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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Christian des Neunten geworden sein und ein Besitzrecht auf die Herzogthümer
erworben haben sollten, und zu gleicher Zeit kam an die Schleswig-Holsteiner
der, wie es scheint, den oldenburger Preßagenten abgelernte, jedenfalls auch in
den Bereich der "Rcichsthalcrlogik" fallende Wink, die Kriegskosten würden
preußischcrseits nach dem guten Willen bemessen werden, welche man diesseits
den Wünschen Preußens cntgegentrüge. Zuletzt tischte man uns gar ein Mär¬
chen von uralten Successivnsansprüchen des Hauses Hohenzollern auf*), wohl
schwerlich, um diese geltend zu machen, sicher aber, um wenigstens die Ver¬
wirrung zu steigern. Nebenher gingen, auch als Herzog Friedrich schon seine
Bereitwilligkeit, auf die nöthigen Concessionen einzugehen, mit aller Deutlich¬
keit erklärt hatte, in gewissen von "werdenden Menschen* redigirten Blättern
stark officiösen Geruchs die unsauberen Verdächtigungen des Herzogs in an¬
muthiger Abwechslung mit Verläumdungen der öffentlichen Meinung in Schles¬
wig-Holstein. Soll man nach alledem nicht glauben, daß, wenn jetzt in den
Bundestruppen die Wächter des vom Bunde so gut wie anerkannten, selbst
von den Großmächten auf der londoner Konferenz als wohlbegründet bezeich¬
neten Rechts aus dem Lande gedrängt sind, das Provisorium, das dann ein¬
treten wird, die Annexion bedeutet?

Dem entgegen sagt die vertrauende Partei: Allerdings läßt sich in den
Wegen der berliner Politik manches verdächtig an, und es ist wahrscheinlich,
daß Herr von Bismarck vielleicht in den letzten Tagen noch an ein Festhalten
des den Dänen abgenommenen Landes für Preußen gedacht und sich nach
günstiger Konstellation umgesehen hat. Indeß braucht nicht alles Verschleppung
zu sein, was so scheint. Das Eingehen auf die oldenburgische Kandidatur,
letzt längst aufgegeben, kann wirklich nur ein Act der Artigkeit gegen einen
deutschen Fürsten und dessen russischen Gönner gewesen sein, auf keinen Fall
lag es im Interesse Preußens, einem halben Vasallen Rußlands zum Besitz
der Schleswig-holsteinischen Häfen zu verhelfen. Das Juristencollegium kann
nur erfunden sein, um dem Bunde die Entscheidung aus der Hand zu nehmen.



') Wir meinen die zuerst von der Hamb. B. H. aus verdienter Vergessenheit hervorgezogenen
und colportirten staatsrechtlichen Faseleien des Professors Helwing, nach welchen das Haus
Hohenzollern actuelle Erbnnsprüche auf einen Theil Schleswig-Holsteins und eventuelle auf
den Nest besitzen sollte. Das betreffende Buch, 1846 erschiene" und, da die Wissenschaft es
als einer Kritik nicht werth todtschwieg, klanglos den Weg aller Maculatur gegangen, grün¬
dete seine Beweisführung auf fünf Urkunden, deren Konsequenzen aber durch die Revolution
von 1V2Z hinwcgfcillen, in welcher Christian der Zweite, einige dreißig Jahre vor seinem
Tode, entthront und Friedrich der Erste, der Stammvater der ältern und jungem königlichen
und der glücksburgcr Linie zum König eingesetzt wurde. Von den vermeintlichen Ansprüchen
der Hohenzollern bleibt nichts übrig'als 'die Anwartschaft auf den gottorfer Antheil, wel¬
cher indeß erst nach Aussterben des gesammten oldenburgischen Hauses an Preußen fallen
würde.

Christian des Neunten geworden sein und ein Besitzrecht auf die Herzogthümer
erworben haben sollten, und zu gleicher Zeit kam an die Schleswig-Holsteiner
der, wie es scheint, den oldenburger Preßagenten abgelernte, jedenfalls auch in
den Bereich der „Rcichsthalcrlogik" fallende Wink, die Kriegskosten würden
preußischcrseits nach dem guten Willen bemessen werden, welche man diesseits
den Wünschen Preußens cntgegentrüge. Zuletzt tischte man uns gar ein Mär¬
chen von uralten Successivnsansprüchen des Hauses Hohenzollern auf*), wohl
schwerlich, um diese geltend zu machen, sicher aber, um wenigstens die Ver¬
wirrung zu steigern. Nebenher gingen, auch als Herzog Friedrich schon seine
Bereitwilligkeit, auf die nöthigen Concessionen einzugehen, mit aller Deutlich¬
keit erklärt hatte, in gewissen von „werdenden Menschen* redigirten Blättern
stark officiösen Geruchs die unsauberen Verdächtigungen des Herzogs in an¬
muthiger Abwechslung mit Verläumdungen der öffentlichen Meinung in Schles¬
wig-Holstein. Soll man nach alledem nicht glauben, daß, wenn jetzt in den
Bundestruppen die Wächter des vom Bunde so gut wie anerkannten, selbst
von den Großmächten auf der londoner Konferenz als wohlbegründet bezeich¬
neten Rechts aus dem Lande gedrängt sind, das Provisorium, das dann ein¬
treten wird, die Annexion bedeutet?

Dem entgegen sagt die vertrauende Partei: Allerdings läßt sich in den
Wegen der berliner Politik manches verdächtig an, und es ist wahrscheinlich,
daß Herr von Bismarck vielleicht in den letzten Tagen noch an ein Festhalten
des den Dänen abgenommenen Landes für Preußen gedacht und sich nach
günstiger Konstellation umgesehen hat. Indeß braucht nicht alles Verschleppung
zu sein, was so scheint. Das Eingehen auf die oldenburgische Kandidatur,
letzt längst aufgegeben, kann wirklich nur ein Act der Artigkeit gegen einen
deutschen Fürsten und dessen russischen Gönner gewesen sein, auf keinen Fall
lag es im Interesse Preußens, einem halben Vasallen Rußlands zum Besitz
der Schleswig-holsteinischen Häfen zu verhelfen. Das Juristencollegium kann
nur erfunden sein, um dem Bunde die Entscheidung aus der Hand zu nehmen.



') Wir meinen die zuerst von der Hamb. B. H. aus verdienter Vergessenheit hervorgezogenen
und colportirten staatsrechtlichen Faseleien des Professors Helwing, nach welchen das Haus
Hohenzollern actuelle Erbnnsprüche auf einen Theil Schleswig-Holsteins und eventuelle auf
den Nest besitzen sollte. Das betreffende Buch, 1846 erschiene» und, da die Wissenschaft es
als einer Kritik nicht werth todtschwieg, klanglos den Weg aller Maculatur gegangen, grün¬
dete seine Beweisführung auf fünf Urkunden, deren Konsequenzen aber durch die Revolution
von 1V2Z hinwcgfcillen, in welcher Christian der Zweite, einige dreißig Jahre vor seinem
Tode, entthront und Friedrich der Erste, der Stammvater der ältern und jungem königlichen
und der glücksburgcr Linie zum König eingesetzt wurde. Von den vermeintlichen Ansprüchen
der Hohenzollern bleibt nichts übrig'als 'die Anwartschaft auf den gottorfer Antheil, wel¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/438>, abgerufen am 25.08.2024.