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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Leitung der Armeeangclegenheiten wurde im Norden nach englischem Muster
d. h. in der Art eingerichtet, daß dem Kriegsministerium allein die Verwaltung
und die Gesetzgebung zufallen, während die Armee in ihren Handlungen dem
Generaladjutantcn übergeben ist. Zu diesem letzteren Posten wurde der greise
General Scott berufen.

Im Süden bildete sich durch die Verhältnisse die französische Organisation,
indem Jefferson Davis die ganze Leitung behielt und den Kriegsminister zum
Organ seines Willens machte. Die größere Concentration und Kraft liegt hier
wie in allen staatlichen Organisationen im Süden, aber auch hier ist noch nicht
das Beste für den Krieg erreicht, nämlich daß der Feldherr des zur Entscheidung
bestimmten Heeres die ganze Staatsgewalt in sich einigt und das Ganze zwingt,
harmonisch für den Einen Zweck seines Heeres zu handeln. -- Es darf erwar¬
tet werden, daß der Süden zur letzten Kraftansttengung zu diesem Mittel greift,
den schon schwankend werdenden Jefferson Davis entfernt und seinen besten
Generat zum Präsidenten macht.

Lincoln zersplitterte seine Streitkräfte derart, daß er die Hälfte der aus
den Nvrdweststaaten eintreffenden Truppen "ach Missouri sandte und dem Ge¬
neral Harney unterordnete, die andere Hälfte aber unter Mac Clellcm nach
Westvirginien dirigirte. Die Truppen aller Nordstaaten wurden an der Grenze
von Ostvirginicn an drei Punkten concentrirt: bei Washington unter Mac Do-
wcll. bei Harpcrsferry unter Patterson und bei Annapvliö unter Butler. Die
südlichen Truppen erhielten zwei Obercvmmandos, das eine General Price in
Missouri, das andere größere General Beauregard, später Lee in Virginia.
Aber nicht der Zusammenstoß dieser Truppenmassen, sondern der von Soldaten
der Union mit der Bevölkerung von Baltimore führte, der Natur des Bürger¬
krieges entsprechend, das erste Blutvergießen herbei.

Maryland war und ist heute noch zum größten Theil dem Süden zugethan,
seine Lage zwischen der Bundeshauptstadt und dem der Regierung treugcblie-
benen Norden ließ es zwar nicht zur Secession kommen, nöthigte aber den Nor¬
den zu sofortigen entschiedenen Maßregeln gegen dasselbe. Am 19. April 1861
kamen die ersten Unionstruppen, das V. Regiment Massachusetts und das 7. Re¬
giment Pensylvanien auf ihrer Fahrt nach Washington durch Baltimore und
wurden von der Bevölkerung mit Steinwürfen empfangen, was von Seiten
der Pensylvanier mit den Waffen beantwortet wurde. Die Soldaten hatten
Zwei Todte und acht Verwundete, das Volk neun Todte und drei Verwundete.
Baltimore erklärte den fernern Durchmarsch von Truppen für unzulässig und
man respectirte diesen Widerspruch fürs Erste, ließ die Truppen zu Wasser nach
Annapolis und von dort nach Washington gehen; als aber eine hinreichende Trup¬
penzahl zur Hand war, wurde in Maryland das Standrecht erklärt und so ward das
Land allen Variationen des Kriegszustandes ausgesetzt, wie sie sich bei einer zügel-


Grmzboten IV. 1864. SO

Leitung der Armeeangclegenheiten wurde im Norden nach englischem Muster
d. h. in der Art eingerichtet, daß dem Kriegsministerium allein die Verwaltung
und die Gesetzgebung zufallen, während die Armee in ihren Handlungen dem
Generaladjutantcn übergeben ist. Zu diesem letzteren Posten wurde der greise
General Scott berufen.

Im Süden bildete sich durch die Verhältnisse die französische Organisation,
indem Jefferson Davis die ganze Leitung behielt und den Kriegsminister zum
Organ seines Willens machte. Die größere Concentration und Kraft liegt hier
wie in allen staatlichen Organisationen im Süden, aber auch hier ist noch nicht
das Beste für den Krieg erreicht, nämlich daß der Feldherr des zur Entscheidung
bestimmten Heeres die ganze Staatsgewalt in sich einigt und das Ganze zwingt,
harmonisch für den Einen Zweck seines Heeres zu handeln. — Es darf erwar¬
tet werden, daß der Süden zur letzten Kraftansttengung zu diesem Mittel greift,
den schon schwankend werdenden Jefferson Davis entfernt und seinen besten
Generat zum Präsidenten macht.

Lincoln zersplitterte seine Streitkräfte derart, daß er die Hälfte der aus
den Nvrdweststaaten eintreffenden Truppen »ach Missouri sandte und dem Ge¬
neral Harney unterordnete, die andere Hälfte aber unter Mac Clellcm nach
Westvirginien dirigirte. Die Truppen aller Nordstaaten wurden an der Grenze
von Ostvirginicn an drei Punkten concentrirt: bei Washington unter Mac Do-
wcll. bei Harpcrsferry unter Patterson und bei Annapvliö unter Butler. Die
südlichen Truppen erhielten zwei Obercvmmandos, das eine General Price in
Missouri, das andere größere General Beauregard, später Lee in Virginia.
Aber nicht der Zusammenstoß dieser Truppenmassen, sondern der von Soldaten
der Union mit der Bevölkerung von Baltimore führte, der Natur des Bürger¬
krieges entsprechend, das erste Blutvergießen herbei.

