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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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gicbige Finanzquelle nutzten und ausbeuteten. In Schlesien u, a. legten gar
seit 1226 die Bischöfe und Herzöge statt der neuen Umprägungen eine jährlich
fällige Grundsteuer, "Münzgeld" oder "Abeganc" genannt, den Einwohnern auf.
Die fremden Münzherren verschlimmerten das Uebel, indem sie die inländischen
besseren Münzen "umtauften und einschmolzen. So fiel der Münzwerth stetig
und bedenklich schnell; weder die in sich schwankenden Cursnvrmirungen der
Kaiser, noch die oft von den Paciscenten selbst übertretenen Münzvereinigungen
benachbarter Münzherrcn hälfe" dagegen. Ueberall im Reiche traf man die¬
selben Mißstände; in Pommern u. a. nutzten selbst die Städte als Aus¬
über des Münzregals letzteres ebenso zum größten Nachtheile des Verkehrs.

Indeß gerade die Städte als Sitze des Hauptverkehrs, mußten am meisten
unter dieser Plage leiden, daher suchten viele derselben, und schon seit dem
zwölften Jahrhundert, bei der Münzprägung durch Stimme und That mit¬
zuwirken; das Münzrecht selbst erwarben sie nicht. Wo die Kaiser oder Fürsten
es hier nicht selbst behielten und übten, übertrugen sie es als Lehn vielfach
dienstmännischen oder patrizischen Geschlechtern, welche eine eigene Zunft, "die
Hausgenossen", unter dem Münzmeister bildeten und Abgaben an den Lehns¬
herrn entrichteten.

Eines der Hauptprivilegien dieser Hausgenossen war, daß sie allein in den
Städten Geld wechseln durften; das Privileg des ^shok oder vessel erschien
so bedeutend, daß nach ihm alle Münzer "Wechsler", (oamdiatorös, camp-
sores) genannt wurden. Enge hing es mit den sonstigen Geschäften der
Münzer, besonders mit ihrer Controle der umlaufenden Münzen und Zah¬
lungen zusammen. Bei der oben erwähnten Münzwirrniß mußte es den Wechs¬
lern (Münzern) einen namhaften Gewinn abwerfen, zugleich aber sie in stete
Berührung mit dem Volke, vmnehmlich den Kaufleuten bringen.

Im Nordosten Deutschlands wie in Polen und Litthauen vollzogen seit
dem zwölften Jahrhundert die Thätigkeit der Wechsler nicht die Münzer, die
Hausgenossen, sondern angesehene Kaufleute, welche im Uevrigen nur
ihren kaufmännischen Geschäften oblagen. Hier handelte es sich vornehmlich
um den Wechsel der für den päpstlichen Hof in diesen Gegenden als Abgaben,
Geschenke u. s. w. eingegangenen und durch besonders bevollmächtigte päpstliche
Sammler an einzelnen Hauptorten zusammengebrachten Geldbeträge. Während
nämlich in den übrigen Ländern des europäischen Nordens die Curie durch
ihre eigenen Wechsler oder wenigstens durch die Commanditen italienischer Bank¬
häuser diese Beträge einziehen ließ, mußte sie hier darauf verzichten, weil
weder die -- wenn auch an sich sehr respectable -- Höhe der Beträge, noch
der sonstige Zustand des Verkehrs, besonders des Zwischenhandels genügten, um
solche Wechsler zur Niederlassung anzulocken. Erst seit dem fünfzehnten Jahr¬
hundert wurden hier die Gelder der Curie, welche bisher (nach der Umwechs.


gicbige Finanzquelle nutzten und ausbeuteten. In Schlesien u, a. legten gar
seit 1226 die Bischöfe und Herzöge statt der neuen Umprägungen eine jährlich
fällige Grundsteuer, „Münzgeld" oder „Abeganc" genannt, den Einwohnern auf.
Die fremden Münzherren verschlimmerten das Uebel, indem sie die inländischen
besseren Münzen «umtauften und einschmolzen. So fiel der Münzwerth stetig
und bedenklich schnell; weder die in sich schwankenden Cursnvrmirungen der
Kaiser, noch die oft von den Paciscenten selbst übertretenen Münzvereinigungen
benachbarter Münzherrcn hälfe» dagegen. Ueberall im Reiche traf man die¬
selben Mißstände; in Pommern u. a. nutzten selbst die Städte als Aus¬
über des Münzregals letzteres ebenso zum größten Nachtheile des Verkehrs.

Indeß gerade die Städte als Sitze des Hauptverkehrs, mußten am meisten
unter dieser Plage leiden, daher suchten viele derselben, und schon seit dem
zwölften Jahrhundert, bei der Münzprägung durch Stimme und That mit¬
zuwirken; das Münzrecht selbst erwarben sie nicht. Wo die Kaiser oder Fürsten
es hier nicht selbst behielten und übten, übertrugen sie es als Lehn vielfach
dienstmännischen oder patrizischen Geschlechtern, welche eine eigene Zunft, „die
Hausgenossen", unter dem Münzmeister bildeten und Abgaben an den Lehns¬
herrn entrichteten.

