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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Credites. So standen 1358, 136S der Jude Mvscho und der Christ Pezko
Cyndal zum Herzog Ludwig v. Brieg, ebenso die Herzogin v. Schweidnitz 1384.
In Erfurt verpfändete für zinsbare Darlehn 1291 selbst der Erzbischof jüdischen
Wechslern die GcrichlSgcfälle. Das sind Einzelheiten aus einer zahllosen Reihe
von Schuldurkunden und andern Nachrichten, In gleicher Weise finden wir
seit dem dreizehnten Jahrhundert das Verhältniß in Norddeutschland, obgleich
hier den Juden insbesondere wiederholt der Eintritt oder wenigstens der Han¬
del ur den Ländern oder Städten untersagt wurde. Noch im sechzehnten Jahr¬
hundert seufzte Bogislav der Zehnte in Pommern, wie die lakonischer Worte
in seinem Notizbuchs zeigen, unter'der Wucherlast dieser Gläubiger. Nicht
anders war es in Litthauen und Polen.

Auch die Depositen der Behörden (selbst mit'.Geldern, welche pupillarische
Sicherheit verlangten), so wie der Privatleute bei den Wechslern, um sich An¬
theile am ZinSgewinn zu schaffen, waren in Deutschland üblich. Eine Einzel¬
heit hiervon soll sogleich unten bei den frankfurter Bänken 1403 erwähnt wer¬
den. Im sechzehnten Jahrhundert deponirten u. a. die städtischen Behörden
zu Amsterdam, dann auch zu Hamburg überschüssige Summen in die Banken,
damit durch den von den Wechslern daraus gezogenen Gewinn ein Fonds zur
Unterstützung schuldlos fallirter Kaufleute gebildet werde, lind selbst die Geist¬
lichen scheuten sich nicht, auf diesem Wege ihr oder der Kirchen und Klöster
Vermögen zu häufe". Eben deshalb und wegen der von ihnen gegebenen zins¬
baren Darlehen setzte manches Stadtrecht geradezu sie auf eine Stufe mit den
wuchernden Juden, und die Concilien und Synoden beschworen sie mit welt¬
lichen und himmlischen Drohungen und Strafen, von solcher zwiefachen Ueber-
tretung des Zinsverbotes abzulassen, -- vergebens! die Macht des Verkehrs
und der Netz des Geldes waren stärker.

Weniger aber mit den großen, in Italien üblichen Geldgeschäfte" konnten
wegen ihrer geringere Capitälen, schwankenden Verbindung unter einander
wegen der allgemeinen factischen und rechtlichen Unsicherheit und des durch alles
dies gelähmten Unlernehmungsmuthes die Wechsler in Deutschland sich versuchen,
als mit kleinen Darlehn, welche sie gegen Empfang von Faustpfändern
oder Erzielung anderer Sicherheit und gegen Entrichtung hoher, nur aus kurze
Zeiten gemessener Zinsbeträge an die unbemittelteren Handwerks- und Handels¬
leute in großer Zahl verabreichten. So bildeten sie die Vermittler des Geld¬
umlaufes nach den unteren Schichten der Gesellschaft hin, von Woche zu Woche
liehen sie diesen die Beträge für die Geschäfts- und Haushaltskvsten, ein weniger
nöthiges Hausgeräth oder Kleidungsstück nahmen sie zum Pfande und erhielten
ihr Capital und reiche Zinsen jedesmal wieder, sobald die Kunden deS Schuld¬
ners ihre natürlich hierdurch gesteigerten Kaufschulden engten. So glichen jene
Wechsler den Marklfrauen unserer Zeit in Paris, welche sich wöchentlich


Credites. So standen 1358, 136S der Jude Mvscho und der Christ Pezko
Cyndal zum Herzog Ludwig v. Brieg, ebenso die Herzogin v. Schweidnitz 1384.
In Erfurt verpfändete für zinsbare Darlehn 1291 selbst der Erzbischof jüdischen
Wechslern die GcrichlSgcfälle. Das sind Einzelheiten aus einer zahllosen Reihe
von Schuldurkunden und andern Nachrichten, In gleicher Weise finden wir
seit dem dreizehnten Jahrhundert das Verhältniß in Norddeutschland, obgleich
hier den Juden insbesondere wiederholt der Eintritt oder wenigstens der Han¬
del ur den Ländern oder Städten untersagt wurde. Noch im sechzehnten Jahr¬
hundert seufzte Bogislav der Zehnte in Pommern, wie die lakonischer Worte
in seinem Notizbuchs zeigen, unter'der Wucherlast dieser Gläubiger. Nicht
anders war es in Litthauen und Polen.

Auch die Depositen der Behörden (selbst mit'.Geldern, welche pupillarische
Sicherheit verlangten), so wie der Privatleute bei den Wechslern, um sich An¬
theile am ZinSgewinn zu schaffen, waren in Deutschland üblich. Eine Einzel¬
heit hiervon soll sogleich unten bei den frankfurter Bänken 1403 erwähnt wer¬
den. Im sechzehnten Jahrhundert deponirten u. a. die städtischen Behörden
zu Amsterdam, dann auch zu Hamburg überschüssige Summen in die Banken,
damit durch den von den Wechslern daraus gezogenen Gewinn ein Fonds zur
Unterstützung schuldlos fallirter Kaufleute gebildet werde, lind selbst die Geist¬
lichen scheuten sich nicht, auf diesem Wege ihr oder der Kirchen und Klöster
Vermögen zu häufe». Eben deshalb und wegen der von ihnen gegebenen zins¬
baren Darlehen setzte manches Stadtrecht geradezu sie auf eine Stufe mit den
wuchernden Juden, und die Concilien und Synoden beschworen sie mit welt¬
lichen und himmlischen Drohungen und Strafen, von solcher zwiefachen Ueber-
tretung des Zinsverbotes abzulassen, — vergebens! die Macht des Verkehrs
und der Netz des Geldes waren stärker.

Weniger aber mit den großen, in Italien üblichen Geldgeschäfte» konnten
wegen ihrer geringere Capitälen, schwankenden Verbindung unter einander
wegen der allgemeinen factischen und rechtlichen Unsicherheit und des durch alles
dies gelähmten Unlernehmungsmuthes die Wechsler in Deutschland sich versuchen,
als mit kleinen Darlehn, welche sie gegen Empfang von Faustpfändern
oder Erzielung anderer Sicherheit und gegen Entrichtung hoher, nur aus kurze
Zeiten gemessener Zinsbeträge an die unbemittelteren Handwerks- und Handels¬
leute in großer Zahl verabreichten. So bildeten sie die Vermittler des Geld¬
umlaufes nach den unteren Schichten der Gesellschaft hin, von Woche zu Woche
liehen sie diesen die Beträge für die Geschäfts- und Haushaltskvsten, ein weniger
nöthiges Hausgeräth oder Kleidungsstück nahmen sie zum Pfande und erhielten
ihr Capital und reiche Zinsen jedesmal wieder, sobald die Kunden deS Schuld¬
ners ihre natürlich hierdurch gesteigerten Kaufschulden engten. So glichen jene
Wechsler den Marklfrauen unserer Zeit in Paris, welche sich wöchentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/184>, abgerufen am 23.07.2024.