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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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losen Soldateska und einem zu Partcizwecken benutzten Pöbel nur irgend er¬
denken lassen. General Butler unternahm es zuerst die Rechte der Union hier
zur Geltung zu bringen, überließ dann das Commando in Baltimore dem Ge¬
neral Banks und übernahm ein besonderes Commando in Fort Monrve für
die Operationen gegen Virginia, so daß er den äußersten linken Flügel bildete.
Kaum war in Baltimore das erste Blut geflossen, so zeigte sich auch in Missouri
die Thätlichkeit der beiden entgegenstehenden Parteien. Der Staat bildet eine
der Eroberungen des Südens im Norden. Trotz der alten Congrcßbeschlüsse,
welche in neuen Gebieten nördlich des 36. Breitegrades die Sklaverei ver¬
boten, war es den Sklavenhaltern gelungen, dieselbe hier einzuführen und da-
durch ihre Institutionen als einen Keil in die Nordstaaten hincinzuschicben.
Da aber das Klima in Missouri die freie Arbeit begünstigt, so hat diese.doch
den größeren Boden behauptet und sich mächtig nach allen Seiten ausgedehnt.
Aus den Nachbarstaaten Illinois und Iowa ist die im Ganzen radical gesinnte
deutsche Einwanderung in das Land eingedrungen und mit den aristokratischen
Elementen scharf in Berührung gekommen. So fand der Bürgerkrieg hier den
vorbercitetstcn Boden und ist bis in die Neuzeit zur furchtbarsten Entwicklung
gekommen. Schon in den ersten Tagen des Mai 1861 begannen die Kämpfe.
Die Geschichte der Ereignisse in Missouri erzählt nicht von großen Gefechten,
sondern von einer Reihe von Ueberfällen und Scharmützeln, sowie Verwüstungen,
Vergiftungen, Ermordungen u. tgi. Die regierenden Classen gehörten dem
Süden an und bereiteten alle Schritte vor, um sich wohlbewaffnet den Secessio-
nisten anzuschließen. Gouverneur Jackson und General Price leiteten diese Ma߬
regeln und legten in der Nähe Von Se. Louis ein Lager an. -- Hauptmann
Lyon, der ein Detachement Regulärer in der Stadt commandirte, überfiel das
Lager am 10. Mai, sah sich aber dann selbst von Volksmassen angegriffen und
mußte gegen diese Front machen. Der Widerstand derselben war indeß nicht
groß, es wurden 22 Menschen getödtet und 609 zu Gefangenen gemacht. Am
folgenden Tage kam es zu einem Gefecht des Volkes selbst in den Straßen von
Se. Louis; Aehnliches ereignete sich an anderen Orten. Am 21. Mai schlössen
die gegenseitigen Führer einen Vertrag, nach welchem die ohne Autorität ge¬
sammelten Schaaren auseinandergehen sollten und der C. Gi.*) Price die Ruhe
erhalten wolle, wenn U. Gi. Harncy seine Truppen nicht aus Se. Louis ert¬
heilte. Niemand hielt den Vertrag, die Kämpfe dauerten fort. Lincoln berief
den General Harney ab und ernannte Lyon zu seinem Nachfolger. Dieser
organisirte die Streikt'raste und erhielt Verstärkung aus den benachbarten Staaten,
bei denen die Obersten Sigel und Hecker fungirten, von denen ersterer sich



') Die Abkürzung C. Gi. bedeutet fortan Confödmrtm-General, U. Gi. Unions - General

losen Soldateska und einem zu Partcizwecken benutzten Pöbel nur irgend er¬
denken lassen. General Butler unternahm es zuerst die Rechte der Union hier
zur Geltung zu bringen, überließ dann das Commando in Baltimore dem Ge¬
neral Banks und übernahm ein besonderes Commando in Fort Monrve für
die Operationen gegen Virginia, so daß er den äußersten linken Flügel bildete.
Kaum war in Baltimore das erste Blut geflossen, so zeigte sich auch in Missouri
die Thätlichkeit der beiden entgegenstehenden Parteien. Der Staat bildet eine
der Eroberungen des Südens im Norden. Trotz der alten Congrcßbeschlüsse,
welche in neuen Gebieten nördlich des 36. Breitegrades die Sklaverei ver¬
boten, war es den Sklavenhaltern gelungen, dieselbe hier einzuführen und da-
durch ihre Institutionen als einen Keil in die Nordstaaten hincinzuschicben.
Da aber das Klima in Missouri die freie Arbeit begünstigt, so hat diese.doch
den größeren Boden behauptet und sich mächtig nach allen Seiten ausgedehnt.
Aus den Nachbarstaaten Illinois und Iowa ist die im Ganzen radical gesinnte
deutsche Einwanderung in das Land eingedrungen und mit den aristokratischen
Elementen scharf in Berührung gekommen. So fand der Bürgerkrieg hier den
vorbercitetstcn Boden und ist bis in die Neuzeit zur furchtbarsten Entwicklung
gekommen. Schon in den ersten Tagen des Mai 1861 begannen die Kämpfe.
Die Geschichte der Ereignisse in Missouri erzählt nicht von großen Gefechten,
sondern von einer Reihe von Ueberfällen und Scharmützeln, sowie Verwüstungen,
Vergiftungen, Ermordungen u. tgi. Die regierenden Classen gehörten dem
Süden an und bereiteten alle Schritte vor, um sich wohlbewaffnet den Secessio-
nisten anzuschließen. Gouverneur Jackson und General Price leiteten diese Ma߬
regeln und legten in der Nähe Von Se. Louis ein Lager an. — Hauptmann
Lyon, der ein Detachement Regulärer in der Stadt commandirte, überfiel das
Lager am 10. Mai, sah sich aber dann selbst von Volksmassen angegriffen und
mußte gegen diese Front machen. Der Widerstand derselben war indeß nicht
groß, es wurden 22 Menschen getödtet und 609 zu Gefangenen gemacht. Am
folgenden Tage kam es zu einem Gefecht des Volkes selbst in den Straßen von
Se. Louis; Aehnliches ereignete sich an anderen Orten. Am 21. Mai schlössen
die gegenseitigen Führer einen Vertrag, nach welchem die ohne Autorität ge¬
sammelten Schaaren auseinandergehen sollten und der C. Gi.*) Price die Ruhe
erhalten wolle, wenn U. Gi. Harncy seine Truppen nicht aus Se. Louis ert¬
heilte. Niemand hielt den Vertrag, die Kämpfe dauerten fort. Lincoln berief
den General Harney ab und ernannte Lyon zu seinem Nachfolger. Dieser
organisirte die Streikt'raste und erhielt Verstärkung aus den benachbarten Staaten,
bei denen die Obersten Sigel und Hecker fungirten, von denen ersterer sich



