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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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gleichfalls verirrten Feldjägerofsizicr wurde ich zur Neservecavalleric des 3. Armee¬
corps geführt, woselbst ich zwar nicht das Mindeste über die Munitions¬
wagen erfuhr, aber doch wenigstens darüber Auskunft erhielt, wo die Brigade
Krafft und und derselben auch die 16. Batterie anzutreffen sei.

Paunsdorf, dessen Richtung mir angedeutet wurde, war leicht aufzufinden;
denn dieses Dorf stand gleich mehren anderen in hellen Flammen.

Bei meiner Ankunft im Bivouak der Batterie, welches westlich von
Paunsdorf, und zwar unter Leichen und Pferdekadavern etablirt war, wurde
mir kein besonders freundlicher Empfang, denn mein Battcriecommandeur konnte
oder wollte gar nicht begreifen, wie ich unverrichteter Sache habe zurückkehren
können, obgleich ich mehre Stunden kreuz und quer umhergeritten war.

Außer einem wärmenden Lagerfeuer, zu welchem die Umzäunung des Dor¬
fes das Material hergab, bot das Bivouak keinerlei Genüsse. Bereits seit
zwei Tagen hatten wir von den etwa noch vorgefundenen Brosamen, haupt¬
sächlich aber von weißen Rüben gelebt.

Die Nacht war wieder sehr kalt und die ganze Gegend in dichten Nebel gehüllt,
welcher auch am Morgen des 19. October noch anhielt. -- Als nun der Tag
angebrochen war, erschien auch der mit der Führung der Munitionswagen be¬
traute Batlericfeldwcbel mit seinen Wagen. Es ging natürlich tüchtig über
ihn her; aber der Bericht, den er erstattete, rechtfertigte ihn allerdings. Er
war nämlich durch einen preußischen GcneralstabSoffizicr von seinem ihm an¬
gewiesenen Standpunkt hinter dem Straßenvorwerk mit der ernsten Weisung,
daß die Aufstellung von Munitionswagen so nahe der Schlachtlinie zu gefähr¬
lich sei, zurück und bis nach Taucba duigirt worden. Diese Weisung kann
möglicherweise von einem völlig Unberufenen gegeben worden sein; aber der
Battcricfeldwcbel halte diesem Befehle Folge geben müssen. Er habe nun zwar
einen Wagengefreiten mit der Meldung dieses Befehles zur Batterie vor¬
gesendet, dieser jedoch hätte die Batterie im Wirrwarr, der Schlacht nicht auf¬
finden können und sei erst spät am Abend in Tanche, bei den Munitionswagen
wieder eingetroffen.

An diesen Vorfall läßt sich eine auch heute noch nicht ganz müßige Be"
trachtung knüpfen.

Der Fall, daß Munitionswagen den im Feuer stehenden Batterien ab¬
handen kommen oder doch die Verbindung mit ihrer Batterie verlieren, steht
keineswegs vereinzelt da. Fragt mau aber nach der Ursache dieses großen
Uebclstandeö, so kann die Antwort nur dahin lauten, daß dies unter zehn
Fällen neunmal in der mangelhaften Führung der Munitionswagen seinen
Grund hat. Und dies ist nicht sowohl ein Tadel gegen den Einzelnen, als
vielmehr gegen die herkömmliche Organisation. Ein Feldwebel besitzt bekannt¬
lich nicht die Autorität, einen wenn auch noch so unberufen auftretenden


gleichfalls verirrten Feldjägerofsizicr wurde ich zur Neservecavalleric des 3. Armee¬
corps geführt, woselbst ich zwar nicht das Mindeste über die Munitions¬
wagen erfuhr, aber doch wenigstens darüber Auskunft erhielt, wo die Brigade
Krafft und und derselben auch die 16. Batterie anzutreffen sei.

Paunsdorf, dessen Richtung mir angedeutet wurde, war leicht aufzufinden;
denn dieses Dorf stand gleich mehren anderen in hellen Flammen.

Bei meiner Ankunft im Bivouak der Batterie, welches westlich von
Paunsdorf, und zwar unter Leichen und Pferdekadavern etablirt war, wurde
mir kein besonders freundlicher Empfang, denn mein Battcriecommandeur konnte
oder wollte gar nicht begreifen, wie ich unverrichteter Sache habe zurückkehren
können, obgleich ich mehre Stunden kreuz und quer umhergeritten war.

Außer einem wärmenden Lagerfeuer, zu welchem die Umzäunung des Dor¬
fes das Material hergab, bot das Bivouak keinerlei Genüsse. Bereits seit
zwei Tagen hatten wir von den etwa noch vorgefundenen Brosamen, haupt¬
sächlich aber von weißen Rüben gelebt.

