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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Vermischte Literatur.
Homers Odyssee bearbeitet von Ferdinand Schmidt. 4. Auflage mit
52 Illustrationen von G, Bartsch. Berlin, Verlag von Hugo Kastner und Comp.

Mit Recht genießt die Wiedcrerzählung der Odyssee in deutscher Prosa von Fer¬
dinand Schmidt viel Anerkennung; denn es ist dein Bearbeiter gelungen, die wun¬
dervollen Züge des Liedes so schlicht und getreu abzuschildern, daß man mit
Wohlgefallen bei dem Conterfei verweilt, obwohl ihm der Rhythmus der Hexa¬
meter mangelt. Wir glauben, daß Uebertrauung in Prosa die einzig mögliche Form
ist, wenn von der ursprünglichen abgegangen werden soll. Auf die Jugend wirkt
diese Erzählung gewiß vortrefflich. Daß ihr Werth erkannt und sie bereits an vielen
Orten eingeführt ist, davon zeugt die Veranstaltung einer neuen, schon der vierten
Auflage. -- Je anerkennenswerther aber das Büchelchen als solches erscheint, desto
mehr muß es Wunder nehmen, daß man es noch immer nicht von dem Ballast
dieser Illustrationen befreit hat, wie sie Herr Bartsch dazu lieferte. Es muß geradezu
als unwürdig bezeichnet werden, ein derartiges Werkchen mit solchen Zeichnungen zu
verunstalten. Das Buch ist für die Jugend bestimmt; für die Jugend aber -- so
scheint man bei der Herausgabe gedacht zu haben -- sind auch diese Bildchen gut
genug. Mit Nichten. Vielleicht dürste man sie bei einem Buche Passiren lassen, das
ausschließlich für Erwachsene bestimmt wäre, obgleich es auch da vom Uebel ist,
dem Beschauer nur die Alternative zu lassen, sie entweder gar nicht anzusehn oder
zu verachten. Bei Kindern ist aber l'eins von beiden der Fall; sondern Kinder sehen
jede Illustration an und prägen sie sich unwillkürlich ein, und da sind nun solche
schlecht gezeichnete und "och schlechter geschnittene Figuren, die uns sehr verrätherisch
an neuere französische Jllustrationssudeleicn erinnern, geradezu ein Phantasievcrdcrb.
Wir haben wahrlich schöne und stilvolle Darstellungen zum Homer genug; warum
hat der Verleger nicht solche von Flaxman oder Gcnclli oder Preller und anderen
genommen oder nach solchen neue zeichnen lassen? Es gab da mehr als eine Zu¬
flucht. Aber vor diesen unkünstlerischen Leichtfertigkeiten, die aussehn, als wäre das
Dutzend mit der linken Hand in einer Stunde gemacht, sollte man vor allem die
Jugend gewissenhaft behüten! --


Robinson Crusoe, mit Unterstützung von Gelehrten und Schulmännern
für die Jugend bearbeitet von G. A. Gräbner (bevvrwortet von Dr. C. Kühner,
Prof. I>r. Ziller und Prof. or. K. Biedermann.) Mit 48 Illustrationen. Leipzig,
Verlag für erziehenden Unterricht (G. Ad. Gräbner.) 1865.

Robinson in neuer Fayon, die Legion es- ista Bearbeitung des classischen Jugend-
Lesebuchs. Es ist gewiß ganz löblich, wenn grobe Verstöße gegen den heutigen
Stand der cracker Wissenschaften, namentlich der Botanik, Zoologie, physikalischen
Geographie n. f. w. in einem Buche berichtigt werden , das eine Zukunft von noch über
150 Jahren haben wird, wie es eine gleichlange Vergangenheit gehabt hat ohne
altmodisch zu werden, weil es die Grundphänomcnc menschlicher Selbsterziehungs-


Menzlwlen IV. l864.
Vermischte Literatur.
Homers Odyssee bearbeitet von Ferdinand Schmidt. 4. Auflage mit
52 Illustrationen von G, Bartsch. Berlin, Verlag von Hugo Kastner und Comp.

Mit Recht genießt die Wiedcrerzählung der Odyssee in deutscher Prosa von Fer¬
dinand Schmidt viel Anerkennung; denn es ist dein Bearbeiter gelungen, die wun¬
dervollen Züge des Liedes so schlicht und getreu abzuschildern, daß man mit
Wohlgefallen bei dem Conterfei verweilt, obwohl ihm der Rhythmus der Hexa¬
meter mangelt. Wir glauben, daß Uebertrauung in Prosa die einzig mögliche Form
ist, wenn von der ursprünglichen abgegangen werden soll. Auf die Jugend wirkt
diese Erzählung gewiß vortrefflich. Daß ihr Werth erkannt und sie bereits an vielen
Orten eingeführt ist, davon zeugt die Veranstaltung einer neuen, schon der vierten
Auflage. — Je anerkennenswerther aber das Büchelchen als solches erscheint, desto
mehr muß es Wunder nehmen, daß man es noch immer nicht von dem Ballast
dieser Illustrationen befreit hat, wie sie Herr Bartsch dazu lieferte. Es muß geradezu
als unwürdig bezeichnet werden, ein derartiges Werkchen mit solchen Zeichnungen zu
verunstalten. Das Buch ist für die Jugend bestimmt; für die Jugend aber — so
scheint man bei der Herausgabe gedacht zu haben — sind auch diese Bildchen gut
genug. Mit Nichten. Vielleicht dürste man sie bei einem Buche Passiren lassen, das
ausschließlich für Erwachsene bestimmt wäre, obgleich es auch da vom Uebel ist,
dem Beschauer nur die Alternative zu lassen, sie entweder gar nicht anzusehn oder
zu verachten. Bei Kindern ist aber l'eins von beiden der Fall; sondern Kinder sehen
jede Illustration an und prägen sie sich unwillkürlich ein, und da sind nun solche
schlecht gezeichnete und »och schlechter geschnittene Figuren, die uns sehr verrätherisch
an neuere französische Jllustrationssudeleicn erinnern, geradezu ein Phantasievcrdcrb.
Wir haben wahrlich schöne und stilvolle Darstellungen zum Homer genug; warum
hat der Verleger nicht solche von Flaxman oder Gcnclli oder Preller und anderen
genommen oder nach solchen neue zeichnen lassen? Es gab da mehr als eine Zu¬
flucht. Aber vor diesen unkünstlerischen Leichtfertigkeiten, die aussehn, als wäre das
Dutzend mit der linken Hand in einer Stunde gemacht, sollte man vor allem die
Jugend gewissenhaft behüten! —


