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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Urahn in der Politik gegen die märkische Ritterschaft von ehedem ließ er einige
Zeit hingehn, damit der Gegner sich erst ganz ins Unrecht setze. Dann wollte
er ihn auf frischer Fährte fassen.

Die ersten Monate des Jahres 1675 gingen mit einer Reise hin, welche
den Kurfürsten nach dem Haag zu den schlauen Alliirten führte, die den Branden¬
burger als Landsknecht gedungen zu haben meinten, damit er mit seinem guten
Blute ihnen die Ueberlast der Franzosen vom Halse nähme. Man feierte ihn
höchlich und zeigte ihm in Amsterdam die strotzenden Emporien des Welthandels
und den behäbigen Luxus, während man zu gleicher Zeit bemüht war, einen
Finger nach dem andern langsam vom Schwerte zurückzuziehn. Der Kurfürst
ließ sich billig imponiren; im Stillen aber vermeinte er, inskünftige den Rhein
in Brandenburg zu vertheidigen. Denn Brandenburg vorwärts bringen schien
ihm triftigere Gewähr der deutschen Ehre, als der ungleiche Jntriguenkampf
im lähmenden Wetteifer mit dem Hause Habsburg. Noch im Haag aber be¬
schaffte er sich diplomatischen und militärischen Rückhalt. Es wurde eine Ver¬
ständigung mit den befreundeten Machten getroffen, welche Unterstützung 'gegen
Schweden von Seiten des Kaisers, Hollands und Dänemarks stipulirte; viel
Worte und Zusagen, aber wenig That.

Er schien der bösen Gäste, die trotz des zehnjährigen Defensivbündnisses
jetzt in seine Marken eingebrochen waren, leichten Kaufes ledig werden zu
können; hatten doch die Schwede" als Zweck ihres Einbruchs den bezeichnet,
daß Friedrich Wilhelm vom französischen Kriege abstünde. Dieser konnte, wie
wir sahen, wemg nach seinem Geschmacke sein; aber sich Gesetze vorschreiben
zu lassen hatte er noch weniger Lust. Er war ganz zufrieden mit der schwe¬
dischen Verrätherei; sie sollte selber in die Schlinge fallen, die sie ihm ge¬
legt. "Sie brechen in die Mark ein" -- sagte er-- "wohlan, das ist Gelegen¬
heit, ihnen ganz Pommern zu entreißen!" Mochten sie erfahren, was es auf
sich habe, französischen Botenlohn an Brandenburg verdienen wollen. Wohl
ließ der Kurfürst nun vom Kriege gegen Frankreich ab, und er mußte es; aber es
geschah nur, um über die unberufenen Mahner in einer Weise herzufallen, die sie
sich nicht hatten träumen lassen. Sie tummelten sich ohne Scheu in der Höhle, die
der Bär verlassen hatte. Plündernd und brandschatzend überzogen sie das Land
von Stargard bis Crossen, Wrietzen und Ruppin. Friedrich Wilhelm hatte
vorläufig nur geringen Widerstand angeordnet; bis zu 8000 Mann sollten heimische
Milizen zusammengebracht werden, um Küstrin, Kolberg, Frankfurt. Spandau
und Crossen zu verstärken, im übrigen war nur beobachtende Haltung befohlen
und Abwehr der Feinde aus dem Bereich der Festungen.

Ende Mai, alsbald nach der Ankunft des Kurfürsten bei der branden¬
burgischen Armee, begann der berühmte Abmarsch "vom Rhein zum Rhin".
Es ging von Schweinfurt auf ähnlichen Wegen über den Thüringerwald zurück,


Urahn in der Politik gegen die märkische Ritterschaft von ehedem ließ er einige
Zeit hingehn, damit der Gegner sich erst ganz ins Unrecht setze. Dann wollte
er ihn auf frischer Fährte fassen.

Die ersten Monate des Jahres 1675 gingen mit einer Reise hin, welche
den Kurfürsten nach dem Haag zu den schlauen Alliirten führte, die den Branden¬
burger als Landsknecht gedungen zu haben meinten, damit er mit seinem guten
Blute ihnen die Ueberlast der Franzosen vom Halse nähme. Man feierte ihn
höchlich und zeigte ihm in Amsterdam die strotzenden Emporien des Welthandels
und den behäbigen Luxus, während man zu gleicher Zeit bemüht war, einen
Finger nach dem andern langsam vom Schwerte zurückzuziehn. Der Kurfürst
ließ sich billig imponiren; im Stillen aber vermeinte er, inskünftige den Rhein
in Brandenburg zu vertheidigen. Denn Brandenburg vorwärts bringen schien
ihm triftigere Gewähr der deutschen Ehre, als der ungleiche Jntriguenkampf
im lähmenden Wetteifer mit dem Hause Habsburg. Noch im Haag aber be¬
schaffte er sich diplomatischen und militärischen Rückhalt. Es wurde eine Ver¬
ständigung mit den befreundeten Machten getroffen, welche Unterstützung 'gegen
Schweden von Seiten des Kaisers, Hollands und Dänemarks stipulirte; viel
Worte und Zusagen, aber wenig That.

Er schien der bösen Gäste, die trotz des zehnjährigen Defensivbündnisses
jetzt in seine Marken eingebrochen waren, leichten Kaufes ledig werden zu
können; hatten doch die Schwede» als Zweck ihres Einbruchs den bezeichnet,
daß Friedrich Wilhelm vom französischen Kriege abstünde. Dieser konnte, wie
wir sahen, wemg nach seinem Geschmacke sein; aber sich Gesetze vorschreiben
zu lassen hatte er noch weniger Lust. Er war ganz zufrieden mit der schwe¬
dischen Verrätherei; sie sollte selber in die Schlinge fallen, die sie ihm ge¬
legt. „Sie brechen in die Mark ein" — sagte er— „wohlan, das ist Gelegen¬
heit, ihnen ganz Pommern zu entreißen!" Mochten sie erfahren, was es auf
sich habe, französischen Botenlohn an Brandenburg verdienen wollen. Wohl
ließ der Kurfürst nun vom Kriege gegen Frankreich ab, und er mußte es; aber es
geschah nur, um über die unberufenen Mahner in einer Weise herzufallen, die sie
sich nicht hatten träumen lassen. Sie tummelten sich ohne Scheu in der Höhle, die
der Bär verlassen hatte. Plündernd und brandschatzend überzogen sie das Land
von Stargard bis Crossen, Wrietzen und Ruppin. Friedrich Wilhelm hatte
vorläufig nur geringen Widerstand angeordnet; bis zu 8000 Mann sollten heimische
Milizen zusammengebracht werden, um Küstrin, Kolberg, Frankfurt. Spandau
und Crossen zu verstärken, im übrigen war nur beobachtende Haltung befohlen
und Abwehr der Feinde aus dem Bereich der Festungen.

Ende Mai, alsbald nach der Ankunft des Kurfürsten bei der branden¬
burgischen Armee, begann der berühmte Abmarsch „vom Rhein zum Rhin".
Es ging von Schweinfurt auf ähnlichen Wegen über den Thüringerwald zurück,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/424>, abgerufen am 01.07.2024.