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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Herr Post, der ick) nach Herrn von Niegolewski selbst bin, ist ursprüng¬
lich Theolog -- von welcher Denomination, weiß ich nicht -- gewesen und hat
sich dann hinreißen lassen, den Fahnen des Herrn Johannes Norge zu folgen.
Als dieser Fiasco machte und die kleinen deutschl'aiholischen Gemeinden sich
auflösten, wollte Post weder Prediger einer Confession werden, welcher er inner¬
lich nicht angehörte, noch ohne Beruf dazu zu haben seinen Unterhalt als Ta¬
gesschriftsteller in den ihm offenen subalternen Kreisen gewinnen, wie die meisten
seiner College". Er ist Beamter, ich glaube Translateur bei einer Behörde
in Posen geworden. Als Herr von Niegolewski seine große Anklage wider
die preußische Regierung in Posen in Scene setzte, wurde von polnischer Seite
der Versuch gemacht. Herrn Post zur Herausgabe einiger wichtigen Schriftstücke
zu verleiten. Er denuncirte wider seinen Versucher, welcher auch rechtskräftig
verurtheilt worden ist. Seitdem theilt er den gegen Bärensprung gerichteten Haß.

Uebrigens haben die grünen Blätter sich nicht nur wider die ihnen von
Herrn von Niegolewski zugewiesenen Mitarbeiter, sondern auch wider den Aus¬
druck "Schmähschrift" zu verwahren. Weder um zu schmähen, noch um zu de-
nunziren haben sie die polnischen Angelegenheiten besprochen. Im Gegentheil
haben gerade die Grenzboten bereits im April 1863 versichert, es habe die Em¬
pörung im russischen Polen die preußischen Polen überrascht, weshalb sie weit
eher als Entlastungszeugen wie als Ankläger der Verhafteten angeführt werden
könnten. Sie haben jederzeit voll Theilnahme von den Verhafteten als von
Opfern geredet, die unter einem moralischen Druck sonder Gleichen wider ihren
eignen Willen gezwungen waren, hoffnungslose Dinge zu unterstützen. Aber
ebenso laut haben sie wider die Männer gezeugt, die mit Worten spielten, zu
denen sie den Ernst der That nicht hatten, welche durch allerhand Frivolitäten
das Land in Unruhe versetzten, leichtgläubige oder schwärmerische Mitbürger zu
Handlungen verführten, zu denen ihnen selbst der Muth fehlte, welche schlie߬
lich in jeder Weise den übelsten Schein auf ihre Personen und Sachen warfen
und bei alledem eine Reihe von Unterlassungssünden begingen, die sich endlich
einmal an ihnen und an ihrer Nationalität rächen mußten. Die Grenzboten
haben in dieser Agitation trotz all dem Pomp, den sie entfaltete, trotz all der
Kraft, welche sie heuchelte, die größte Schwäche der Mob" ävs n^lions, der
Nation <zu äizuil nachgewiesen, baben in der Art, wie die Polen bei uns ihr
Werk trieben, ein Eingeständnis; ihrer Schwäche, den Mangel des Glaubens
an ihre Sache erkannt; sie haben den Edelleute" und Geistlichen die Geschichte
von Goethes Zauberlehrling ins Gedächtniß zurückgerufen, haben die Polen vor
ihnen gewarnt und ihre deutschen Mitbürger gebeten, den falschen Schein sich
nicht blenden zu lassen und wissentlich falschem Zeugniß nicht zu glauben.

Dessen haben sich die Grenzboten nicht zu schämen; der Verlauf der Dinge
hat ihnen Recht gegeben.


Herr Post, der ick) nach Herrn von Niegolewski selbst bin, ist ursprüng¬
lich Theolog — von welcher Denomination, weiß ich nicht — gewesen und hat
sich dann hinreißen lassen, den Fahnen des Herrn Johannes Norge zu folgen.
Als dieser Fiasco machte und die kleinen deutschl'aiholischen Gemeinden sich
auflösten, wollte Post weder Prediger einer Confession werden, welcher er inner¬
lich nicht angehörte, noch ohne Beruf dazu zu haben seinen Unterhalt als Ta¬
gesschriftsteller in den ihm offenen subalternen Kreisen gewinnen, wie die meisten
seiner College». Er ist Beamter, ich glaube Translateur bei einer Behörde
in Posen geworden. Als Herr von Niegolewski seine große Anklage wider
die preußische Regierung in Posen in Scene setzte, wurde von polnischer Seite
der Versuch gemacht. Herrn Post zur Herausgabe einiger wichtigen Schriftstücke
zu verleiten. Er denuncirte wider seinen Versucher, welcher auch rechtskräftig
verurtheilt worden ist. Seitdem theilt er den gegen Bärensprung gerichteten Haß.

Uebrigens haben die grünen Blätter sich nicht nur wider die ihnen von
Herrn von Niegolewski zugewiesenen Mitarbeiter, sondern auch wider den Aus¬
druck „Schmähschrift" zu verwahren. Weder um zu schmähen, noch um zu de-
nunziren haben sie die polnischen Angelegenheiten besprochen. Im Gegentheil
haben gerade die Grenzboten bereits im April 1863 versichert, es habe die Em¬
pörung im russischen Polen die preußischen Polen überrascht, weshalb sie weit
eher als Entlastungszeugen wie als Ankläger der Verhafteten angeführt werden
könnten. Sie haben jederzeit voll Theilnahme von den Verhafteten als von
Opfern geredet, die unter einem moralischen Druck sonder Gleichen wider ihren
eignen Willen gezwungen waren, hoffnungslose Dinge zu unterstützen. Aber
ebenso laut haben sie wider die Männer gezeugt, die mit Worten spielten, zu
denen sie den Ernst der That nicht hatten, welche durch allerhand Frivolitäten
das Land in Unruhe versetzten, leichtgläubige oder schwärmerische Mitbürger zu
Handlungen verführten, zu denen ihnen selbst der Muth fehlte, welche schlie߬
lich in jeder Weise den übelsten Schein auf ihre Personen und Sachen warfen
und bei alledem eine Reihe von Unterlassungssünden begingen, die sich endlich
einmal an ihnen und an ihrer Nationalität rächen mußten. Die Grenzboten
haben in dieser Agitation trotz all dem Pomp, den sie entfaltete, trotz all der
Kraft, welche sie heuchelte, die größte Schwäche der Mob« ävs n^lions, der
Nation <zu äizuil nachgewiesen, baben in der Art, wie die Polen bei uns ihr
Werk trieben, ein Eingeständnis; ihrer Schwäche, den Mangel des Glaubens
an ihre Sache erkannt; sie haben den Edelleute» und Geistlichen die Geschichte
von Goethes Zauberlehrling ins Gedächtniß zurückgerufen, haben die Polen vor
ihnen gewarnt und ihre deutschen Mitbürger gebeten, den falschen Schein sich
nicht blenden zu lassen und wissentlich falschem Zeugniß nicht zu glauben.

Dessen haben sich die Grenzboten nicht zu schämen; der Verlauf der Dinge
hat ihnen Recht gegeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/38>, abgerufen am 01.07.2024.