Eines der Hauptprivilegien dieser Hausgenossen war, daß sie allein in den
Städten Geld wechseln durften; das Privileg des ^shok oder vessel erschien
so bedeutend, daß nach ihm alle Münzer „Wechsler", (oamdiatorös, camp-
sores) genannt wurden. Enge hing es mit den sonstigen Geschäften der
Münzer, besonders mit ihrer Controle der umlaufenden Münzen und Zah¬
lungen zusammen. Bei der oben erwähnten Münzwirrniß mußte es den Wechs¬
lern (Münzern) einen namhaften Gewinn abwerfen, zugleich aber sie in stete
Berührung mit dem Volke, vmnehmlich den Kaufleuten bringen.

Im Nordosten Deutschlands wie in Polen und Litthauen vollzogen seit
dem zwölften Jahrhundert die Thätigkeit der Wechsler nicht die Münzer, die
Hausgenossen, sondern angesehene Kaufleute, welche im Uevrigen nur
ihren kaufmännischen Geschäften oblagen. Hier handelte es sich vornehmlich
um den Wechsel der für den päpstlichen Hof in diesen Gegenden als Abgaben,
Geschenke u. s. w. eingegangenen und durch besonders bevollmächtigte päpstliche
Sammler an einzelnen Hauptorten zusammengebrachten Geldbeträge. Während
nämlich in den übrigen Ländern des europäischen Nordens die Curie durch
ihre eigenen Wechsler oder wenigstens durch die Commanditen italienischer Bank¬
häuser diese Beträge einziehen ließ, mußte sie hier darauf verzichten, weil
weder die — wenn auch an sich sehr respectable — Höhe der Beträge, noch
der sonstige Zustand des Verkehrs, besonders des Zwischenhandels genügten, um
solche Wechsler zur Niederlassung anzulocken. Erst seit dem fünfzehnten Jahr¬
hundert wurden hier die Gelder der Curie, welche bisher (nach der Umwechs.


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[0176] gicbige Finanzquelle nutzten und ausbeuteten. In Schlesien u, a. legten gar seit 1226 die Bischöfe und Herzöge statt der neuen Umprägungen eine jährlich fällige Grundsteuer, „Münzgeld" oder „Abeganc" genannt, den Einwohnern auf. Die fremden Münzherren verschlimmerten das Uebel, indem sie die inländischen besseren Münzen «umtauften und einschmolzen. So fiel der Münzwerth stetig und bedenklich schnell; weder die in sich schwankenden Cursnvrmirungen der Kaiser, noch die oft von den Paciscenten selbst übertretenen Münzvereinigungen benachbarter Münzherrcn hälfe» dagegen. Ueberall im Reiche traf man die¬ selben Mißstände; in Pommern u. a. nutzten selbst die Städte als Aus¬ über des Münzregals letzteres ebenso zum größten Nachtheile des Verkehrs. Indeß gerade die Städte als Sitze des Hauptverkehrs, mußten am meisten unter dieser Plage leiden, daher suchten viele derselben, und schon seit dem zwölften Jahrhundert, bei der Münzprägung durch Stimme und That mit¬ zuwirken; das Münzrecht selbst erwarben sie nicht. Wo die Kaiser oder Fürsten es hier nicht selbst behielten und übten, übertrugen sie es als Lehn vielfach dienstmännischen oder patrizischen Geschlechtern, welche eine eigene Zunft, „die Hausgenossen", unter dem Münzmeister bildeten und Abgaben an den Lehns¬ herrn entrichteten. Eines der Hauptprivilegien dieser Hausgenossen war, daß sie allein in den Städten Geld wechseln durften; das Privileg des ^shok oder vessel erschien so bedeutend, daß nach ihm alle Münzer „Wechsler", (oamdiatorös, camp- sores) genannt wurden. Enge hing es mit den sonstigen Geschäften der Münzer, besonders mit ihrer Controle der umlaufenden Münzen und Zah¬ lungen zusammen. Bei der oben erwähnten Münzwirrniß mußte es den Wechs¬ lern (Münzern) einen namhaften Gewinn abwerfen, zugleich aber sie in stete Berührung mit dem Volke, vmnehmlich den Kaufleuten bringen. Im Nordosten Deutschlands wie in Polen und Litthauen vollzogen seit dem zwölften Jahrhundert die Thätigkeit der Wechsler nicht die Münzer, die Hausgenossen, sondern angesehene Kaufleute, welche im Uevrigen nur ihren kaufmännischen Geschäften oblagen. Hier handelte es sich vornehmlich um den Wechsel der für den päpstlichen Hof in diesen Gegenden als Abgaben, Geschenke u. s. w. eingegangenen und durch besonders bevollmächtigte päpstliche Sammler an einzelnen Hauptorten zusammengebrachten Geldbeträge. Während nämlich in den übrigen Ländern des europäischen Nordens die Curie durch ihre eigenen Wechsler oder wenigstens durch die Commanditen italienischer Bank¬ häuser diese Beträge einziehen ließ, mußte sie hier darauf verzichten, weil weder die — wenn auch an sich sehr respectable — Höhe der Beträge, noch der sonstige Zustand des Verkehrs, besonders des Zwischenhandels genügten, um solche Wechsler zur Niederlassung anzulocken. Erst seit dem fünfzehnten Jahr¬ hundert wurden hier die Gelder der Curie, welche bisher (nach der Umwechs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/176>, abgerufen am 23.07.2024.