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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Wechsler allgemein diejenige der Juden: ihre zinsbaren Darlehen billigte man
aus denselben Gründen wie die jener. Als sie immer mehr sich nothwendig
erwiesen für die großen und kleinen Geldbedürftigen, erkannte man ihre
Zinsforderungen erst thatsächlich, dann in besonderen Privilegien an, endlich
gar in allgemeinen Gesetzen.

Solche Billigung konnte um so weniger ausbleiben, als die Kunde von
den selbst für unsere Zeit große" Zinsgeschäften der italienischen Bankhäuser und
ihrer Zweigbanken sich immer wieder auf den angegebenen Wegen von Italien
durch Deutschland verbreitete. Das geschah vor den Augen der Päpste, der
Hauptwächter des Zmsenverboles. Die Salimbeui in Florenz liebe" dein
Rathe von Siena im I. 1260 allein 20,000 Gulden auf Zinsen , noch größere
zinsbare Capitale liebe" andere florentiner Bankiers dem Könige von England
1307. der ihnen dafür den Marktpreis der englischen Wolle als Zinse" zahlte;
als die Zinsen, dann die Capitalien nicht gezahlt wurden, fallirten 1329 die
Brusini, später die Bardi in Florenz mit einem Ausfall von 16 Millionen
Gulden. Ja um 1220 schon deponirte die heilige Jvetta von Huy in Belgien
Beträge bei den dortigen Wechslern, um an deren Zinsgewin" theilzunehmen;
solcher zinsbarer Depositen von Geistliche" waren bei den Bardi 5S0.000 Gul¬
den eingelegt; und i" England errichtete Richard v. Cormvales, der reiche
Bruder Heinrichs des Dritten, mit Hintansetzung seiner Stellung zum Throne
eine Generalwechselbank, indem er durch ein königliches Privileg sich die alleinige
Bankconcession ertheilen, jeden andern Bankhalter durch harte Strafen von der
Concurrenz ausschließen ließ. Gestatteten doch selbst die Päpste -- welche bis
auf diesen Tag in der Person von Pius dem Neunte" jede Zinsfolderung im
Kirchenstaate verbieten -- nicht blos Laien unter verschiedensten Ausnahmen
Zinsgeschäfte, sondern mußten auch selbst der unerbittlichen Noth des Verkehrs
weichen. Papst Clemens der Vierte nahm gerade die Wechsler und deren
Zinspraxis aus. als er den Einwohnern von Siena die Excommunicanon auf¬
legte, und eben er klagte bitter über die Zinsengier der Wechsler, die ihm
einst 60 Procent von 100,000 Pf. Darlehnscapital als Zinse" vorweg abzogen.
Paul der Vierte aber machte unter dem Deckmantel einer nur gedachte" Bank¬
anlage eine Anleihe von 100,00^0 Scudi auf neun Jahre für "unerträglich hohe
Zinsen" zur Tilgung der Schulden aus den feierlichen Bestallungen Julius
des Dritten und Marcells des Dritten.

So liehen denn auch in Deutschland von den Wechslern und Juden welt¬
liche und geistliche Machthaber bis zum Kaiser und den Erzbischöfen hinauf.
Gemeinden und Privatleute jedes Standes entnahmen bei ihnen Befriedigung
ihres stets neuen Geldbedürfnisscs; jene wurde" die eigentliche" Inhaber der
flüssigen Geldcapitalien, die Träger und rastlosen Förderer des persönlichen


Gttnzlwie" I. 18dis, 22

Wechsler allgemein diejenige der Juden: ihre zinsbaren Darlehen billigte man
aus denselben Gründen wie die jener. Als sie immer mehr sich nothwendig
erwiesen für die großen und kleinen Geldbedürftigen, erkannte man ihre
Zinsforderungen erst thatsächlich, dann in besonderen Privilegien an, endlich
gar in allgemeinen Gesetzen.

Solche Billigung konnte um so weniger ausbleiben, als die Kunde von
den selbst für unsere Zeit große» Zinsgeschäften der italienischen Bankhäuser und
ihrer Zweigbanken sich immer wieder auf den angegebenen Wegen von Italien
durch Deutschland verbreitete. Das geschah vor den Augen der Päpste, der
Hauptwächter des Zmsenverboles. Die Salimbeui in Florenz liebe» dein
Rathe von Siena im I. 1260 allein 20,000 Gulden auf Zinsen , noch größere
zinsbare Capitale liebe» andere florentiner Bankiers dem Könige von England
1307. der ihnen dafür den Marktpreis der englischen Wolle als Zinse» zahlte;
als die Zinsen, dann die Capitalien nicht gezahlt wurden, fallirten 1329 die
Brusini, später die Bardi in Florenz mit einem Ausfall von 16 Millionen
Gulden. Ja um 1220 schon deponirte die heilige Jvetta von Huy in Belgien
Beträge bei den dortigen Wechslern, um an deren Zinsgewin» theilzunehmen;
solcher zinsbarer Depositen von Geistliche» waren bei den Bardi 5S0.000 Gul¬
den eingelegt; und i» England errichtete Richard v. Cormvales, der reiche
Bruder Heinrichs des Dritten, mit Hintansetzung seiner Stellung zum Throne
eine Generalwechselbank, indem er durch ein königliches Privileg sich die alleinige
Bankconcession ertheilen, jeden andern Bankhalter durch harte Strafen von der
Concurrenz ausschließen ließ. Gestatteten doch selbst die Päpste — welche bis
auf diesen Tag in der Person von Pius dem Neunte» jede Zinsfolderung im
Kirchenstaate verbieten — nicht blos Laien unter verschiedensten Ausnahmen
Zinsgeschäfte, sondern mußten auch selbst der unerbittlichen Noth des Verkehrs
weichen. Papst Clemens der Vierte nahm gerade die Wechsler und deren
Zinspraxis aus. als er den Einwohnern von Siena die Excommunicanon auf¬
legte, und eben er klagte bitter über die Zinsengier der Wechsler, die ihm
einst 60 Procent von 100,000 Pf. Darlehnscapital als Zinse» vorweg abzogen.
Paul der Vierte aber machte unter dem Deckmantel einer nur gedachte» Bank¬
anlage eine Anleihe von 100,00^0 Scudi auf neun Jahre für „unerträglich hohe
Zinsen" zur Tilgung der Schulden aus den feierlichen Bestallungen Julius
des Dritten und Marcells des Dritten.

