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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Das glänzendste Talent unter den deutschen Bildnißmalern ist und bleibt
G. Richter. Wie sehr er es auch versteht, die höchste Eleganz zu malen, so ver¬
liert er doch nicht den unbeirrten Blick für die Schlichtheit gesunder Natur. Den
verschiedensten Aufgaben wird er gerecht. Er weiß den Charakter in der Tiefe zu
erfassen, giebt oft auch wohl nur die zarteste Blüthe der Erscheinung , immer aber
ein schönes und einschmeichelndes Bild. Wenn er im Durchschnitt seine Men¬
schen vornehmer malt, als sie sind, so hat er diesmal in dem unschätzbaren
Bilde seiner Mutter gezeigt, welcher Innigkeit, welcher Einfachheit, welcher schlich¬
ten Treue der Naturauffassung er fähig ist, welcher prunklosen malerischen Be¬
handlung. Von diesem Porträt geht eine tief gemüthvolle Wirkung aus! man
fühlt, wie des Künstlers eignes liebendes Sohnesherz mit gearbeitet hat. Han¬
delt es sich um die frappante Malerei prächtiger Stoffe und reicher Gesammt-
erscheinung -- wer thut es seinem Bilde der Gräfin K. darin gleich? in holder
weiblicher Anmuth und seelischer Lieblichkeit erreicht er nicht minder das
schönste künstlerische Resultat wie hier in dem Bilde der Gräfin G. Und doch
gelang ihm diesmal vielleicht der glücklichste seiner Würfe mit dem Gildniß des
schönen blonden Knaben in ganzer Gestalt, in schwarzer Sammettracht. Die
Stellung dieser so munter und vornehm nachlässig auf der Ecke des braunen
Lehnstuhls schaukelnden Kindergestalt ist so momentan, so der zufälligen Wirk¬
lichkeit abgelauscht, daß jede Erinnerung des Gestellten aufhört und so ungesucht
edel und künstlerisch schön, daß sich nichts der freien Meisterschaft in Farbe und
Malerei vergleicht, womit diese reizende Erscheinung und ihre ganze einfach
prächtige Umgebung bingemalt ist. Der geistreiche Titus Ulrich trifft das Rechte,
wenn er sagt, daß dies bewundernswerthe Bildniß bestimmt schien, zu jener
Gattung der "typischen Porträts" gezählt zu werden wie der "Kluc Kv^" von
Gainsborough oder die Kinder des Rubens und Andre.

Mit diesem Eindruck eines in sich vollendeten Kunstwerkes wollen wir
Von der diesjährigen Ausstellung scheiden.




Das glänzendste Talent unter den deutschen Bildnißmalern ist und bleibt
G. Richter. Wie sehr er es auch versteht, die höchste Eleganz zu malen, so ver¬
liert er doch nicht den unbeirrten Blick für die Schlichtheit gesunder Natur. Den
verschiedensten Aufgaben wird er gerecht. Er weiß den Charakter in der Tiefe zu
erfassen, giebt oft auch wohl nur die zarteste Blüthe der Erscheinung , immer aber
ein schönes und einschmeichelndes Bild. Wenn er im Durchschnitt seine Men¬
schen vornehmer malt, als sie sind, so hat er diesmal in dem unschätzbaren
Bilde seiner Mutter gezeigt, welcher Innigkeit, welcher Einfachheit, welcher schlich¬
ten Treue der Naturauffassung er fähig ist, welcher prunklosen malerischen Be¬
handlung. Von diesem Porträt geht eine tief gemüthvolle Wirkung aus! man
fühlt, wie des Künstlers eignes liebendes Sohnesherz mit gearbeitet hat. