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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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schieden beantworten. Die Militärpartei und die unternehmende Minorität der
Junker sind für Eroberung, Occupation, Annex; die Liberalen für eine fried¬
liche Vereinigung und allmäliges Zusammenwachsen der einzelnen Glieder un¬
serer Nation. Es steht nicht anzunehmen, daß diese Auffassung der deutschen
Frage sich dort in der nächsten Zeit wesentlich ändern werde, beide Parteien
mögen einander einmal Concessionen machen, sie werden immer wieder zu ihren
Neigungen und Stichwörtern zurückkehren. Die Entscheidung aber über den
einzuschlagenden Weg wird dort noch lange fast ganz in der Persönlichkeit des
Fürsten liegen.

Vereinigung der deutschen Stämme mit Preußen ist das große Ziel. Wie diese
Vereinigung zuletzt lebendig werden wird, weiß niemand. Aber wie wir dafür
zu arbeiten haben, soll uns nicht zweifelhaft sein. Die Arbeit des Einzelnen
muß bei uns eine gesetzliche sein, sie darf den Respect vor dem Volkswillen nie
verläugnen, sie muß auf jedem Gebiet unserer Interessen die Annäherung her-
beizuführen suchen, eine friedliche, allmäli>ge, stetig fortschreitende Annäherung.
Nur in dieser Weise vermag der einzelne Liberale zu agitiren. Er weiß recht
gut, daß die Annäherung der Staaten nicht so regulär Schritt um Schritt vor
sich geht, und daß die Ereignisse einbrechen, wie ein Orkan, seinen Wegebau
zerstörend oder überspringend. Aber er soll doch nicht irre werden, und nicht
müde. Ob dem Einen bei solcher Thätigkeit der Bundesstaat als letztes Ziel
vor Augen steht, dem Andern der Einheitsstaat, das darf keinen Hader hervor¬
rufen. wer am Werke'hilft, ist uns werth und unser Genosse. Soll hier zu¬
letzt eine runde Ueberzeugung ausgesprochen werden, so ist es dieselbe, welche
heimlich unsere partikularistischen Gegner hegen: jeder Bundesstaat führt uns
zum Einheitsstaat; aber der Bundesstaat wird doch die nächste Form sein, in
welcher sich das deutsche Bedürfniß nach Vereinigung ausprägt.

Unterdeß frmen wir uns der ehrlichen Worte, welche der Verfasser seinen
Landsleuten zuruft, wir wünschen, daß ihre Wirkung eine starke sei. Er hat
kühn seine Stellung genommen, und das Bild seiner geistigen Persönlichkeit,
welche in diesem Buche so stattlich und edel hervortritt, wird fortan von Freun¬
den und Gegnern mit lebhaftem Antheil betrachtet werden.




schieden beantworten. Die Militärpartei und die unternehmende Minorität der
Junker sind für Eroberung, Occupation, Annex; die Liberalen für eine fried¬
liche Vereinigung und allmäliges Zusammenwachsen der einzelnen Glieder un¬
serer Nation. Es steht nicht anzunehmen, daß diese Auffassung der deutschen
Frage sich dort in der nächsten Zeit wesentlich ändern werde, beide Parteien
mögen einander einmal Concessionen machen, sie werden immer wieder zu ihren
Neigungen und Stichwörtern zurückkehren. Die Entscheidung aber über den
einzuschlagenden Weg wird dort noch lange fast ganz in der Persönlichkeit des
Fürsten liegen.

