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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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würde Oestreich bei weitem nicht so viel bieten, als es durch die, wie es heißt,
ihm gewordene Anerkennung des Princips der Zolleinigung gewinnt. Das
Gerücht, daß eine Anerkennung in dieser Richtung beabsichtigt werde oder be¬
reits erfolgt sei. hat denn auch nicht verfehlt, einen höchst peinlichen Eindruck
auf das preußische Selbstgefühl zu machen. Und es handelt sich nicht blos
um das Selbstgefühl Preußens, sondern um eine eminent deutsche Frage. Denn
eine Zvlleinigung zwischen Preußen und Oestreich wäre doch nichts Anderes,
als eine Erweiterung der Kompetenz des Bundestages auf ein Gebiet, welches
bisher glücklicherweise seiner Einwirkung entzogen war. Wir sind nun zwar
überzeugt, daß das Project ein Project bleiben wird, da. ganz abgesehen von
dem Widerstand, der einer Zolleinigung mit Oestreich zu jeder Zeit in jeder,
der conservativsten wie der radicalsten Volksvertretung in Preußen begegnen
wird, ein so wesenloses Phantom wie das Äebzigmillionenreich sich schlechter¬
dings nicht verwirklichen läßt. Es ist aber schon verhängnißvoll genug, wenn
Preußen auch nnr ein Princip anerkennt, aus dessen Bekämpfung es seit
einer Reihe von Jahre" seine beste Kraft geschöpft hat. Wird das Princip der
Zolleinigung maßgebend für Preußens Handelspolitik (woran wir freilich nicht
glauben), so wirb das Princip der Autonomie des Zollvereins eine bedeutungs¬
lose Phrase; bleibt dagegen die Aufrechterhaltung der Autonomie die Richt¬
schnur der preußischen Politik, wozu dann durch formelle Anerkennung des
entgegengesetzten Princips Oestreich von Neuem eine Waffe zur Bekämpfung
Preußens in die Hand geben, die es, dessen kann man sicher sein, nicht unbe¬
nutzt lassen wird? Der Werth, den man >n Oestreich aus das Zugeständnis;
gelegt hat. beweist hinlänglich, daß die östreichische Regierung durchaus nicht
die Absicht hat, sich mit der effcctvvllcn Verwendung desselben für die parla¬
mentarische Debatte zu begnügen.

Es ist möglich, daß von dem geforderten Zugeständnis, die Fortdauer des
Bündnisses abhängt. Der Preis erscheint uns aber zu hoch. Und dann fragt es
sich doch schließlich noch immer: bedarf denn Preuße" zur Erreichung seiner Zwecke
unbedingt der Zustimmung Oestreichs? Es ist wahr, die Schwierigkeiten, die Preu¬
ßen aus dem Mitbesitz Oestreichs für die Regulirung der Schleswig-holsteinischen
Frage erwachsen, sind groß; wir haben uns dies niemals verhehlt; aber sie sind,
sofern Preußen nur das für die Sicherung seiner Machtstellung unumgänglich
Nothwendige, das aber mit.aller Klarheit und Bestimmtheit fordert, keineswegs
unüberwindlich. Der erste Schritt auf dem richtigen Wege ist mit dem (hoffentlich
definitiven) Aufgeben der Annexionspläne bereits gethan. Das Auftauche"
derselben hat'die Stellung Preußens zu den Herzogthümern zu einer un¬
klaren und schiefen gemacht; Preußen ist dadurch gchinden worden, seine
berechtigten Ansprüche von vorn herein mit voller Bestimmtheit zu Präcisiren
und offen zu verfolgen. Sein Verhältniß zu dem Herzog Fnedricl, und der


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würde Oestreich bei weitem nicht so viel bieten, als es durch die, wie es heißt,
ihm gewordene Anerkennung des Princips der Zolleinigung gewinnt. Das
Gerücht, daß eine Anerkennung in dieser Richtung beabsichtigt werde oder be¬
reits erfolgt sei. hat denn auch nicht verfehlt, einen höchst peinlichen Eindruck
auf das preußische Selbstgefühl zu machen. Und es handelt sich nicht blos
um das Selbstgefühl Preußens, sondern um eine eminent deutsche Frage. Denn
eine Zvlleinigung zwischen Preußen und Oestreich wäre doch nichts Anderes,
als eine Erweiterung der Kompetenz des Bundestages auf ein Gebiet, welches
bisher glücklicherweise seiner Einwirkung entzogen war. Wir sind nun zwar
überzeugt, daß das Project ein Project bleiben wird, da. ganz abgesehen von
dem Widerstand, der einer Zolleinigung mit Oestreich zu jeder Zeit in jeder,
der conservativsten wie der radicalsten Volksvertretung in Preußen begegnen
wird, ein so wesenloses Phantom wie das Äebzigmillionenreich sich schlechter¬
dings nicht verwirklichen läßt. Es ist aber schon verhängnißvoll genug, wenn
Preußen auch nnr ein Princip anerkennt, aus dessen Bekämpfung es seit
einer Reihe von Jahre» seine beste Kraft geschöpft hat. Wird das Princip der
Zolleinigung maßgebend für Preußens Handelspolitik (woran wir freilich nicht
glauben), so wirb das Princip der Autonomie des Zollvereins eine bedeutungs¬
lose Phrase; bleibt dagegen die Aufrechterhaltung der Autonomie die Richt¬
schnur der preußischen Politik, wozu dann durch formelle Anerkennung des
entgegengesetzten Princips Oestreich von Neuem eine Waffe zur Bekämpfung
Preußens in die Hand geben, die es, dessen kann man sicher sein, nicht unbe¬
nutzt lassen wird? Der Werth, den man >n Oestreich aus das Zugeständnis;
gelegt hat. beweist hinlänglich, daß die östreichische Regierung durchaus nicht
die Absicht hat, sich mit der effcctvvllcn Verwendung desselben für die parla¬
mentarische Debatte zu begnügen.

Es ist möglich, daß von dem geforderten Zugeständnis, die Fortdauer des
Bündnisses abhängt. Der Preis erscheint uns aber zu hoch. Und dann fragt es
sich doch schließlich noch immer: bedarf denn Preuße» zur Erreichung seiner Zwecke
unbedingt der Zustimmung Oestreichs? Es ist wahr, die Schwierigkeiten, die Preu¬
ßen aus dem Mitbesitz Oestreichs für die Regulirung der Schleswig-holsteinischen
Frage erwachsen, sind groß; wir haben uns dies niemals verhehlt; aber sie sind,
sofern Preußen nur das für die Sicherung seiner Machtstellung unumgänglich
Nothwendige, das aber mit.aller Klarheit und Bestimmtheit fordert, keineswegs
unüberwindlich. Der erste Schritt auf dem richtigen Wege ist mit dem (hoffentlich
definitiven) Aufgeben der Annexionspläne bereits gethan. Das Auftauche»
derselben hat'die Stellung Preußens zu den Herzogthümern zu einer un¬
klaren und schiefen gemacht; Preußen ist dadurch gchinden worden, seine
berechtigten Ansprüche von vorn herein mit voller Bestimmtheit zu Präcisiren
und offen zu verfolgen. Sein Verhältniß zu dem Herzog Fnedricl, und der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/455>, abgerufen am 22.07.2024.