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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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einen würdigen Schluß gewonnen und die Thatsache, daß die Interessen der
Humanität mit denen der polnischen respective katholischen Partei bei uns nichl
zusammenfallen, wäre wohl bewiesen.

In der That eilt auch die Tragödie zum Schluß. Von überall her die
Nachricht von Lösungen, Aufklärungen, Erkenntnissen. In Rußland drüben ist
endlich Nuhe -- ein Schleier über das verzerrte Bild! Es werden jetzt Versuche
mit Begnadigungen gemacht. Die Wenigen, die sie betreffen, werden nicht
viel davon haben. Die Zbyebruts, welche sich zu dem gräulichen Dienste der
Hängegendarmerie hergegeben haben, mögen, wenn sie nicht gar zu schwer gra-
virt sind, auf den Festungen des Ostens über ihre Verdienste um das Vaterland
nachdenken. In polnischen Kreisen hört man Wunderdinge von dem Andrange
politischer Flüchtlinge erzählen, welche die Häuser und Kassen der reichen
Emigration belagern. Der Capitanv erscheint in einer stark vermehrten Auslage
und hier oder da erkennt ein Magnat in dem halbinvalidcn Obristen aus der
Truppe Narbutt oder d. gi. seinen vor Jahren weggejagten Koch. Elend ohne
Gleichen! In Paris herrscht darum eine ebenso tiefe Verstimmung wie bei
uns. Auch wollen die Sympathien der "großen" Nation für die "trauernde"
nicht recht in Fluß kommen. Einen peinlichen Beweis dafür giebt der Proceß
Frantowski. Die liberalen Journale geben dein armen Vertheidiger die Schuld
von Frankowstis Verurtheilung; aber das ist ja eben das Bezeichnende, daß
sich weder ein Favre noch ein Bcroyer bereit gesunden hat, seine Beredsamkeit
der Sache Polens anzubieten. Und auch diese hätte doch keine Mohrenwäsche
ins Werk setzen können. Frantowski hat die von den Polen in Besitz ge¬
nommenen russischen Wertpapiere durch eine Fälschung in Cours gebracht
oder zu bringen versucht d. h. er hat zu dem Raube Anderer an der russischen
Krone den an irgendwelchen Privatleuten zu fügen gewagt. Mag er immerhin
keinen persönlichen Vortheil dabei erstrebt haben, er wird nicht erwarten können,
daß el" ehrlicher Mann solche That schütze. Sein Unglück ist, daß. da der
Kampf nicht als siegreicher Krieg, sondern als besiegte Revolution geendet hat,
solche Maßregeln unter die Kategorie des Criminalrechts fallen.

Auch in der preußischen Heimath kommt eines der gemeinen Verbrechen,
die sich in den Aufstand mischten, zur Bestrafung. Mein Vorgänger hat Ihnen
von einem politischen Morde berichtet, weichen ein Koszynicr in dem Bezirk
von Santomysl an einem deutschen Knaben verübte. Der arme Junge hatte
Preußische" Soldaten den Aufenthaltsort von Zuzüglern gezeigt; der Mord sollte
-- wie er es auch gethan -- die zerstreut wohnenden Deutschen in Respect,
die Polen in Sicherheit versetzen. Der Mörder, damals entkommen, sitzt jetzt
hinter dem eisernen Gitter. Wenn ich recht unterrichtet bin. so wäre ihm die
Einrichtung, nach welcher der Staatsgerichtohvf bei jedem Gericht seinen be¬
sondern Commissarius hat, beinahe zu Statten gekommen, wenn nicht das ge-


einen würdigen Schluß gewonnen und die Thatsache, daß die Interessen der
Humanität mit denen der polnischen respective katholischen Partei bei uns nichl
zusammenfallen, wäre wohl bewiesen.

In der That eilt auch die Tragödie zum Schluß. Von überall her die
Nachricht von Lösungen, Aufklärungen, Erkenntnissen. In Rußland drüben ist
endlich Nuhe — ein Schleier über das verzerrte Bild! Es werden jetzt Versuche
mit Begnadigungen gemacht. Die Wenigen, die sie betreffen, werden nicht
viel davon haben. Die Zbyebruts, welche sich zu dem gräulichen Dienste der
Hängegendarmerie hergegeben haben, mögen, wenn sie nicht gar zu schwer gra-
virt sind, auf den Festungen des Ostens über ihre Verdienste um das Vaterland
nachdenken. In polnischen Kreisen hört man Wunderdinge von dem Andrange
politischer Flüchtlinge erzählen, welche die Häuser und Kassen der reichen
Emigration belagern. Der Capitanv erscheint in einer stark vermehrten Auslage
und hier oder da erkennt ein Magnat in dem halbinvalidcn Obristen aus der
Truppe Narbutt oder d. gi. seinen vor Jahren weggejagten Koch. Elend ohne
Gleichen! In Paris herrscht darum eine ebenso tiefe Verstimmung wie bei
uns. Auch wollen die Sympathien der „großen" Nation für die „trauernde"
nicht recht in Fluß kommen. Einen peinlichen Beweis dafür giebt der Proceß
Frantowski. Die liberalen Journale geben dein armen Vertheidiger die Schuld
von Frankowstis Verurtheilung; aber das ist ja eben das Bezeichnende, daß
sich weder ein Favre noch ein Bcroyer bereit gesunden hat, seine Beredsamkeit
der Sache Polens anzubieten. Und auch diese hätte doch keine Mohrenwäsche
ins Werk setzen können. Frantowski hat die von den Polen in Besitz ge¬
nommenen russischen Wertpapiere durch eine Fälschung in Cours gebracht
oder zu bringen versucht d. h. er hat zu dem Raube Anderer an der russischen
Krone den an irgendwelchen Privatleuten zu fügen gewagt. Mag er immerhin
keinen persönlichen Vortheil dabei erstrebt haben, er wird nicht erwarten können,
daß el» ehrlicher Mann solche That schütze. Sein Unglück ist, daß. da der
Kampf nicht als siegreicher Krieg, sondern als besiegte Revolution geendet hat,
solche Maßregeln unter die Kategorie des Criminalrechts fallen.

Auch in der preußischen Heimath kommt eines der gemeinen Verbrechen,
die sich in den Aufstand mischten, zur Bestrafung. Mein Vorgänger hat Ihnen
von einem politischen Morde berichtet, weichen ein Koszynicr in dem Bezirk
von Santomysl an einem deutschen Knaben verübte. Der arme Junge hatte
Preußische» Soldaten den Aufenthaltsort von Zuzüglern gezeigt; der Mord sollte
— wie er es auch gethan — die zerstreut wohnenden Deutschen in Respect,
die Polen in Sicherheit versetzen. Der Mörder, damals entkommen, sitzt jetzt
hinter dem eisernen Gitter. Wenn ich recht unterrichtet bin. so wäre ihm die
Einrichtung, nach welcher der Staatsgerichtohvf bei jedem Gericht seinen be¬
sondern Commissarius hat, beinahe zu Statten gekommen, wenn nicht das ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/41>, abgerufen am 01.07.2024.