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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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der Kaisern in Paris sowie die kirchliche Trauung in der Tuilcrienkapelle an¬
beraumt.

Man hatte gehofft, die Vorstellungen Fouah6s würden nicht ohne Wirkung
bleiben, und darum Sitze für das gesammte heilige Kollegium bereit gestellt,
obgleich die Dreizehn bei der bürgerlichen Trauung nicht zugegen gewesen. Als
die entscheidende Stunde geschlagen hatte und man sich überzeugte, daß die
opponirenden Cardinäle nicht erscheinen würden, ließ man rasch die leeren
Sitze wegschaffen, damit wenigstens den Uneingeweihten die Lücke nicht auffalle.

Auch in den Tuilerien waren blos zwölf Cardinäle erschienen. Der
kranke Bagane raffte sich auf, um nicht abwesend zu bleiben; dagegen wurde
Erskine, schon angekleidet, durch zwei Ohnmachten verhindert, an der Feier¬
lichkeit theilzunehmen. Die Cardinäle Dngnani und Despnig entschuldigten ihr
Wegbleiben abermals durch Unpäßlichkeit.

Während der Feier der bürgerlichen wie der kirchlichen Trauung blieben
die dreizehn Cardinäle in ihren Wohnungen eingeschlossen uno verließen diesel¬
ben nicht einmal am Abend. Sie wußten durchaus nicht, welchen Eindruck
ihr Verhalten auf den Kaiser hervorgebracht hatte, da niemand gewagt hätte,
durch einen Besuch bei ihnen sich zu compromittiren. Beim Eintritt in die
Kapelle fiel Napoleons erster Blick auf die den Cardinälen angewiesenen Stühle
und als er nur elf bemerkte (Cardinal Fesch befand sich vor dem Altare), "fun¬
kelten seine Augen dermaßen und nahm sein Gesicht einen solchen Ausdruck
von Zorn und Wildheit an, daß alle, die ihn beobachteten, den Ruin derer
prophezeiten, welche sich geweigert hatten, der Heirath beizuwohnen."

Die Dreizehn begaben sich einem mit Stimmenmehrheit gefaßten Ent¬
schlüsse gemäß zu der auf den folgenden Tag angesetzten Vorstellung, trotz¬
dem daß Cardinal Consalvi und andere sich lebhaft dagegen ausgesprochen hatten.
Sie mußten mit den Senatoren, Deputirten, Bischöfen, Ministern, Palastdamen.
Kammerherren zwei Stunden in den an den Thronsaal stoßenden Gemächern
warten. Endlich öffnet sich die Thüre zu dem Saal, in welchem der Kaiser und die
Kaiserin, die Könige und Prinzen von Geblüt sich befanden. Zuerst wurden
die Senatoren eingeführt, nach ihnen die Mitglieder des Staatsrathes, sogar
den Deputirten wurde der Vortritt vor den Cardinälen gewährt. Als die
Reihe an die so sehr gedemüthigten Eminenzen kam, sah man plötzlich einen Or¬
donnanzoffizier des Kaisers aus dem Thronsaal hereinstürzen. Napoleon hatte
ihn zu sich herangerufen und ihm befohlen, ins Vorgemach zu eilen und sämmt¬
liche Cardinäle, welche nicht bei der Heirath zugegen waren, fortzuschicken, da
S. M. nicht geruhten, sie zu empfangen. Als der Offizier schon an der Thür
war, rief der Kaiser ihn zurück und befahl ihm. blos die Cardinäle Oppizzoni
und Consalvi hinauszuweisen. Aber der Ordonnanzoffizier mißverstand diesen
zweiten Befehl und glaubte, daß nach Abweisung der unliebsamen Cardinäle


der Kaisern in Paris sowie die kirchliche Trauung in der Tuilcrienkapelle an¬
beraumt.

Man hatte gehofft, die Vorstellungen Fouah6s würden nicht ohne Wirkung
bleiben, und darum Sitze für das gesammte heilige Kollegium bereit gestellt,
obgleich die Dreizehn bei der bürgerlichen Trauung nicht zugegen gewesen. Als
die entscheidende Stunde geschlagen hatte und man sich überzeugte, daß die
opponirenden Cardinäle nicht erscheinen würden, ließ man rasch die leeren
Sitze wegschaffen, damit wenigstens den Uneingeweihten die Lücke nicht auffalle.

Auch in den Tuilerien waren blos zwölf Cardinäle erschienen. Der
kranke Bagane raffte sich auf, um nicht abwesend zu bleiben; dagegen wurde
Erskine, schon angekleidet, durch zwei Ohnmachten verhindert, an der Feier¬
lichkeit theilzunehmen. Die Cardinäle Dngnani und Despnig entschuldigten ihr
Wegbleiben abermals durch Unpäßlichkeit.

Während der Feier der bürgerlichen wie der kirchlichen Trauung blieben
die dreizehn Cardinäle in ihren Wohnungen eingeschlossen uno verließen diesel¬
ben nicht einmal am Abend. Sie wußten durchaus nicht, welchen Eindruck
ihr Verhalten auf den Kaiser hervorgebracht hatte, da niemand gewagt hätte,
durch einen Besuch bei ihnen sich zu compromittiren. Beim Eintritt in die
Kapelle fiel Napoleons erster Blick auf die den Cardinälen angewiesenen Stühle
und als er nur elf bemerkte (Cardinal Fesch befand sich vor dem Altare), „fun¬
kelten seine Augen dermaßen und nahm sein Gesicht einen solchen Ausdruck
von Zorn und Wildheit an, daß alle, die ihn beobachteten, den Ruin derer
prophezeiten, welche sich geweigert hatten, der Heirath beizuwohnen."

