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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Niederrhein. Hier wie in Norddeutschland hießen sie Lombarden (I^ompar-
ter, liummert), ^Vater (d. h. ^VüIIonon), euoroini (e^r- vo-wsrtselriv), und
gerade in Süddeutschland befand sich unter den Geschlcchtcrnamen nach dem
Orte der Abstammung auch der "unter asu ^Valeu" (inter I^tinos).

In Norddeutschland concurrirten schon vor den Bankniederlassungen in
Flandern italienische Kaufleute als Zwischenhändler südländischer Producte mit den
Hanseaten. Wie letztere traf man auch sie in den Haupthandelsorten Englands,
Schwedens und tief in Rußland; in den Mittelpunkten des nordischen Handels
zu Flandern nahmen sie dann ihren Hauptsitz und erwarben sich durch ihre
Handelskenntniß, ihre Geldmacht und ihren mittelst dieser errungenen Einfluß
bei den weltlichen und geistlichen Machthabern bis zu Papst und Kaiser hinauf
ein ausgedehntes und gefürchtetes Ansehn. In den deutschen Küsten- und
Binnenstädten suchten sie auf denselben Wegen als Kaufleute, Schiffsbaumeister,
Pächter von Zöllen, Bergwerken u. s. w. ihre Bedeutung zu sichern. -- Die
italienischen Wechsler aber übten auf diese Gegenden die erste Einwirkung von
Flandern aus, indem nämlich deutsche Kaufleute und Boten die für die Curie,
wie oben erwähnt, im Norden und Nordosten Deutschlands gesammelten und in
Gold umgewechselten Gaben seit Uebersiedlung der Päpste nach Avignon (1305) nicht
mehr direct an den päpstlichen Hof brachten, sondern zu den italienischen Bank-
commcmditen, den Mandataren des Papstes, nach Flandern; letztere sandten die
Beträge dann in Wechselbriefen, auf ihre Bankgenossen ausgestellt, nach Avig-
non. Aber die wechselnden Kaufleute in Nordostdeutschland nutzten bald ihr
concurrenzloses Geschäft zu sehr aus. Die Boten ferner, welche die Goldbe¬
träge nach Flandern transportirten, kehrten mit den unabgclicferten Beträgen
wiederholt nach Schlesien und Polen zurück; denn 1329 waren die Bankiers
Peruzzi in Italien und Flandern fallirt, 1339 stürzte ebenso in Brügge das
große Bankhaus der Bardi, das bis dahin als Bevollmächtigter der Curie jene
päpstlichen Gelder übernommen und nach Avianon gesandt hatte. Gerade im
Anschlusse hieran suchte einer der schon oben genannten päpstlichen Sammler
1336 durch den Einfluß des Papstes italienische Wechsler zur Ansiedlung in Schle¬
sien und Polen zu bewegen. Kurze Zeit darauf erfüllte sich sein folgenreicher
Plan; seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts ließen sich wirklich italienische
Wechsler, wenn auch immer in geringer Zahl, in diesen Gegenden nieder.

Zuvor beschränkte sich der Einfluß der Italiener hier fast nur auf die
Verbindung einzelner nord- und nordwestdeutscher Kaufleute oder sonstiger
Ansässiger mit den großen Wechselmessen der Champagne. Seit dem Anfange
des dreizehnten Jahrhunderts läßt sich diese Verbindung nachweisen, wo unter
andern der Erzbischof von Köln durch einen in Rom ausgestellten Solawechsel
verpflichtet wird, die Schuldsumme auf der nächsten Wcchselmesse der Cham-
Pagne den dortigen Vertretern der römischen Gläubiger zu zahlen. Die Zäh-


Niederrhein. Hier wie in Norddeutschland hießen sie Lombarden (I^ompar-
ter, liummert), ^Vater (d. h. ^VüIIonon), euoroini (e^r- vo-wsrtselriv), und
gerade in Süddeutschland befand sich unter den Geschlcchtcrnamen nach dem
Orte der Abstammung auch der „unter asu ^Valeu" (inter I^tinos).

In Norddeutschland concurrirten schon vor den Bankniederlassungen in
Flandern italienische Kaufleute als Zwischenhändler südländischer Producte mit den
Hanseaten. Wie letztere traf man auch sie in den Haupthandelsorten Englands,
Schwedens und tief in Rußland; in den Mittelpunkten des nordischen Handels
zu Flandern nahmen sie dann ihren Hauptsitz und erwarben sich durch ihre
Handelskenntniß, ihre Geldmacht und ihren mittelst dieser errungenen Einfluß
bei den weltlichen und geistlichen Machthabern bis zu Papst und Kaiser hinauf
ein ausgedehntes und gefürchtetes Ansehn. In den deutschen Küsten- und
Binnenstädten suchten sie auf denselben Wegen als Kaufleute, Schiffsbaumeister,
Pächter von Zöllen, Bergwerken u. s. w. ihre Bedeutung zu sichern. — Die
italienischen Wechsler aber übten auf diese Gegenden die erste Einwirkung von
Flandern aus, indem nämlich deutsche Kaufleute und Boten die für die Curie,
wie oben erwähnt, im Norden und Nordosten Deutschlands gesammelten und in
Gold umgewechselten Gaben seit Uebersiedlung der Päpste nach Avignon (1305) nicht
mehr direct an den päpstlichen Hof brachten, sondern zu den italienischen Bank-
commcmditen, den Mandataren des Papstes, nach Flandern; letztere sandten die
Beträge dann in Wechselbriefen, auf ihre Bankgenossen ausgestellt, nach Avig-
non. Aber die wechselnden Kaufleute in Nordostdeutschland nutzten bald ihr
concurrenzloses Geschäft zu sehr aus. Die Boten ferner, welche die Goldbe¬
träge nach Flandern transportirten, kehrten mit den unabgclicferten Beträgen
wiederholt nach Schlesien und Polen zurück; denn 1329 waren die Bankiers
Peruzzi in Italien und Flandern fallirt, 1339 stürzte ebenso in Brügge das
große Bankhaus der Bardi, das bis dahin als Bevollmächtigter der Curie jene
päpstlichen Gelder übernommen und nach Avianon gesandt hatte. Gerade im
Anschlusse hieran suchte einer der schon oben genannten päpstlichen Sammler
1336 durch den Einfluß des Papstes italienische Wechsler zur Ansiedlung in Schle¬
sien und Polen zu bewegen. Kurze Zeit darauf erfüllte sich sein folgenreicher
Plan; seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts ließen sich wirklich italienische
Wechsler, wenn auch immer in geringer Zahl, in diesen Gegenden nieder.