') Die Abkürzung C. Gi. bedeutet fortan Confödmrtm-General, U. Gi. Unions - General
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[0398] losen Soldateska und einem zu Partcizwecken benutzten Pöbel nur irgend er¬ denken lassen. General Butler unternahm es zuerst die Rechte der Union hier zur Geltung zu bringen, überließ dann das Commando in Baltimore dem Ge¬ neral Banks und übernahm ein besonderes Commando in Fort Monrve für die Operationen gegen Virginia, so daß er den äußersten linken Flügel bildete. Kaum war in Baltimore das erste Blut geflossen, so zeigte sich auch in Missouri die Thätlichkeit der beiden entgegenstehenden Parteien. Der Staat bildet eine der Eroberungen des Südens im Norden. Trotz der alten Congrcßbeschlüsse, welche in neuen Gebieten nördlich des 36. Breitegrades die Sklaverei ver¬ boten, war es den Sklavenhaltern gelungen, dieselbe hier einzuführen und da- durch ihre Institutionen als einen Keil in die Nordstaaten hincinzuschicben. Da aber das Klima in Missouri die freie Arbeit begünstigt, so hat diese.doch den größeren Boden behauptet und sich mächtig nach allen Seiten ausgedehnt. Aus den Nachbarstaaten Illinois und Iowa ist die im Ganzen radical gesinnte deutsche Einwanderung in das Land eingedrungen und mit den aristokratischen Elementen scharf in Berührung gekommen. So fand der Bürgerkrieg hier den vorbercitetstcn Boden und ist bis in die Neuzeit zur furchtbarsten Entwicklung gekommen. Schon in den ersten Tagen des Mai 1861 begannen die Kämpfe. Die Geschichte der Ereignisse in Missouri erzählt nicht von großen Gefechten, sondern von einer Reihe von Ueberfällen und Scharmützeln, sowie Verwüstungen, Vergiftungen, Ermordungen u. tgi. Die regierenden Classen gehörten dem Süden an und bereiteten alle Schritte vor, um sich wohlbewaffnet den Secessio- nisten anzuschließen. Gouverneur Jackson und General Price leiteten diese Ma߬ regeln und legten in der Nähe Von Se. Louis ein Lager an. — Hauptmann Lyon, der ein Detachement Regulärer in der Stadt commandirte, überfiel das Lager am 10. Mai, sah sich aber dann selbst von Volksmassen angegriffen und mußte gegen diese Front machen. Der Widerstand derselben war indeß nicht groß, es wurden 22 Menschen getödtet und 609 zu Gefangenen gemacht. Am folgenden Tage kam es zu einem Gefecht des Volkes selbst in den Straßen von Se. Louis; Aehnliches ereignete sich an anderen Orten. Am 21. Mai schlössen die gegenseitigen Führer einen Vertrag, nach welchem die ohne Autorität ge¬ sammelten Schaaren auseinandergehen sollten und der C. Gi.*) Price die Ruhe erhalten wolle, wenn U. Gi. Harncy seine Truppen nicht aus Se. Louis ert¬ heilte. Niemand hielt den Vertrag, die Kämpfe dauerten fort. Lincoln berief den General Harney ab und ernannte Lyon zu seinem Nachfolger. Dieser organisirte die Streikt'raste und erhielt Verstärkung aus den benachbarten Staaten, bei denen die Obersten Sigel und Hecker fungirten, von denen ersterer sich ') Die Abkürzung C. Gi. bedeutet fortan Confödmrtm-General, U. Gi. Unions - General

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/398>, abgerufen am 01.07.2024.