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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Lebens, nur da kann sie, wenn auch nicht von Anfang an durch die Theilnahme
des Volks getragen, diese hervorrufen und ausbilden.

Gerade hierin aber, in dieser Achtung vor dem eigenen Wesen der Kunst
haben es die Könige Ludwig und Maximilian verfehlt. Es fällt -uns nicht ein,
an ihrem vielgerühmten Kunstsinn zweifeln zu wollen, und die Verdienste, die
sich vorab der Erstere sowohl durch seine Sammlung antiker Werte, als durch
die Errichtung der von Klenze ausgeführten Bauten und die Anregung zu den
Arbeiten von Cornelius und Nottmann erworben hat, lassen wir unbestritten.
Aber beide hätten vielmehr, ja sie hätten ganz Anderes leisten und die deutsche
Kunst wirklich ein Stuck vorwärts bringen können, wenn sie dieselbe nicht
betrachtet hätten als ein Ding, das sich nach fürstlichem Belieben betreiben
lasse, und um in Werth zu steigen nur der fürstlichen Gunst bedürfe, sondern
als einen lebendigen Organismus, der wohl Pflege und Nahrung braucht,
aber nur nach seinen eigenen Gesehen gedeiht und sich entwickelt. Der Dilet¬
tantismus ist in aller Kunst vom Uebel: aber wenn die Spielerei des Privat¬
manns harmlos und unschuldig ist, so ist die Einmischung königlicher Einfälle
in das künstlerische Schaffen fast immer gefährlich, und nicht selten sind die
eigenthümlichen monumentalen Gebilde, welche plötzlich und mit einem Male
auf ein königliches Zauberwort aus dem Boden tauchen, ein bloßes Gaukel-
werk. Selbst ein Hadrian, als ausübender Künstler nur ein Dilettant, als
Kenner aber und Beschützer der Kunst wahrlich nicht zu verachten, hat Wohl
der antiken Plastik zu einer Nachblüthe verhelfen, aber sie zugleich dem Ver¬
fall, dem sie schon zuneigte, durch seine besonderen Liebhabereien zugetrieben:
so entstanden neben den Antinousstatuen die gezierten Nachbildungen der steifen
ägyptischen Götter und der Pracht des Materials mußte öfters die Schönheit
der Form weichen. Waren solche Verirrungen damals möglich, als nach grie¬
chischer Ueberlieferung noch griechische Künstler arbeiteten und auch die Laune
des Kaisers die durch Jahrhunderte fest ausgeprägte Änsclmuung nicht ganz
durchbrechen konnte: was erst muß aus der Kunst unsrer Zeit werden, die von
der Vergangenheit abgeschnitten, nur auf ihre eigenen jungen Füße gestützt,
durch eine widerstrebende Welt sich ihren Weg suchen muß. wenn sie durch ein
willkürliches Eingreifen und Drängen von oben bald nach dieser bald nach
jener Seite und athemlos zwischen Gegensätzen hin- und hergewoifen wird?

König Ludwig traf es noch glücklich. Die neuerwachende deutsche Kunst
brachte ihm große Talente entgegen: in der Malerei einen Cornelius und Rott¬
mann, in der Architektur einen Klenze (der, falls man die Genialität seiner
Begabung bezweifelt, immerhin ein tüchtig geschulter und durchaus gebildeter
Künstler war), um vom Bildner Schwanthaler abzusehen, dessen künstlerische
Tüchtigkeit für uns keineswegs ausgemacht ist. Aber nicht blos sollte durch
diese die Antike erneuert und ihre gestaltenreiche Welt -- zudem noch durch

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Lebens, nur da kann sie, wenn auch nicht von Anfang an durch die Theilnahme
des Volks getragen, diese hervorrufen und ausbilden.

Gerade hierin aber, in dieser Achtung vor dem eigenen Wesen der Kunst
haben es die Könige Ludwig und Maximilian verfehlt. Es fällt -uns nicht ein,
an ihrem vielgerühmten Kunstsinn zweifeln zu wollen, und die Verdienste, die
sich vorab der Erstere sowohl durch seine Sammlung antiker Werte, als durch
die Errichtung der von Klenze ausgeführten Bauten und die Anregung zu den
Arbeiten von Cornelius und Nottmann erworben hat, lassen wir unbestritten.
Aber beide hätten vielmehr, ja sie hätten ganz Anderes leisten und die deutsche
Kunst wirklich ein Stuck vorwärts bringen können, wenn sie dieselbe nicht
betrachtet hätten als ein Ding, das sich nach fürstlichem Belieben betreiben
lasse, und um in Werth zu steigen nur der fürstlichen Gunst bedürfe, sondern
als einen lebendigen Organismus, der wohl Pflege und Nahrung braucht,
aber nur nach seinen eigenen Gesehen gedeiht und sich entwickelt. Der Dilet¬
tantismus ist in aller Kunst vom Uebel: aber wenn die Spielerei des Privat¬
manns harmlos und unschuldig ist, so ist die Einmischung königlicher Einfälle
in das künstlerische Schaffen fast immer gefährlich, und nicht selten sind die
eigenthümlichen monumentalen Gebilde, welche plötzlich und mit einem Male
auf ein königliches Zauberwort aus dem Boden tauchen, ein bloßes Gaukel-
werk. Selbst ein Hadrian, als ausübender Künstler nur ein Dilettant, als
Kenner aber und Beschützer der Kunst wahrlich nicht zu verachten, hat Wohl
der antiken Plastik zu einer Nachblüthe verhelfen, aber sie zugleich dem Ver¬
fall, dem sie schon zuneigte, durch seine besonderen Liebhabereien zugetrieben:
so entstanden neben den Antinousstatuen die gezierten Nachbildungen der steifen
ägyptischen Götter und der Pracht des Materials mußte öfters die Schönheit
der Form weichen. Waren solche Verirrungen damals möglich, als nach grie¬
chischer Ueberlieferung noch griechische Künstler arbeiteten und auch die Laune
des Kaisers die durch Jahrhunderte fest ausgeprägte Änsclmuung nicht ganz
durchbrechen konnte: was erst muß aus der Kunst unsrer Zeit werden, die von
der Vergangenheit abgeschnitten, nur auf ihre eigenen jungen Füße gestützt,
durch eine widerstrebende Welt sich ihren Weg suchen muß. wenn sie durch ein
willkürliches Eingreifen und Drängen von oben bald nach dieser bald nach
jener Seite und athemlos zwischen Gegensätzen hin- und hergewoifen wird?

König Ludwig traf es noch glücklich. Die neuerwachende deutsche Kunst
brachte ihm große Talente entgegen: in der Malerei einen Cornelius und Rott¬
mann, in der Architektur einen Klenze (der, falls man die Genialität seiner
Begabung bezweifelt, immerhin ein tüchtig geschulter und durchaus gebildeter
Künstler war), um vom Bildner Schwanthaler abzusehen, dessen künstlerische
Tüchtigkeit für uns keineswegs ausgemacht ist. Aber nicht blos sollte durch
diese die Antike erneuert und ihre gestaltenreiche Welt — zudem noch durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/22>, abgerufen am 23.07.2024.