Robinson Crusoe, mit Unterstützung von Gelehrten und Schulmännern
für die Jugend bearbeitet von G. A. Gräbner (bevvrwortet von Dr. C. Kühner,
Prof. I>r. Ziller und Prof. or. K. Biedermann.) Mit 48 Illustrationen. Leipzig,
Verlag für erziehenden Unterricht (G. Ad. Gräbner.) 1865.

Robinson in neuer Fayon, die Legion es- ista Bearbeitung des classischen Jugend-
Lesebuchs. Es ist gewiß ganz löblich, wenn grobe Verstöße gegen den heutigen
Stand der cracker Wissenschaften, namentlich der Botanik, Zoologie, physikalischen
Geographie n. f. w. in einem Buche berichtigt werden , das eine Zukunft von noch über
150 Jahren haben wird, wie es eine gleichlange Vergangenheit gehabt hat ohne
altmodisch zu werden, weil es die Grundphänomcnc menschlicher Selbsterziehungs-


Menzlwlen IV. l864.
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[0357] Vermischte Literatur. Homers Odyssee bearbeitet von Ferdinand Schmidt. 4. Auflage mit 52 Illustrationen von G, Bartsch. Berlin, Verlag von Hugo Kastner und Comp. Mit Recht genießt die Wiedcrerzählung der Odyssee in deutscher Prosa von Fer¬ dinand Schmidt viel Anerkennung; denn es ist dein Bearbeiter gelungen, die wun¬ dervollen Züge des Liedes so schlicht und getreu abzuschildern, daß man mit Wohlgefallen bei dem Conterfei verweilt, obwohl ihm der Rhythmus der Hexa¬ meter mangelt. Wir glauben, daß Uebertrauung in Prosa die einzig mögliche Form ist, wenn von der ursprünglichen abgegangen werden soll. Auf die Jugend wirkt diese Erzählung gewiß vortrefflich. Daß ihr Werth erkannt und sie bereits an vielen Orten eingeführt ist, davon zeugt die Veranstaltung einer neuen, schon der vierten Auflage. — Je anerkennenswerther aber das Büchelchen als solches erscheint, desto mehr muß es Wunder nehmen, daß man es noch immer nicht von dem Ballast dieser Illustrationen befreit hat, wie sie Herr Bartsch dazu lieferte. Es muß geradezu als unwürdig bezeichnet werden, ein derartiges Werkchen mit solchen Zeichnungen zu verunstalten. Das Buch ist für die Jugend bestimmt; für die Jugend aber — so scheint man bei der Herausgabe gedacht zu haben — sind auch diese Bildchen gut genug. Mit Nichten. Vielleicht dürste man sie bei einem Buche Passiren lassen, das ausschließlich für Erwachsene bestimmt wäre, obgleich es auch da vom Uebel ist, dem Beschauer nur die Alternative zu lassen, sie entweder gar nicht anzusehn oder zu verachten. Bei Kindern ist aber l'eins von beiden der Fall; sondern Kinder sehen jede Illustration an und prägen sie sich unwillkürlich ein, und da sind nun solche schlecht gezeichnete und »och schlechter geschnittene Figuren, die uns sehr verrätherisch an neuere französische Jllustrationssudeleicn erinnern, geradezu ein Phantasievcrdcrb. Wir haben wahrlich schöne und stilvolle Darstellungen zum Homer genug; warum hat der Verleger nicht solche von Flaxman oder Gcnclli oder Preller und anderen genommen oder nach solchen neue zeichnen lassen? Es gab da mehr als eine Zu¬ flucht. Aber vor diesen unkünstlerischen Leichtfertigkeiten, die aussehn, als wäre das Dutzend mit der linken Hand in einer Stunde gemacht, sollte man vor allem die Jugend gewissenhaft behüten! — Robinson Crusoe, mit Unterstützung von Gelehrten und Schulmännern für die Jugend bearbeitet von G. A. Gräbner (bevvrwortet von Dr. C. Kühner, Prof. I>r. Ziller und Prof. or. K. Biedermann.) Mit 48 Illustrationen. Leipzig, Verlag für erziehenden Unterricht (G. Ad. Gräbner.) 1865. Robinson in neuer Fayon, die Legion es- ista Bearbeitung des classischen Jugend- Lesebuchs. Es ist gewiß ganz löblich, wenn grobe Verstöße gegen den heutigen Stand der cracker Wissenschaften, namentlich der Botanik, Zoologie, physikalischen Geographie n. f. w. in einem Buche berichtigt werden , das eine Zukunft von noch über 150 Jahren haben wird, wie es eine gleichlange Vergangenheit gehabt hat ohne altmodisch zu werden, weil es die Grundphänomcnc menschlicher Selbsterziehungs- Menzlwlen IV. l864.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/357>, abgerufen am 01.07.2024.