Maryland war und ist heute noch zum größten Theil dem Süden zugethan,
seine Lage zwischen der Bundeshauptstadt und dem der Regierung treugcblie-
benen Norden ließ es zwar nicht zur Secession kommen, nöthigte aber den Nor¬
den zu sofortigen entschiedenen Maßregeln gegen dasselbe. Am 19. April 1861
kamen die ersten Unionstruppen, das V. Regiment Massachusetts und das 7. Re¬
giment Pensylvanien auf ihrer Fahrt nach Washington durch Baltimore und
wurden von der Bevölkerung mit Steinwürfen empfangen, was von Seiten
der Pensylvanier mit den Waffen beantwortet wurde. Die Soldaten hatten
Zwei Todte und acht Verwundete, das Volk neun Todte und drei Verwundete.
Baltimore erklärte den fernern Durchmarsch von Truppen für unzulässig und
man respectirte diesen Widerspruch fürs Erste, ließ die Truppen zu Wasser nach
Annapolis und von dort nach Washington gehen; als aber eine hinreichende Trup¬
penzahl zur Hand war, wurde in Maryland das Standrecht erklärt und so ward das
Land allen Variationen des Kriegszustandes ausgesetzt, wie sie sich bei einer zügel-


Grmzboten IV. 1864. SO
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[0397] Leitung der Armeeangclegenheiten wurde im Norden nach englischem Muster d. h. in der Art eingerichtet, daß dem Kriegsministerium allein die Verwaltung und die Gesetzgebung zufallen, während die Armee in ihren Handlungen dem Generaladjutantcn übergeben ist. Zu diesem letzteren Posten wurde der greise General Scott berufen. Im Süden bildete sich durch die Verhältnisse die französische Organisation, indem Jefferson Davis die ganze Leitung behielt und den Kriegsminister zum Organ seines Willens machte. Die größere Concentration und Kraft liegt hier wie in allen staatlichen Organisationen im Süden, aber auch hier ist noch nicht das Beste für den Krieg erreicht, nämlich daß der Feldherr des zur Entscheidung bestimmten Heeres die ganze Staatsgewalt in sich einigt und das Ganze zwingt, harmonisch für den Einen Zweck seines Heeres zu handeln. — Es darf erwar¬ tet werden, daß der Süden zur letzten Kraftansttengung zu diesem Mittel greift, den schon schwankend werdenden Jefferson Davis entfernt und seinen besten Generat zum Präsidenten macht. Lincoln zersplitterte seine Streitkräfte derart, daß er die Hälfte der aus den Nvrdweststaaten eintreffenden Truppen »ach Missouri sandte und dem Ge¬ neral Harney unterordnete, die andere Hälfte aber unter Mac Clellcm nach Westvirginien dirigirte. Die Truppen aller Nordstaaten wurden an der Grenze von Ostvirginicn an drei Punkten concentrirt: bei Washington unter Mac Do- wcll. bei Harpcrsferry unter Patterson und bei Annapvliö unter Butler. Die südlichen Truppen erhielten zwei Obercvmmandos, das eine General Price in Missouri, das andere größere General Beauregard, später Lee in Virginia. Aber nicht der Zusammenstoß dieser Truppenmassen, sondern der von Soldaten der Union mit der Bevölkerung von Baltimore führte, der Natur des Bürger¬ krieges entsprechend, das erste Blutvergießen herbei. Maryland war und ist heute noch zum größten Theil dem Süden zugethan, seine Lage zwischen der Bundeshauptstadt und dem der Regierung treugcblie- benen Norden ließ es zwar nicht zur Secession kommen, nöthigte aber den Nor¬ den zu sofortigen entschiedenen Maßregeln gegen dasselbe. Am 19. April 1861 kamen die ersten Unionstruppen, das V. Regiment Massachusetts und das 7. Re¬ giment Pensylvanien auf ihrer Fahrt nach Washington durch Baltimore und wurden von der Bevölkerung mit Steinwürfen empfangen, was von Seiten der Pensylvanier mit den Waffen beantwortet wurde. Die Soldaten hatten Zwei Todte und acht Verwundete, das Volk neun Todte und drei Verwundete. Baltimore erklärte den fernern Durchmarsch von Truppen für unzulässig und man respectirte diesen Widerspruch fürs Erste, ließ die Truppen zu Wasser nach Annapolis und von dort nach Washington gehen; als aber eine hinreichende Trup¬ penzahl zur Hand war, wurde in Maryland das Standrecht erklärt und so ward das Land allen Variationen des Kriegszustandes ausgesetzt, wie sie sich bei einer zügel- Grmzboten IV. 1864. SO

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/397>, abgerufen am 01.10.2024.