Zuvor beschränkte sich der Einfluß der Italiener hier fast nur auf die
Verbindung einzelner nord- und nordwestdeutscher Kaufleute oder sonstiger
Ansässiger mit den großen Wechselmessen der Champagne. Seit dem Anfange
des dreizehnten Jahrhunderts läßt sich diese Verbindung nachweisen, wo unter
andern der Erzbischof von Köln durch einen in Rom ausgestellten Solawechsel
verpflichtet wird, die Schuldsumme auf der nächsten Wcchselmesse der Cham-
Pagne den dortigen Vertretern der römischen Gläubiger zu zahlen. Die Zäh-


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[0179] Niederrhein. Hier wie in Norddeutschland hießen sie Lombarden (I^ompar- ter, liummert), ^Vater (d. h. ^VüIIonon), euoroini (e^r- vo-wsrtselriv), und gerade in Süddeutschland befand sich unter den Geschlcchtcrnamen nach dem Orte der Abstammung auch der „unter asu ^Valeu" (inter I^tinos). In Norddeutschland concurrirten schon vor den Bankniederlassungen in Flandern italienische Kaufleute als Zwischenhändler südländischer Producte mit den Hanseaten. Wie letztere traf man auch sie in den Haupthandelsorten Englands, Schwedens und tief in Rußland; in den Mittelpunkten des nordischen Handels zu Flandern nahmen sie dann ihren Hauptsitz und erwarben sich durch ihre Handelskenntniß, ihre Geldmacht und ihren mittelst dieser errungenen Einfluß bei den weltlichen und geistlichen Machthabern bis zu Papst und Kaiser hinauf ein ausgedehntes und gefürchtetes Ansehn. In den deutschen Küsten- und Binnenstädten suchten sie auf denselben Wegen als Kaufleute, Schiffsbaumeister, Pächter von Zöllen, Bergwerken u. s. w. ihre Bedeutung zu sichern. — Die italienischen Wechsler aber übten auf diese Gegenden die erste Einwirkung von Flandern aus, indem nämlich deutsche Kaufleute und Boten die für die Curie, wie oben erwähnt, im Norden und Nordosten Deutschlands gesammelten und in Gold umgewechselten Gaben seit Uebersiedlung der Päpste nach Avignon (1305) nicht mehr direct an den päpstlichen Hof brachten, sondern zu den italienischen Bank- commcmditen, den Mandataren des Papstes, nach Flandern; letztere sandten die Beträge dann in Wechselbriefen, auf ihre Bankgenossen ausgestellt, nach Avig- non. Aber die wechselnden Kaufleute in Nordostdeutschland nutzten bald ihr concurrenzloses Geschäft zu sehr aus. Die Boten ferner, welche die Goldbe¬ träge nach Flandern transportirten, kehrten mit den unabgclicferten Beträgen wiederholt nach Schlesien und Polen zurück; denn 1329 waren die Bankiers Peruzzi in Italien und Flandern fallirt, 1339 stürzte ebenso in Brügge das große Bankhaus der Bardi, das bis dahin als Bevollmächtigter der Curie jene päpstlichen Gelder übernommen und nach Avianon gesandt hatte. Gerade im Anschlusse hieran suchte einer der schon oben genannten päpstlichen Sammler 1336 durch den Einfluß des Papstes italienische Wechsler zur Ansiedlung in Schle¬ sien und Polen zu bewegen. Kurze Zeit darauf erfüllte sich sein folgenreicher Plan; seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts ließen sich wirklich italienische Wechsler, wenn auch immer in geringer Zahl, in diesen Gegenden nieder. Zuvor beschränkte sich der Einfluß der Italiener hier fast nur auf die Verbindung einzelner nord- und nordwestdeutscher Kaufleute oder sonstiger Ansässiger mit den großen Wechselmessen der Champagne. Seit dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts läßt sich diese Verbindung nachweisen, wo unter andern der Erzbischof von Köln durch einen in Rom ausgestellten Solawechsel verpflichtet wird, die Schuldsumme auf der nächsten Wcchselmesse der Cham- Pagne den dortigen Vertretern der römischen Gläubiger zu zahlen. Die Zäh-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/179>, abgerufen am 23.07.2024.