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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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u. a. verzinste man ihnen dieselbe nur mit 4^, während die Stadt selbst diese
Caution in dem Betriebe ihrer concurrirenden Bank anlegte und daraus min¬
destens 8"/o zog-

Natürlich konnten da die Zinsen der Bankdarlehn nicht niedriger sein.
Insbesondere steigerte sich ja bei den Schranken des Wucherverbotes im Verkehre
die Zahl der Nachfragenden, während die Anbieter an einzelnen Orten, wie ge¬
zeigt, vermindert wurden. Abgaben und Caution wurden dem Betriebscapitale vor¬
weg entzogen, um dem Gegner zu dienen, dazu kamen die unausbleiblichen Ge¬
schäftsverluste und Geschäftsunkosten für das stete Bereithalten der Capitalien, für
die großen Pfandlocale, für deren Sicherheit, für die Schaar der Diener, für
das Unterbringen vieler kleiner Geldpostcn. Und wie nutzten die Obrigkeiten,
die Gewalthaber auf das rücksichtsloseste ihre öffentlich-rechtliche Stellung gegen
die Wechsler, zumal gegen die Juden darunter, in vielen Orten aus! Betrach¬
teten sie sich doch zum Therl als Eigenthümer des baaren Vermögens dieser
Leute und ihrer ausstehenden Forderungen. Bon den einzelnen Darlehn ließen
sie sich zuweilen Abgaben entrichten, sie stellten auf sie, unbeschadet ihrer son¬
stigen Leistungen, erhebliche und nicht fällige Anweisungen aus, diese Anwei¬
sungen veräußerten sie wieder und gaben den Käufern derselben noch größere
Erpressungen der Angewiesenen ardeur. Oder der Papst für die Kreuzfahrer,
der Kaiser für seine Unterthanen erließen -- wohl gar noch gegen bestimmte
Abgaben der Schuldner an ihre Kasse -- den Schuldnern wiederholt und oft
in ganzen Territorien ihre ungezählten Zinsen, oder gar zum Theil oder ganz
ihre Schulocapitaiien an Judenwechsler. Eine große Zahl von Urkunden be¬
zeugt diese schmachvolle Behandlung der Juden und Wechsler Seitens der Be¬
hörden, die doch mit immensen und vielnamigen Abgaben sich ihren besondern
Schutz für jene Armen bezahlen ließen.

Natürlich mußten die Schuldner alle diese Mißstände durch um so größere
Zinsen büßen, und nur um letzteren Gewinns willen ertrugen die bedrückten
Judenwechsler besonders jene Uebel. Daß sie da nicht selten über die Grenze
des billigen Maßes hinausgingen, soll nicht geläugnet werden; aber die elfte
und Hauptursache lag nicht in ihnen, sondern in dem Gebahren der Obrigkeiten
gegen sie und in den Fesseln des Zmsenverbotcs der Christen.

In Deutschland schwankte gegenüber dem gewöhnlichen Zinsfuße (der
Renten), der von 12 und 10"/" im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert
sich durchschnittlich im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert allgemach auf
K--S"/", niederzog, der Zinsfuß der Wechsler zwischen 40--20°/<, (jährlich)
für Wochenzahlungen. Eben deshalb zogen die Gesetze oder die einzelnen
Bankconcessivnen diese" Zinsen, wie erwähnt, bestimmte Grenzen, und die öffent¬
lichen Banken (der Behörden) suchten durch ihre Concurrenz. was sie bei ihren
oben gezeichneten vielen Lortheilen natürlich sehr gut konnten, den Zinsfuß


u. a. verzinste man ihnen dieselbe nur mit 4^, während die Stadt selbst diese
Caution in dem Betriebe ihrer concurrirenden Bank anlegte und daraus min¬
destens 8«/o zog-

Natürlich konnten da die Zinsen der Bankdarlehn nicht niedriger sein.
Insbesondere steigerte sich ja bei den Schranken des Wucherverbotes im Verkehre
die Zahl der Nachfragenden, während die Anbieter an einzelnen Orten, wie ge¬
zeigt, vermindert wurden. Abgaben und Caution wurden dem Betriebscapitale vor¬
weg entzogen, um dem Gegner zu dienen, dazu kamen die unausbleiblichen Ge¬
schäftsverluste und Geschäftsunkosten für das stete Bereithalten der Capitalien, für
die großen Pfandlocale, für deren Sicherheit, für die Schaar der Diener, für
das Unterbringen vieler kleiner Geldpostcn. Und wie nutzten die Obrigkeiten,
die Gewalthaber auf das rücksichtsloseste ihre öffentlich-rechtliche Stellung gegen
die Wechsler, zumal gegen die Juden darunter, in vielen Orten aus! Betrach¬
teten sie sich doch zum Therl als Eigenthümer des baaren Vermögens dieser
Leute und ihrer ausstehenden Forderungen. Bon den einzelnen Darlehn ließen
sie sich zuweilen Abgaben entrichten, sie stellten auf sie, unbeschadet ihrer son¬
stigen Leistungen, erhebliche und nicht fällige Anweisungen aus, diese Anwei¬
sungen veräußerten sie wieder und gaben den Käufern derselben noch größere
Erpressungen der Angewiesenen ardeur. Oder der Papst für die Kreuzfahrer,
der Kaiser für seine Unterthanen erließen — wohl gar noch gegen bestimmte
Abgaben der Schuldner an ihre Kasse — den Schuldnern wiederholt und oft
in ganzen Territorien ihre ungezählten Zinsen, oder gar zum Theil oder ganz
ihre Schulocapitaiien an Judenwechsler. Eine große Zahl von Urkunden be¬
zeugt diese schmachvolle Behandlung der Juden und Wechsler Seitens der Be¬
hörden, die doch mit immensen und vielnamigen Abgaben sich ihren besondern
Schutz für jene Armen bezahlen ließen.