Die Dreizehn begaben sich einem mit Stimmenmehrheit gefaßten Ent¬
schlüsse gemäß zu der auf den folgenden Tag angesetzten Vorstellung, trotz¬
dem daß Cardinal Consalvi und andere sich lebhaft dagegen ausgesprochen hatten.
Sie mußten mit den Senatoren, Deputirten, Bischöfen, Ministern, Palastdamen.
Kammerherren zwei Stunden in den an den Thronsaal stoßenden Gemächern
warten. Endlich öffnet sich die Thüre zu dem Saal, in welchem der Kaiser und die
Kaiserin, die Könige und Prinzen von Geblüt sich befanden. Zuerst wurden
die Senatoren eingeführt, nach ihnen die Mitglieder des Staatsrathes, sogar
den Deputirten wurde der Vortritt vor den Cardinälen gewährt. Als die
Reihe an die so sehr gedemüthigten Eminenzen kam, sah man plötzlich einen Or¬
donnanzoffizier des Kaisers aus dem Thronsaal hereinstürzen. Napoleon hatte
ihn zu sich herangerufen und ihm befohlen, ins Vorgemach zu eilen und sämmt¬
liche Cardinäle, welche nicht bei der Heirath zugegen waren, fortzuschicken, da
S. M. nicht geruhten, sie zu empfangen. Als der Offizier schon an der Thür
war, rief der Kaiser ihn zurück und befahl ihm. blos die Cardinäle Oppizzoni
und Consalvi hinauszuweisen. Aber der Ordonnanzoffizier mißverstand diesen
zweiten Befehl und glaubte, daß nach Abweisung der unliebsamen Cardinäle


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[0197] der Kaisern in Paris sowie die kirchliche Trauung in der Tuilcrienkapelle an¬ beraumt. Man hatte gehofft, die Vorstellungen Fouah6s würden nicht ohne Wirkung bleiben, und darum Sitze für das gesammte heilige Kollegium bereit gestellt, obgleich die Dreizehn bei der bürgerlichen Trauung nicht zugegen gewesen. Als die entscheidende Stunde geschlagen hatte und man sich überzeugte, daß die opponirenden Cardinäle nicht erscheinen würden, ließ man rasch die leeren Sitze wegschaffen, damit wenigstens den Uneingeweihten die Lücke nicht auffalle. Auch in den Tuilerien waren blos zwölf Cardinäle erschienen. Der kranke Bagane raffte sich auf, um nicht abwesend zu bleiben; dagegen wurde Erskine, schon angekleidet, durch zwei Ohnmachten verhindert, an der Feier¬ lichkeit theilzunehmen. Die Cardinäle Dngnani und Despnig entschuldigten ihr Wegbleiben abermals durch Unpäßlichkeit. Während der Feier der bürgerlichen wie der kirchlichen Trauung blieben die dreizehn Cardinäle in ihren Wohnungen eingeschlossen uno verließen diesel¬ ben nicht einmal am Abend. Sie wußten durchaus nicht, welchen Eindruck ihr Verhalten auf den Kaiser hervorgebracht hatte, da niemand gewagt hätte, durch einen Besuch bei ihnen sich zu compromittiren. Beim Eintritt in die Kapelle fiel Napoleons erster Blick auf die den Cardinälen angewiesenen Stühle und als er nur elf bemerkte (Cardinal Fesch befand sich vor dem Altare), „fun¬ kelten seine Augen dermaßen und nahm sein Gesicht einen solchen Ausdruck von Zorn und Wildheit an, daß alle, die ihn beobachteten, den Ruin derer prophezeiten, welche sich geweigert hatten, der Heirath beizuwohnen." Die Dreizehn begaben sich einem mit Stimmenmehrheit gefaßten Ent¬ schlüsse gemäß zu der auf den folgenden Tag angesetzten Vorstellung, trotz¬ dem daß Cardinal Consalvi und andere sich lebhaft dagegen ausgesprochen hatten. Sie mußten mit den Senatoren, Deputirten, Bischöfen, Ministern, Palastdamen. Kammerherren zwei Stunden in den an den Thronsaal stoßenden Gemächern warten. Endlich öffnet sich die Thüre zu dem Saal, in welchem der Kaiser und die Kaiserin, die Könige und Prinzen von Geblüt sich befanden. Zuerst wurden die Senatoren eingeführt, nach ihnen die Mitglieder des Staatsrathes, sogar den Deputirten wurde der Vortritt vor den Cardinälen gewährt. Als die Reihe an die so sehr gedemüthigten Eminenzen kam, sah man plötzlich einen Or¬ donnanzoffizier des Kaisers aus dem Thronsaal hereinstürzen. Napoleon hatte ihn zu sich herangerufen und ihm befohlen, ins Vorgemach zu eilen und sämmt¬ liche Cardinäle, welche nicht bei der Heirath zugegen waren, fortzuschicken, da S. M. nicht geruhten, sie zu empfangen. Als der Offizier schon an der Thür war, rief der Kaiser ihn zurück und befahl ihm. blos die Cardinäle Oppizzoni und Consalvi hinauszuweisen. Aber der Ordonnanzoffizier mißverstand diesen zweiten Befehl und glaubte, daß nach Abweisung der unliebsamen Cardinäle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/197>, abgerufen am 23.07.2024.