Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lung geschah meistens durch die auf den Messen regelmäßig erscheinenden Ver¬
treter der Bürger einzelner deutscher Städte.

Seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts traten dann die norddeutschen
Kaufleute, die Gesandten, die Obrigkeiten der hanseatischen Städte besonders
mit den italienischen Bankiers in Flandern in Geschäftsverkehr. Sie ließen durch sie
Geldbeträge nach entfernteren Orten, vornehmlich nach Frankreich und Italien,
mittelst Wechselbriefen übersenden oder verschafften sich durch sie Geld, indem sie
ihnen Wechselbriefe, gezogen auf ihre heimischen Geschäftsfreunde und Auftrag¬
geber, verkauften. Hiervon nannte man den im Hansagebicte ursprünglich aus¬
gebildete" Wechselbrief "Ueberkauf".

Alles dieses mußte bei dem steigenden Verkehr im Hansagebiete schließlich
die italienischen Wechsler der Niederlande reizen, an einzelnen Hauptorten des
deutschen Handels wenigstens Cvmmcmditen zu errichten, wenn nicht selbst sich
niederzulassen. Dies geschah seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts,
wie angedeutet wurde, in Schlesien und Polen; zu derselben Zeit etwa durch
"Gerardo den Walen" in Lübeck. Bald zog dieser den hanseatischen Geld- und
Wechselverkehr mit Italien und Flandern an sich, die Behörden und Kaufleute von
Neval und Riga bis Stralsund kauften von ihm Wechselbriefe, und als durch
Schuld eines brügger Bankhauses ein Wechselbrief über 200 Dukaten, welche
Danzig seinem Vertreter am päpstlichen Hofe in dem Processe gegen den Bi¬
schof von Breslau am 28. September 1431 gesandt hatte, erst im August 1432
dem Remittenten in Rom ausgezahlt wurde, wandte auch Danzig dem Walen
Gerardo in Lübeck seine ergiebige Kundschaft zu. Diese Kundschaft steigerte sich,
als der danziger Vertreter zur Fortführung jenes Processes zum Concil nach
Basel übersiedelte und Gerardo seine Bankcommandite neben der einer bsneo
Kor8illie>r aus Brügge in Basel errichtete, so daß Danzig seinem Vertreter
offenen Credit bei Gerardo auswirken konnte. Uebrigens scheint diese Zweig¬
niederlassung des lübecker Lombarden in Basel zu verrathen, daß das Bank¬
geschäft in Süddeutschland nickt besonders blühte. Auch nach des Summisten
Chr. Kuppeners Berickten vermittelte am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
ein lübecker Wechsler den Geld- und Wechselverkehr zwischen Leipzig, Nürnberg.
Frankfurt a. M. und Venedig. Padua und Rom.

Endlich müssen bei der Frage vom Ursprünge der Wechsler in Deutschland
die Judenw echsl er genannt werden. Die Juden erwiesen sich überall, wo
der Geldverkehr durch äußere Hemmnisse unterbrochen wurde, als unersetzbares
Bindeglied zur Förderung des persönlichen Credites. Ihre Zinsgeschäfte mit
allen Schichten der Gesellschaft, besonders auch mit den kleinen Handwerkern,
traten eine lange Zeit hindurch fast allein dem kirchlichen Zinsverbote direct
entgegen und bahnten vornehmlich dessen endliche Beseitigung an.


lung geschah meistens durch die auf den Messen regelmäßig erscheinenden Ver¬
treter der Bürger einzelner deutscher Städte.

Seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts traten dann die norddeutschen
Kaufleute, die Gesandten, die Obrigkeiten der hanseatischen Städte besonders
mit den italienischen Bankiers in Flandern in Geschäftsverkehr. Sie ließen durch sie
Geldbeträge nach entfernteren Orten, vornehmlich nach Frankreich und Italien,
mittelst Wechselbriefen übersenden oder verschafften sich durch sie Geld, indem sie
ihnen Wechselbriefe, gezogen auf ihre heimischen Geschäftsfreunde und Auftrag¬
geber, verkauften. Hiervon nannte man den im Hansagebicte ursprünglich aus¬
gebildete» Wechselbrief „Ueberkauf".