Natürlich mußten die Schuldner alle diese Mißstände durch um so größere
Zinsen büßen, und nur um letzteren Gewinns willen ertrugen die bedrückten
Judenwechsler besonders jene Uebel. Daß sie da nicht selten über die Grenze
des billigen Maßes hinausgingen, soll nicht geläugnet werden; aber die elfte
und Hauptursache lag nicht in ihnen, sondern in dem Gebahren der Obrigkeiten
gegen sie und in den Fesseln des Zmsenverbotcs der Christen.

In Deutschland schwankte gegenüber dem gewöhnlichen Zinsfuße (der
Renten), der von 12 und 10"/» im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert
sich durchschnittlich im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert allgemach auf
K—S"/«, niederzog, der Zinsfuß der Wechsler zwischen 40—20°/<, (jährlich)
für Wochenzahlungen. Eben deshalb zogen die Gesetze oder die einzelnen
Bankconcessivnen diese» Zinsen, wie erwähnt, bestimmte Grenzen, und die öffent¬
lichen Banken (der Behörden) suchten durch ihre Concurrenz. was sie bei ihren
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[0189] u. a. verzinste man ihnen dieselbe nur mit 4^, während die Stadt selbst diese Caution in dem Betriebe ihrer concurrirenden Bank anlegte und daraus min¬ destens 8«/o zog- Natürlich konnten da die Zinsen der Bankdarlehn nicht niedriger sein. Insbesondere steigerte sich ja bei den Schranken des Wucherverbotes im Verkehre die Zahl der Nachfragenden, während die Anbieter an einzelnen Orten, wie ge¬ zeigt, vermindert wurden. Abgaben und Caution wurden dem Betriebscapitale vor¬ weg entzogen, um dem Gegner zu dienen, dazu kamen die unausbleiblichen Ge¬ schäftsverluste und Geschäftsunkosten für das stete Bereithalten der Capitalien, für die großen Pfandlocale, für deren Sicherheit, für die Schaar der Diener, für das Unterbringen vieler kleiner Geldpostcn. Und wie nutzten die Obrigkeiten, die Gewalthaber auf das rücksichtsloseste ihre öffentlich-rechtliche Stellung gegen die Wechsler, zumal gegen die Juden darunter, in vielen Orten aus! Betrach¬ teten sie sich doch zum Therl als Eigenthümer des baaren Vermögens dieser Leute und ihrer ausstehenden Forderungen. Bon den einzelnen Darlehn ließen sie sich zuweilen Abgaben entrichten, sie stellten auf sie, unbeschadet ihrer son¬ stigen Leistungen, erhebliche und nicht fällige Anweisungen aus, diese Anwei¬ sungen veräußerten sie wieder und gaben den Käufern derselben noch größere Erpressungen der Angewiesenen ardeur. Oder der Papst für die Kreuzfahrer, der Kaiser für seine Unterthanen erließen — wohl gar noch gegen bestimmte Abgaben der Schuldner an ihre Kasse — den Schuldnern wiederholt und oft in ganzen Territorien ihre ungezählten Zinsen, oder gar zum Theil oder ganz ihre Schulocapitaiien an Judenwechsler. Eine große Zahl von Urkunden be¬ zeugt diese schmachvolle Behandlung der Juden und Wechsler Seitens der Be¬ hörden, die doch mit immensen und vielnamigen Abgaben sich ihren besondern Schutz für jene Armen bezahlen ließen. Natürlich mußten die Schuldner alle diese Mißstände durch um so größere Zinsen büßen, und nur um letzteren Gewinns willen ertrugen die bedrückten Judenwechsler besonders jene Uebel. Daß sie da nicht selten über die Grenze des billigen Maßes hinausgingen, soll nicht geläugnet werden; aber die elfte und Hauptursache lag nicht in ihnen, sondern in dem Gebahren der Obrigkeiten gegen sie und in den Fesseln des Zmsenverbotcs der Christen. In Deutschland schwankte gegenüber dem gewöhnlichen Zinsfuße (der Renten), der von 12 und 10"/» im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert sich durchschnittlich im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert allgemach auf K—S"/«, niederzog, der Zinsfuß der Wechsler zwischen 40—20°/<, (jährlich) für Wochenzahlungen. Eben deshalb zogen die Gesetze oder die einzelnen Bankconcessivnen diese» Zinsen, wie erwähnt, bestimmte Grenzen, und die öffent¬ lichen Banken (der Behörden) suchten durch ihre Concurrenz. was sie bei ihren oben gezeichneten vielen Lortheilen natürlich sehr gut konnten, den Zinsfuß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/189>, abgerufen am 23.07.2024.