Vereinigung der deutschen Stämme mit Preußen ist das große Ziel. Wie diese
Vereinigung zuletzt lebendig werden wird, weiß niemand. Aber wie wir dafür
zu arbeiten haben, soll uns nicht zweifelhaft sein. Die Arbeit des Einzelnen
muß bei uns eine gesetzliche sein, sie darf den Respect vor dem Volkswillen nie
verläugnen, sie muß auf jedem Gebiet unserer Interessen die Annäherung her-
beizuführen suchen, eine friedliche, allmäli>ge, stetig fortschreitende Annäherung.
Nur in dieser Weise vermag der einzelne Liberale zu agitiren. Er weiß recht
gut, daß die Annäherung der Staaten nicht so regulär Schritt um Schritt vor
sich geht, und daß die Ereignisse einbrechen, wie ein Orkan, seinen Wegebau
zerstörend oder überspringend. Aber er soll doch nicht irre werden, und nicht
müde. Ob dem Einen bei solcher Thätigkeit der Bundesstaat als letztes Ziel
vor Augen steht, dem Andern der Einheitsstaat, das darf keinen Hader hervor¬
rufen. wer am Werke'hilft, ist uns werth und unser Genosse. Soll hier zu¬
letzt eine runde Ueberzeugung ausgesprochen werden, so ist es dieselbe, welche
heimlich unsere partikularistischen Gegner hegen: jeder Bundesstaat führt uns
zum Einheitsstaat; aber der Bundesstaat wird doch die nächste Form sein, in
welcher sich das deutsche Bedürfniß nach Vereinigung ausprägt.

Unterdeß frmen wir uns der ehrlichen Worte, welche der Verfasser seinen
Landsleuten zuruft, wir wünschen, daß ihre Wirkung eine starke sei. Er hat
kühn seine Stellung genommen, und das Bild seiner geistigen Persönlichkeit,
welche in diesem Buche so stattlich und edel hervortritt, wird fortan von Freun¬
den und Gegnern mit lebhaftem Antheil betrachtet werden.




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[0014] schieden beantworten. Die Militärpartei und die unternehmende Minorität der Junker sind für Eroberung, Occupation, Annex; die Liberalen für eine fried¬ liche Vereinigung und allmäliges Zusammenwachsen der einzelnen Glieder un¬ serer Nation. Es steht nicht anzunehmen, daß diese Auffassung der deutschen Frage sich dort in der nächsten Zeit wesentlich ändern werde, beide Parteien mögen einander einmal Concessionen machen, sie werden immer wieder zu ihren Neigungen und Stichwörtern zurückkehren. Die Entscheidung aber über den einzuschlagenden Weg wird dort noch lange fast ganz in der Persönlichkeit des Fürsten liegen. Vereinigung der deutschen Stämme mit Preußen ist das große Ziel. Wie diese Vereinigung zuletzt lebendig werden wird, weiß niemand. Aber wie wir dafür zu arbeiten haben, soll uns nicht zweifelhaft sein. Die Arbeit des Einzelnen muß bei uns eine gesetzliche sein, sie darf den Respect vor dem Volkswillen nie verläugnen, sie muß auf jedem Gebiet unserer Interessen die Annäherung her- beizuführen suchen, eine friedliche, allmäli>ge, stetig fortschreitende Annäherung. Nur in dieser Weise vermag der einzelne Liberale zu agitiren. Er weiß recht gut, daß die Annäherung der Staaten nicht so regulär Schritt um Schritt vor sich geht, und daß die Ereignisse einbrechen, wie ein Orkan, seinen Wegebau zerstörend oder überspringend. Aber er soll doch nicht irre werden, und nicht müde. Ob dem Einen bei solcher Thätigkeit der Bundesstaat als letztes Ziel vor Augen steht, dem Andern der Einheitsstaat, das darf keinen Hader hervor¬ rufen. wer am Werke'hilft, ist uns werth und unser Genosse. Soll hier zu¬ letzt eine runde Ueberzeugung ausgesprochen werden, so ist es dieselbe, welche heimlich unsere partikularistischen Gegner hegen: jeder Bundesstaat führt uns zum Einheitsstaat; aber der Bundesstaat wird doch die nächste Form sein, in welcher sich das deutsche Bedürfniß nach Vereinigung ausprägt. Unterdeß frmen wir uns der ehrlichen Worte, welche der Verfasser seinen Landsleuten zuruft, wir wünschen, daß ihre Wirkung eine starke sei. Er hat kühn seine Stellung genommen, und das Bild seiner geistigen Persönlichkeit, welche in diesem Buche so stattlich und edel hervortritt, wird fortan von Freun¬ den und Gegnern mit lebhaftem Antheil betrachtet werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/14>, abgerufen am 23.07.2024.