So liehen denn auch in Deutschland von den Wechslern und Juden welt¬
liche und geistliche Machthaber bis zum Kaiser und den Erzbischöfen hinauf.
Gemeinden und Privatleute jedes Standes entnahmen bei ihnen Befriedigung
ihres stets neuen Geldbedürfnisscs; jene wurde» die eigentliche» Inhaber der
flüssigen Geldcapitalien, die Träger und rastlosen Förderer des persönlichen


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[0183] Wechsler allgemein diejenige der Juden: ihre zinsbaren Darlehen billigte man aus denselben Gründen wie die jener. Als sie immer mehr sich nothwendig erwiesen für die großen und kleinen Geldbedürftigen, erkannte man ihre Zinsforderungen erst thatsächlich, dann in besonderen Privilegien an, endlich gar in allgemeinen Gesetzen. Solche Billigung konnte um so weniger ausbleiben, als die Kunde von den selbst für unsere Zeit große» Zinsgeschäften der italienischen Bankhäuser und ihrer Zweigbanken sich immer wieder auf den angegebenen Wegen von Italien durch Deutschland verbreitete. Das geschah vor den Augen der Päpste, der Hauptwächter des Zmsenverboles. Die Salimbeui in Florenz liebe» dein Rathe von Siena im I. 1260 allein 20,000 Gulden auf Zinsen , noch größere zinsbare Capitale liebe» andere florentiner Bankiers dem Könige von England 1307. der ihnen dafür den Marktpreis der englischen Wolle als Zinse» zahlte; als die Zinsen, dann die Capitalien nicht gezahlt wurden, fallirten 1329 die Brusini, später die Bardi in Florenz mit einem Ausfall von 16 Millionen Gulden. Ja um 1220 schon deponirte die heilige Jvetta von Huy in Belgien Beträge bei den dortigen Wechslern, um an deren Zinsgewin» theilzunehmen; solcher zinsbarer Depositen von Geistliche» waren bei den Bardi 5S0.000 Gul¬ den eingelegt; und i» England errichtete Richard v. Cormvales, der reiche Bruder Heinrichs des Dritten, mit Hintansetzung seiner Stellung zum Throne eine Generalwechselbank, indem er durch ein königliches Privileg sich die alleinige Bankconcession ertheilen, jeden andern Bankhalter durch harte Strafen von der Concurrenz ausschließen ließ. Gestatteten doch selbst die Päpste — welche bis auf diesen Tag in der Person von Pius dem Neunte» jede Zinsfolderung im Kirchenstaate verbieten — nicht blos Laien unter verschiedensten Ausnahmen Zinsgeschäfte, sondern mußten auch selbst der unerbittlichen Noth des Verkehrs weichen. Papst Clemens der Vierte nahm gerade die Wechsler und deren Zinspraxis aus. als er den Einwohnern von Siena die Excommunicanon auf¬ legte, und eben er klagte bitter über die Zinsengier der Wechsler, die ihm einst 60 Procent von 100,000 Pf. Darlehnscapital als Zinse» vorweg abzogen. Paul der Vierte aber machte unter dem Deckmantel einer nur gedachte» Bank¬ anlage eine Anleihe von 100,00^0 Scudi auf neun Jahre für „unerträglich hohe Zinsen" zur Tilgung der Schulden aus den feierlichen Bestallungen Julius des Dritten und Marcells des Dritten. So liehen denn auch in Deutschland von den Wechslern und Juden welt¬ liche und geistliche Machthaber bis zum Kaiser und den Erzbischöfen hinauf. Gemeinden und Privatleute jedes Standes entnahmen bei ihnen Befriedigung ihres stets neuen Geldbedürfnisscs; jene wurde» die eigentliche» Inhaber der flüssigen Geldcapitalien, die Träger und rastlosen Förderer des persönlichen Gttnzlwie» I. 18dis, 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/183>, abgerufen am 23.07.2024.