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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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zwanzigpfündern lösen, um, wie Buch sich ausdrückt, "den Feind zum Kampfe
zu rufen"; wahrscheinlich sollten sie dazu dienen, Herrn Bournonville, der fein
Erstaunen darüber nicht verborgen zu haben scheint, die Situation ins Ohr zu
rufen. Der Kurfürst trat mit ihm und den andern Kommandanten in Be¬
rathung; er wollte durchaus das Treffen aufgenommen sehen und deshalb vorrücken;
denn es war von größter Wichtigkeit, die vor der Front liegenden Höhen zu
nehmen, um das französische Lager überblicken zu können. Bournonville er¬
klärte jedoch, daß dies unthunlich sei, da seine Reiterei bereits acht oder neun
Stunden im Sattel wäre und daß sie auch nicht den kleinen Bach passiren
könne, der innerhalb der tausend Schritte lag. um die der Kurfürst sie vorhaben
wollte. Zur Beseitigung dieses Hindernisses erbot sich Friedrich Wilhelm, in
etwa drei Stunden 60 Brücken schlagen zu lassen; darauf die kaiserliche Aus¬
flucht: es würde zu lange dauern, die Pferde zu tränken. Allen Vorschlägen
entschlüpfte Bournonville wie ein Aal. Da riß dem Kurfürsten die Geduld,
er faßte die Hand des spanischen Gesandten. Baron von Clcrvaux, den er
schätzte, und rief: "Sie sind neutral, bei Gott, Sie werden der Welt als recht¬
schaffener, unparteiischer Mann bezeugen, was hier vorgegangen ist; ich will
entschuldigt sein wegen allem, was aus dieser Verzögerung entsteht." Es fruch¬
tete aber nichts, daß Clervaux dies versprach. Bournonville blieb bei seiner
Weigerung, und so mühte sich auch der alte Derfflinger vergebens, einen zweiten
Hügel zu besetzen, der links vor der Stellung lag und dessen Occupation ähn¬
lichen Werth hatte, wie die der Schwarzach-Höhen. Die einbrechende Dunkel¬
heit gebot Einhalt.

In der Nacht ging Türenne auf und davon; die Reichsarmee hatte das
Nachsehen. Derfflinger folgte den französischen Truppen auf den Fersen, aber
nur um persönlich zu recognosciren. ^Üas ihm an Reiterei nachgeschickt werden
konnte, war nicht im Stande, die Bewegung der Franzosen zum Stehen zu
bringen, ehe sie ihren Zweck vorteilhafterer Position erreicht hatten. Wieder
lehnte der kaiserliche General seine Betheiligung an den vom Kurfürsten ge¬
wünschten Unternehmungen ab, da er seine Truppen zum Fouragiren geschickt
habe. Auch die Cavallerie war nicht vom Flecke zu bekommen. So debütirten
die Kaiserlichen mit ihrer Pflichtauffassung bei einer Stellung, die sie laut des
Alliauzcontractes dem Kurfürsten unterordnete, denn er hatte den Oberbefehl
und die übrigen Contiugentscommandanten nur je eine Stimme im Kriegs¬
rath. Man fand indeß kaiserlicherseitv in diesem Verhältnisse Spielraum ge¬
nug, um unliebsamen Zumuthungen auszuweichen. "Ich weiß nicht, was ich
darüber urtheilen soll." sagt der gute Buch treuherzig oder ironisch, "jedesmal,
wenn im Kriegsrath etwas beschlossen worden ist, was man nachher ausführen
will, hatte Hkrr von Bournonville immer einen Trompeter zum Feinde z"
schicken, sei es wegen der Gefangenen, sei es wegen anderer Sachen, und


zwanzigpfündern lösen, um, wie Buch sich ausdrückt, „den Feind zum Kampfe
zu rufen"; wahrscheinlich sollten sie dazu dienen, Herrn Bournonville, der fein
Erstaunen darüber nicht verborgen zu haben scheint, die Situation ins Ohr zu
rufen. Der Kurfürst trat mit ihm und den andern Kommandanten in Be¬
rathung; er wollte durchaus das Treffen aufgenommen sehen und deshalb vorrücken;
denn es war von größter Wichtigkeit, die vor der Front liegenden Höhen zu
nehmen, um das französische Lager überblicken zu können. Bournonville er¬
klärte jedoch, daß dies unthunlich sei, da seine Reiterei bereits acht oder neun
Stunden im Sattel wäre und daß sie auch nicht den kleinen Bach passiren
könne, der innerhalb der tausend Schritte lag. um die der Kurfürst sie vorhaben
wollte. Zur Beseitigung dieses Hindernisses erbot sich Friedrich Wilhelm, in
etwa drei Stunden 60 Brücken schlagen zu lassen; darauf die kaiserliche Aus¬
flucht: es würde zu lange dauern, die Pferde zu tränken. Allen Vorschlägen
entschlüpfte Bournonville wie ein Aal. Da riß dem Kurfürsten die Geduld,
er faßte die Hand des spanischen Gesandten. Baron von Clcrvaux, den er
schätzte, und rief: „Sie sind neutral, bei Gott, Sie werden der Welt als recht¬
schaffener, unparteiischer Mann bezeugen, was hier vorgegangen ist; ich will
entschuldigt sein wegen allem, was aus dieser Verzögerung entsteht." Es fruch¬
tete aber nichts, daß Clervaux dies versprach. Bournonville blieb bei seiner
Weigerung, und so mühte sich auch der alte Derfflinger vergebens, einen zweiten
Hügel zu besetzen, der links vor der Stellung lag und dessen Occupation ähn¬
lichen Werth hatte, wie die der Schwarzach-Höhen. Die einbrechende Dunkel¬
heit gebot Einhalt.

In der Nacht ging Türenne auf und davon; die Reichsarmee hatte das
Nachsehen. Derfflinger folgte den französischen Truppen auf den Fersen, aber
nur um persönlich zu recognosciren. ^Üas ihm an Reiterei nachgeschickt werden
konnte, war nicht im Stande, die Bewegung der Franzosen zum Stehen zu
bringen, ehe sie ihren Zweck vorteilhafterer Position erreicht hatten. Wieder
lehnte der kaiserliche General seine Betheiligung an den vom Kurfürsten ge¬
wünschten Unternehmungen ab, da er seine Truppen zum Fouragiren geschickt
habe. Auch die Cavallerie war nicht vom Flecke zu bekommen. So debütirten
die Kaiserlichen mit ihrer Pflichtauffassung bei einer Stellung, die sie laut des
Alliauzcontractes dem Kurfürsten unterordnete, denn er hatte den Oberbefehl
und die übrigen Contiugentscommandanten nur je eine Stimme im Kriegs¬
rath. Man fand indeß kaiserlicherseitv in diesem Verhältnisse Spielraum ge¬
nug, um unliebsamen Zumuthungen auszuweichen. „Ich weiß nicht, was ich
darüber urtheilen soll." sagt der gute Buch treuherzig oder ironisch, „jedesmal,
wenn im Kriegsrath etwas beschlossen worden ist, was man nachher ausführen
will, hatte Hkrr von Bournonville immer einen Trompeter zum Feinde z»
schicken, sei es wegen der Gefangenen, sei es wegen anderer Sachen, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/374>, abgerufen am 22.07.2024.