Alles dieses mußte bei dem steigenden Verkehr im Hansagebiete schließlich
die italienischen Wechsler der Niederlande reizen, an einzelnen Hauptorten des
deutschen Handels wenigstens Cvmmcmditen zu errichten, wenn nicht selbst sich
niederzulassen. Dies geschah seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts,
wie angedeutet wurde, in Schlesien und Polen; zu derselben Zeit etwa durch
„Gerardo den Walen" in Lübeck. Bald zog dieser den hanseatischen Geld- und
Wechselverkehr mit Italien und Flandern an sich, die Behörden und Kaufleute von
Neval und Riga bis Stralsund kauften von ihm Wechselbriefe, und als durch
Schuld eines brügger Bankhauses ein Wechselbrief über 200 Dukaten, welche
Danzig seinem Vertreter am päpstlichen Hofe in dem Processe gegen den Bi¬
schof von Breslau am 28. September 1431 gesandt hatte, erst im August 1432
dem Remittenten in Rom ausgezahlt wurde, wandte auch Danzig dem Walen
Gerardo in Lübeck seine ergiebige Kundschaft zu. Diese Kundschaft steigerte sich,
als der danziger Vertreter zur Fortführung jenes Processes zum Concil nach
Basel übersiedelte und Gerardo seine Bankcommandite neben der einer bsneo
Kor8illie>r aus Brügge in Basel errichtete, so daß Danzig seinem Vertreter
offenen Credit bei Gerardo auswirken konnte. Uebrigens scheint diese Zweig¬
niederlassung des lübecker Lombarden in Basel zu verrathen, daß das Bank¬
geschäft in Süddeutschland nickt besonders blühte. Auch nach des Summisten
Chr. Kuppeners Berickten vermittelte am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
ein lübecker Wechsler den Geld- und Wechselverkehr zwischen Leipzig, Nürnberg.
Frankfurt a. M. und Venedig. Padua und Rom.

