorzugsweise oder ausschließlich zu den Vorlesungen der
Examinatoren gehen werden, dürfte, selbst wenn die Studenten sich wirklich
nur hierdurch leiten ließen, nahezu dadurch ausgeglichen werden, daß ja alle
Grade der Universitätslehrer zum Prüfen berechtigt sein sollen, und daß in je
zwei Jahren der übrigens vorher nicht veröffentlichte ganze Kreis der Examina¬
toren wechseln kann, die Examinatoren der einzelnen Prüfung aber erst un¬
mittelbar vor letzterer ernannt werden. Daß ein Professor seine Stellung
zur Universität oder zum Examen dazu mißbrauchen sollte, die Zuhörer
darauf "hin zu sich allein absichtlich heranzuziehen, erscheint schon sittlich undenk¬
bar. Geschähe es, so wäre allerdings die durch die neue Verordnung un¬
zweifelhaft angebahnte Verbesserung von Grund aus in die größte Gefahr
für das wissenschaftliche juristische Studium umgewandelt. Da die Studenten
ferner aus bester Einsicht oder urtheilsloser Gewohnheit eine bestimmte Reihen¬
folge der Kollegia auch künftig einhalten müssen, an fast allen Universitäten
aber die einzelnen Collegia in jedem Semester nur von je Einem der hierin
unter sich wechselnden Universitätslehrer, also ohne Concurrenz, gelesen werden,
läßt sich ein Monopol der jedesmaligen Examinatoren auf die Zuhörerschaft um
so weniger besorgen. Daß alle diese für Aufhebung der Zwangscollegia und
zu Gunsten der neuen Verordnung sprechenden Gründe nicht rein theo¬
retische sind, zeigt sich bereits in der akademischen Praxis, wo selbst nach Pu¬
blication der Examenordnung Studenten, welche schon den Vorzug der ver¬
schärften Prüfung kosten werden, zahlreicher, als bisher, solche Collegia belegen
und besuchen, die ihrer Natur nach mehr zur allseitigen juristischen Ausbildung
als zur Entscheidung im Examen beitragen. Deshalb erscheint es auch nicht
nothwendig, ja an sich nicht im Sinne der neuen Verordnung, daß etwa juri¬
stische Decane auf der Abgangsurkunde der Studenten von der Universität ver¬
merken, welche wesentlichen juristischen Vorlesungen von ihnen nicht gehört
seien. Sollten trotzdem die finanziellen Resultate für einzelne der Professoren
und Docenten durch die Reform sich ungünstiger erweisen als bisher, so bie¬
tet sich für die Docenten, denen man dies billigerweise allein überweist, das
jetzt um so nöthigere wahrhaft wissenschaftliche Repetitorium als Ersatz; weder
Professoren noch Docenten aber dürften die Examinationsordnung wegen
der eigenen finanziellen Nachtheile aufzuheben.trachten, welche den Docenten
niemand, den Professoren der Staat allein auszugleichen verpflichtet wäre.
Der Nutzen der Verordnung für das ganze Gemeinwesen ist wichtiger und


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[0222] nur über die Annahme der gesetzlich geringsten oder einer geringen Zahl von Vortragen ausweisen kann. Selbst Testate über ihren Fleiß werden die Zu¬ hörer aus diesem Grunde sich noch ferner erbitten. Die Gefahr andrerseits, daß die Studenten vorzugsweise oder ausschließlich zu den Vorlesungen der Examinatoren gehen werden, dürfte, selbst wenn die Studenten sich wirklich nur hierdurch leiten ließen, nahezu dadurch ausgeglichen werden, daß ja alle Grade der Universitätslehrer zum Prüfen berechtigt sein sollen, und daß in je zwei Jahren der übrigens vorher nicht veröffentlichte ganze Kreis der Examina¬ toren wechseln kann, die Examinatoren der einzelnen Prüfung aber erst un¬ mittelbar vor letzterer ernannt werden. Daß ein Professor seine Stellung zur Universität oder zum Examen dazu mißbrauchen sollte, die Zuhörer darauf "hin zu sich allein absichtlich heranzuziehen, erscheint schon sittlich undenk¬ bar. Geschähe es, so wäre allerdings die durch die neue Verordnung un¬ zweifelhaft angebahnte Verbesserung von Grund aus in die größte Gefahr für das wissenschaftliche juristische Studium umgewandelt. Da die Studenten ferner aus bester Einsicht oder urtheilsloser Gewohnheit eine bestimmte Reihen¬ folge der Kollegia auch künftig einhalten müssen, an fast allen Universitäten aber die einzelnen Collegia in jedem Semester nur von je Einem der hierin unter sich wechselnden Universitätslehrer, also ohne Concurrenz, gelesen werden, läßt sich ein Monopol der jedesmaligen Examinatoren auf die Zuhörerschaft um so weniger besorgen. Daß alle diese für Aufhebung der Zwangscollegia und zu Gunsten der neuen Verordnung sprechenden Gründe nicht rein theo¬ retische sind, zeigt sich bereits in der akademischen Praxis, wo selbst nach Pu¬ blication der Examenordnung Studenten, welche schon den Vorzug der ver¬ schärften Prüfung kosten werden, zahlreicher, als bisher, solche Collegia belegen und besuchen, die ihrer Natur nach mehr zur allseitigen juristischen Ausbildung als zur Entscheidung im Examen beitragen. Deshalb erscheint es auch nicht nothwendig, ja an sich nicht im Sinne der neuen Verordnung, daß etwa juri¬ stische Decane auf der Abgangsurkunde der Studenten von der Universität ver¬ merken, welche wesentlichen juristischen Vorlesungen von ihnen nicht gehört seien. Sollten trotzdem die finanziellen Resultate für einzelne der Professoren und Docenten durch die Reform sich ungünstiger erweisen als bisher, so bie¬ tet sich für die Docenten, denen man dies billigerweise allein überweist, das jetzt um so nöthigere wahrhaft wissenschaftliche Repetitorium als Ersatz; weder Professoren noch Docenten aber dürften die Examinationsordnung wegen der eigenen finanziellen Nachtheile aufzuheben.trachten, welche den Docenten niemand, den Professoren der Staat allein auszugleichen verpflichtet wäre. Der Nutzen der Verordnung für das ganze Gemeinwesen ist wichtiger und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/222>, abgerufen am 23.07.2024.