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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ehe noch die Principien der Socialwissenschaft erschienen, war Carey be¬
reits durch seinen volkswirtschaftlich sehr folgenreichen Satz, "daß die Cultur
ursprünglich auf dem schlechtesten Boden beginne und allmälig zu besserem
Acker übergehe", seinen Fachgenossen bekannt geworden. Dieser Satz, dem
wir einige Erläuterungen beifügen müssen, wurde ein paar Jahre vor dem
Erscheinen der bastiatschen Harmonien veröffentlicht. Doch verräth der fran¬
zösische Denker noch keine Kenntniß desselben, wie denn überhaupt Vastiat seine
namhaften Theorien ganz übereinstimmend mit Carcys ein Jahrzehnt älteren
(1837 publicirten) Aufstellungen ausführt, ohne die Priorität des Amerikaners
zu. kennen. Erst durch die Auffindung des erwähnten Gesetzes, demzufolge die
Bodcncultur einen der gewöhnlichen Ansicht gerade entgegengesetzten Verlauf
nimmt, wurde Carey in den Stand gesetzt, ein eigentliches System aufzustellen.
Auch ist er in der That von der Wichtigkeit und Tragweite seines auf die Be¬
obachtung der amerikanischen Ansiedlungen gestützten Satzes so sehr durchdrun¬
gen, daß er keinen Anstand nimmt, dabei an Kvpcricus und Kepler zu er¬
innern und für die Volkswirthschaftslehre das Ende der so zu sagen noch pto-
lemäischen Anschauungsweise vorauszusagen. Ihm steht eine politische Oekono-
mie, die noch an den malthusschen Bevölkerungvorstellungen und an Ricardos
Lehre von der Bodenrenke festhält, auf einem Standpunkt, für den keine Ver¬
mittlungen, sondern nur Umkehrungen der bisherigen Theorie von Nutzen sein
könne". Carey glaubt nun diese Umkehrungen zu vollziehen und datirt von
der Anerkennung einiger der erheblichsten unter den neuen Gesetzen eine srucht-
rcichcre Aera der Vvlkswirthschaftslelsre.

Wenn die Cultur zuerst auf dem schlechteren Boden beginnt, so stellt sich
ein immer wachsender Ertrag in Aussicht. Die geschichtliche Entwicklung des
Menschengeschlechts gestaltet sich alsdann harmonisch. Mit der zunehmenden
Bevölkerung wächst auch die Kraft, die Hindernisse zu überwinden, welche sich
der Bebauung des fruchtbareren Bodens ursprünglich entgegenstellen. Arbeit
und Genuß werden auf diese Weise in Uebereinstimmung gesetzt. Die Natur
belohnt die größere Anstrengung auch mit größerem Erfolge. Die zahlreichere
Bevölkerung, deren wirtschaftliche Macht durch Theilung der Arbeit und me¬
chanische Erfindungen gesteigert ist, vermag es, sich den Zugang zu dem volle¬
ren Bodenrcichthum der Natur zu eröffnen. Wäre der Verlauf der Cultur ein
entgegengesetzter, so würden sich unvermeidlich die traurigen ricardoschen Per-
spectiven eröffnen. Nachdem zuerst der allerbeste Boden bebaut worden wäre,
müßte allmälig immer schlechterer Acker in Angriff genommen werden. Die
Noth in der Gestalt einer -- wie das Schlagwort der malthusschen Schule
lautet -- "auf die Lebensmittel drängenden Bevölkerung" würde unvermeidlich
zu dem immer kärglicher lohnenden Geschäft der Bebauung des früher verschmäh¬
ten Landes treiben. Die einzige Gesellschaftsclasse, welche, nach Ricardos offe-


Ehe noch die Principien der Socialwissenschaft erschienen, war Carey be¬
reits durch seinen volkswirtschaftlich sehr folgenreichen Satz, „daß die Cultur
ursprünglich auf dem schlechtesten Boden beginne und allmälig zu besserem
Acker übergehe", seinen Fachgenossen bekannt geworden. Dieser Satz, dem
wir einige Erläuterungen beifügen müssen, wurde ein paar Jahre vor dem
Erscheinen der bastiatschen Harmonien veröffentlicht. Doch verräth der fran¬
zösische Denker noch keine Kenntniß desselben, wie denn überhaupt Vastiat seine
namhaften Theorien ganz übereinstimmend mit Carcys ein Jahrzehnt älteren
(1837 publicirten) Aufstellungen ausführt, ohne die Priorität des Amerikaners
zu. kennen. Erst durch die Auffindung des erwähnten Gesetzes, demzufolge die
Bodcncultur einen der gewöhnlichen Ansicht gerade entgegengesetzten Verlauf
nimmt, wurde Carey in den Stand gesetzt, ein eigentliches System aufzustellen.
Auch ist er in der That von der Wichtigkeit und Tragweite seines auf die Be¬
obachtung der amerikanischen Ansiedlungen gestützten Satzes so sehr durchdrun¬
gen, daß er keinen Anstand nimmt, dabei an Kvpcricus und Kepler zu er¬
innern und für die Volkswirthschaftslehre das Ende der so zu sagen noch pto-
lemäischen Anschauungsweise vorauszusagen. Ihm steht eine politische Oekono-
mie, die noch an den malthusschen Bevölkerungvorstellungen und an Ricardos
Lehre von der Bodenrenke festhält, auf einem Standpunkt, für den keine Ver¬
mittlungen, sondern nur Umkehrungen der bisherigen Theorie von Nutzen sein
könne». Carey glaubt nun diese Umkehrungen zu vollziehen und datirt von
der Anerkennung einiger der erheblichsten unter den neuen Gesetzen eine srucht-
rcichcre Aera der Vvlkswirthschaftslelsre.

Wenn die Cultur zuerst auf dem schlechteren Boden beginnt, so stellt sich
ein immer wachsender Ertrag in Aussicht. Die geschichtliche Entwicklung des
Menschengeschlechts gestaltet sich alsdann harmonisch. Mit der zunehmenden
Bevölkerung wächst auch die Kraft, die Hindernisse zu überwinden, welche sich
der Bebauung des fruchtbareren Bodens ursprünglich entgegenstellen. Arbeit
und Genuß werden auf diese Weise in Uebereinstimmung gesetzt. Die Natur
belohnt die größere Anstrengung auch mit größerem Erfolge. Die zahlreichere
Bevölkerung, deren wirtschaftliche Macht durch Theilung der Arbeit und me¬
chanische Erfindungen gesteigert ist, vermag es, sich den Zugang zu dem volle¬
ren Bodenrcichthum der Natur zu eröffnen. Wäre der Verlauf der Cultur ein
entgegengesetzter, so würden sich unvermeidlich die traurigen ricardoschen Per-
spectiven eröffnen. Nachdem zuerst der allerbeste Boden bebaut worden wäre,
müßte allmälig immer schlechterer Acker in Angriff genommen werden. Die
Noth in der Gestalt einer — wie das Schlagwort der malthusschen Schule
lautet — „auf die Lebensmittel drängenden Bevölkerung" würde unvermeidlich
zu dem immer kärglicher lohnenden Geschäft der Bebauung des früher verschmäh¬
ten Landes treiben. Die einzige Gesellschaftsclasse, welche, nach Ricardos offe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/46>, abgerufen am 03.07.2024.