Die Nacht war wieder sehr kalt und die ganze Gegend in dichten Nebel gehüllt,
welcher auch am Morgen des 19. October noch anhielt. — Als nun der Tag
angebrochen war, erschien auch der mit der Führung der Munitionswagen be¬
traute Batlericfeldwcbel mit seinen Wagen. Es ging natürlich tüchtig über
ihn her; aber der Bericht, den er erstattete, rechtfertigte ihn allerdings. Er
war nämlich durch einen preußischen GcneralstabSoffizicr von seinem ihm an¬
gewiesenen Standpunkt hinter dem Straßenvorwerk mit der ernsten Weisung,
daß die Aufstellung von Munitionswagen so nahe der Schlachtlinie zu gefähr¬
lich sei, zurück und bis nach Taucba duigirt worden. Diese Weisung kann
möglicherweise von einem völlig Unberufenen gegeben worden sein; aber der
Battcricfeldwcbel halte diesem Befehle Folge geben müssen. Er habe nun zwar
einen Wagengefreiten mit der Meldung dieses Befehles zur Batterie vor¬
gesendet, dieser jedoch hätte die Batterie im Wirrwarr, der Schlacht nicht auf¬
finden können und sei erst spät am Abend in Tanche, bei den Munitionswagen
wieder eingetroffen.

An diesen Vorfall läßt sich eine auch heute noch nicht ganz müßige Be«
trachtung knüpfen.

Der Fall, daß Munitionswagen den im Feuer stehenden Batterien ab¬
handen kommen oder doch die Verbindung mit ihrer Batterie verlieren, steht
keineswegs vereinzelt da. Fragt mau aber nach der Ursache dieses großen
Uebclstandeö, so kann die Antwort nur dahin lauten, daß dies unter zehn
Fällen neunmal in der mangelhaften Führung der Munitionswagen seinen
Grund hat. Und dies ist nicht sowohl ein Tadel gegen den Einzelnen, als
vielmehr gegen die herkömmliche Organisation. Ein Feldwebel besitzt bekannt¬
lich nicht die Autorität, einen wenn auch noch so unberufen auftretenden


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[0068] gleichfalls verirrten Feldjägerofsizicr wurde ich zur Neservecavalleric des 3. Armee¬ corps geführt, woselbst ich zwar nicht das Mindeste über die Munitions¬ wagen erfuhr, aber doch wenigstens darüber Auskunft erhielt, wo die Brigade Krafft und und derselben auch die 16. Batterie anzutreffen sei. Paunsdorf, dessen Richtung mir angedeutet wurde, war leicht aufzufinden; denn dieses Dorf stand gleich mehren anderen in hellen Flammen. Bei meiner Ankunft im Bivouak der Batterie, welches westlich von Paunsdorf, und zwar unter Leichen und Pferdekadavern etablirt war, wurde mir kein besonders freundlicher Empfang, denn mein Battcriecommandeur konnte oder wollte gar nicht begreifen, wie ich unverrichteter Sache habe zurückkehren können, obgleich ich mehre Stunden kreuz und quer umhergeritten war. Außer einem wärmenden Lagerfeuer, zu welchem die Umzäunung des Dor¬ fes das Material hergab, bot das Bivouak keinerlei Genüsse. Bereits seit zwei Tagen hatten wir von den etwa noch vorgefundenen Brosamen, haupt¬ sächlich aber von weißen Rüben gelebt. Die Nacht war wieder sehr kalt und die ganze Gegend in dichten Nebel gehüllt, welcher auch am Morgen des 19. October noch anhielt. — Als nun der Tag angebrochen war, erschien auch der mit der Führung der Munitionswagen be¬ traute Batlericfeldwcbel mit seinen Wagen. Es ging natürlich tüchtig über ihn her; aber der Bericht, den er erstattete, rechtfertigte ihn allerdings. Er war nämlich durch einen preußischen GcneralstabSoffizicr von seinem ihm an¬ gewiesenen Standpunkt hinter dem Straßenvorwerk mit der ernsten Weisung, daß die Aufstellung von Munitionswagen so nahe der Schlachtlinie zu gefähr¬ lich sei, zurück und bis nach Taucba duigirt worden. Diese Weisung kann möglicherweise von einem völlig Unberufenen gegeben worden sein; aber der Battcricfeldwcbel halte diesem Befehle Folge geben müssen. Er habe nun zwar einen Wagengefreiten mit der Meldung dieses Befehles zur Batterie vor¬ gesendet, dieser jedoch hätte die Batterie im Wirrwarr, der Schlacht nicht auf¬ finden können und sei erst spät am Abend in Tanche, bei den Munitionswagen wieder eingetroffen. An diesen Vorfall läßt sich eine auch heute noch nicht ganz müßige Be« trachtung knüpfen. Der Fall, daß Munitionswagen den im Feuer stehenden Batterien ab¬ handen kommen oder doch die Verbindung mit ihrer Batterie verlieren, steht keineswegs vereinzelt da. Fragt mau aber nach der Ursache dieses großen Uebclstandeö, so kann die Antwort nur dahin lauten, daß dies unter zehn Fällen neunmal in der mangelhaften Führung der Munitionswagen seinen Grund hat. Und dies ist nicht sowohl ein Tadel gegen den Einzelnen, als vielmehr gegen die herkömmliche Organisation. Ein Feldwebel besitzt bekannt¬ lich nicht die Autorität, einen wenn auch noch so unberufen auftretenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/68>, abgerufen am 01.07.2024.