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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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es das Gebet an eines der Schweinchen aus der großen Heerde des Heiligen
adressirt:

Damit ist zugleich des Heiligen Beruf als Hüter und Schirmer der Heer-
den ausgedrückt. Schon Joh> Lasicz, der sei" Wert als aliis L^in^giwrum
1680 verfaßte und 1615 zu Basel drucken ließ, sagt ausdrücklich: g-puet vos
MLAi" eustoäia ^ieolao^ sse in.jllQeta. Dasselbe Verhältniß kommt ihm noch
in den Wcildstättcn zu, wo er allenthalben der Patron der Sennenbrüderschaftcn
und Alpgenvssen ist. Am Vorabende seines Festtages findet alljährlich zu Stans
in Unterwalden der Nikolauszug statt unter allem Gepränge eines Staats- und
Landesfestes. Ihn eröffnen die Samitlausengeiggel (Gauch, Platznarr), welche
als Zugführer Windlichter tragen. Nikolaus selbst sitzt im bischöflichen Ornat
hoch zu Rosse, von entsprechenden Würdeträgern und Kirchendienern umgeben.
Hinter diesen erscheint ein geflügelter schwertschwingender Erzengel, der die An¬
kunft der heiligen Familie meldet. Diese folgt unmittelbar mit Stall und Krippe
nebst einer großen Schaar von Engeln und Hirten. Darauf kommen die hei¬
ligen drei Könige mit dem Stern nebst Leibwachen und Trabanten. Zwischen
diesen drei Gruppen agiren zahlreiche Geiggcl als Platznarren, Zugführer und
Laternenträger, sämmtlich Fackeln schwingend und Kuhglocken lautend, durch¬
schnittlich in hochrothe Küherhemden gekleidet. Ihr besonderes Geschäft aber
ist, des Nikolaus Geschenke rechts und links in alte am Wege liegenden Wohn¬
häuser zu überbringen; eine Aufgabe, die hier nicht wenig besage" will. Denn
der Zug beginnt Mittags 12 Uhr, durchzieht mehre um Stans gelegene Ge¬
meinden und endigt erst Abends 7 Uhr in Stars selbst mit einem allgemeinen
Bürgerschmausc, dessen Zweckspeise diesmal der Lebkuchen ist. Solcherlei Leb-
kuchen werden dem Zuge in einem eignen Wagen nachgefahren, alle als Fische
geformt. In jedem Hause erhält die Prozession dafür das übliche Geldgeschenk,
Wie man denn die Kosten des über hundert Mann starken Zuges durch dieses
und durch öffentliche Sammlungen deckt, welche lange vorher veranstaltet werden.
Das zuschauende Publicum spielt zum Theil gleichfalls mit. Man bildet Spa¬
lier, schießt mit Musketen und Stutzen, knallt mit gewaltigen Nitolausgeiseln
und läutet mit allen vorhandenen Treichcln oder Kuhglocken. Abends wird
man in jeder Familie mit Wein und Lebkuchen bewirthet.

Der Lebkuchensisch als Festbrod deutet darauf hin. daß der Staufer Nikolaus¬
tag den Heiligen nicht blos als Schutzpatron der Sennen, sondern auch als
den der Schiffer und Fischer feiert, der die Stürme auf dem Vierwaldstätter
und auf den Hochalpen gleichmäßig zu bändigen hat. Man bäckt daher auch
am züricher See um dieselbe Zeit die sogenannten Tirgclifische, sehr große
scheibenförmige Süßbrode, auf denen das Bild eines mächtigen Hechtes abge-


es das Gebet an eines der Schweinchen aus der großen Heerde des Heiligen
adressirt:

Damit ist zugleich des Heiligen Beruf als Hüter und Schirmer der Heer-
den ausgedrückt. Schon Joh> Lasicz, der sei» Wert als aliis L^in^giwrum
1680 verfaßte und 1615 zu Basel drucken ließ, sagt ausdrücklich: g-puet vos
MLAi» eustoäia ^ieolao^ sse in.jllQeta. Dasselbe Verhältniß kommt ihm noch
in den Wcildstättcn zu, wo er allenthalben der Patron der Sennenbrüderschaftcn
und Alpgenvssen ist. Am Vorabende seines Festtages findet alljährlich zu Stans
in Unterwalden der Nikolauszug statt unter allem Gepränge eines Staats- und
Landesfestes. Ihn eröffnen die Samitlausengeiggel (Gauch, Platznarr), welche
als Zugführer Windlichter tragen. Nikolaus selbst sitzt im bischöflichen Ornat
hoch zu Rosse, von entsprechenden Würdeträgern und Kirchendienern umgeben.
Hinter diesen erscheint ein geflügelter schwertschwingender Erzengel, der die An¬
kunft der heiligen Familie meldet. Diese folgt unmittelbar mit Stall und Krippe
nebst einer großen Schaar von Engeln und Hirten. Darauf kommen die hei¬
ligen drei Könige mit dem Stern nebst Leibwachen und Trabanten. Zwischen
diesen drei Gruppen agiren zahlreiche Geiggcl als Platznarren, Zugführer und
Laternenträger, sämmtlich Fackeln schwingend und Kuhglocken lautend, durch¬
schnittlich in hochrothe Küherhemden gekleidet. Ihr besonderes Geschäft aber
ist, des Nikolaus Geschenke rechts und links in alte am Wege liegenden Wohn¬
häuser zu überbringen; eine Aufgabe, die hier nicht wenig besage» will. Denn
der Zug beginnt Mittags 12 Uhr, durchzieht mehre um Stans gelegene Ge¬
meinden und endigt erst Abends 7 Uhr in Stars selbst mit einem allgemeinen
Bürgerschmausc, dessen Zweckspeise diesmal der Lebkuchen ist. Solcherlei Leb-
kuchen werden dem Zuge in einem eignen Wagen nachgefahren, alle als Fische
geformt. In jedem Hause erhält die Prozession dafür das übliche Geldgeschenk,
Wie man denn die Kosten des über hundert Mann starken Zuges durch dieses
und durch öffentliche Sammlungen deckt, welche lange vorher veranstaltet werden.
Das zuschauende Publicum spielt zum Theil gleichfalls mit. Man bildet Spa¬
lier, schießt mit Musketen und Stutzen, knallt mit gewaltigen Nitolausgeiseln
und läutet mit allen vorhandenen Treichcln oder Kuhglocken. Abends wird
man in jeder Familie mit Wein und Lebkuchen bewirthet.

Der Lebkuchensisch als Festbrod deutet darauf hin. daß der Staufer Nikolaus¬
tag den Heiligen nicht blos als Schutzpatron der Sennen, sondern auch als
den der Schiffer und Fischer feiert, der die Stürme auf dem Vierwaldstätter
und auf den Hochalpen gleichmäßig zu bändigen hat. Man bäckt daher auch
am züricher See um dieselbe Zeit die sogenannten Tirgclifische, sehr große
scheibenförmige Süßbrode, auf denen das Bild eines mächtigen Hechtes abge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/385>, abgerufen am 22.07.2024.