Endlich müssen bei der Frage vom Ursprünge der Wechsler in Deutschland
die Judenw echsl er genannt werden. Die Juden erwiesen sich überall, wo
der Geldverkehr durch äußere Hemmnisse unterbrochen wurde, als unersetzbares
Bindeglied zur Förderung des persönlichen Credites. Ihre Zinsgeschäfte mit
allen Schichten der Gesellschaft, besonders auch mit den kleinen Handwerkern,
traten eine lange Zeit hindurch fast allein dem kirchlichen Zinsverbote direct
entgegen und bahnten vornehmlich dessen endliche Beseitigung an.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282421"/>
          <p xml:id="ID_453" prev="#ID_452"> lung geschah meistens durch die auf den Messen regelmäßig erscheinenden Ver¬<lb/>
treter der Bürger einzelner deutscher Städte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_454"> Seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts traten dann die norddeutschen<lb/>
Kaufleute, die Gesandten, die Obrigkeiten der hanseatischen Städte besonders<lb/>
mit den italienischen Bankiers in Flandern in Geschäftsverkehr. Sie ließen durch sie<lb/>
Geldbeträge nach entfernteren Orten, vornehmlich nach Frankreich und Italien,<lb/>
mittelst Wechselbriefen übersenden oder verschafften sich durch sie Geld, indem sie<lb/>
ihnen Wechselbriefe, gezogen auf ihre heimischen Geschäftsfreunde und Auftrag¬<lb/>
geber, verkauften. Hiervon nannte man den im Hansagebicte ursprünglich aus¬<lb/>
gebildete» Wechselbrief &#x201E;Ueberkauf".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_455"> Alles dieses mußte bei dem steigenden Verkehr im Hansagebiete schließlich<lb/>
die italienischen Wechsler der Niederlande reizen, an einzelnen Hauptorten des<lb/>
deutschen Handels wenigstens Cvmmcmditen zu errichten, wenn nicht selbst sich<lb/>
niederzulassen. Dies geschah seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts,<lb/>
wie angedeutet wurde, in Schlesien und Polen; zu derselben Zeit etwa durch<lb/>
&#x201E;Gerardo den Walen" in Lübeck. Bald zog dieser den hanseatischen Geld- und<lb/>
Wechselverkehr mit Italien und Flandern an sich, die Behörden und Kaufleute von<lb/>
Neval und Riga bis Stralsund kauften von ihm Wechselbriefe, und als durch<lb/>
Schuld eines brügger Bankhauses ein Wechselbrief über 200 Dukaten, welche<lb/>
Danzig seinem Vertreter am päpstlichen Hofe in dem Processe gegen den Bi¬<lb/>
schof von Breslau am 28. September 1431 gesandt hatte, erst im August 1432<lb/>
dem Remittenten in Rom ausgezahlt wurde, wandte auch Danzig dem Walen<lb/>
Gerardo in Lübeck seine ergiebige Kundschaft zu. Diese Kundschaft steigerte sich,<lb/>
als der danziger Vertreter zur Fortführung jenes Processes zum Concil nach<lb/>
Basel übersiedelte und Gerardo seine Bankcommandite neben der einer bsneo<lb/>
Kor8illie&gt;r aus Brügge in Basel errichtete, so daß Danzig seinem Vertreter<lb/>
offenen Credit bei Gerardo auswirken konnte. Uebrigens scheint diese Zweig¬<lb/>
niederlassung des lübecker Lombarden in Basel zu verrathen, daß das Bank¬<lb/>
geschäft in Süddeutschland nickt besonders blühte. Auch nach des Summisten<lb/>
Chr. Kuppeners Berickten vermittelte am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts<lb/>
ein lübecker Wechsler den Geld- und Wechselverkehr zwischen Leipzig, Nürnberg.<lb/>
Frankfurt a. M. und Venedig. Padua und Rom.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_456"> Endlich müssen bei der Frage vom Ursprünge der Wechsler in Deutschland<lb/>
die Judenw echsl er genannt werden. Die Juden erwiesen sich überall, wo<lb/>
der Geldverkehr durch äußere Hemmnisse unterbrochen wurde, als unersetzbares<lb/>
Bindeglied zur Förderung des persönlichen Credites. Ihre Zinsgeschäfte mit<lb/>
allen Schichten der Gesellschaft, besonders auch mit den kleinen Handwerkern,<lb/>
traten eine lange Zeit hindurch fast allein dem kirchlichen Zinsverbote direct<lb/>
entgegen und bahnten vornehmlich dessen endliche Beseitigung an.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] lung geschah meistens durch die auf den Messen regelmäßig erscheinenden Ver¬ treter der Bürger einzelner deutscher Städte. Seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts traten dann die norddeutschen Kaufleute, die Gesandten, die Obrigkeiten der hanseatischen Städte besonders mit den italienischen Bankiers in Flandern in Geschäftsverkehr. Sie ließen durch sie Geldbeträge nach entfernteren Orten, vornehmlich nach Frankreich und Italien, mittelst Wechselbriefen übersenden oder verschafften sich durch sie Geld, indem sie ihnen Wechselbriefe, gezogen auf ihre heimischen Geschäftsfreunde und Auftrag¬ geber, verkauften. Hiervon nannte man den im Hansagebicte ursprünglich aus¬ gebildete» Wechselbrief „Ueberkauf". Alles dieses mußte bei dem steigenden Verkehr im Hansagebiete schließlich die italienischen Wechsler der Niederlande reizen, an einzelnen Hauptorten des deutschen Handels wenigstens Cvmmcmditen zu errichten, wenn nicht selbst sich niederzulassen. Dies geschah seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts, wie angedeutet wurde, in Schlesien und Polen; zu derselben Zeit etwa durch „Gerardo den Walen" in Lübeck. Bald zog dieser den hanseatischen Geld- und Wechselverkehr mit Italien und Flandern an sich, die Behörden und Kaufleute von Neval und Riga bis Stralsund kauften von ihm Wechselbriefe, und als durch Schuld eines brügger Bankhauses ein Wechselbrief über 200 Dukaten, welche Danzig seinem Vertreter am päpstlichen Hofe in dem Processe gegen den Bi¬ schof von Breslau am 28. September 1431 gesandt hatte, erst im August 1432 dem Remittenten in Rom ausgezahlt wurde, wandte auch Danzig dem Walen Gerardo in Lübeck seine ergiebige Kundschaft zu. Diese Kundschaft steigerte sich, als der danziger Vertreter zur Fortführung jenes Processes zum Concil nach Basel übersiedelte und Gerardo seine Bankcommandite neben der einer bsneo Kor8illie>r aus Brügge in Basel errichtete, so daß Danzig seinem Vertreter offenen Credit bei Gerardo auswirken konnte. Uebrigens scheint diese Zweig¬ niederlassung des lübecker Lombarden in Basel zu verrathen, daß das Bank¬ geschäft in Süddeutschland nickt besonders blühte. Auch nach des Summisten Chr. Kuppeners Berickten vermittelte am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ein lübecker Wechsler den Geld- und Wechselverkehr zwischen Leipzig, Nürnberg. Frankfurt a. M. und Venedig. Padua und Rom. Endlich müssen bei der Frage vom Ursprünge der Wechsler in Deutschland die Judenw echsl er genannt werden. Die Juden erwiesen sich überall, wo der Geldverkehr durch äußere Hemmnisse unterbrochen wurde, als unersetzbares Bindeglied zur Förderung des persönlichen Credites. Ihre Zinsgeschäfte mit allen Schichten der Gesellschaft, besonders auch mit den kleinen Handwerkern, traten eine lange Zeit hindurch fast allein dem kirchlichen Zinsverbote direct entgegen und bahnten vornehmlich dessen endliche Beseitigung an.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/180>, abgerufen am 23.07.2024.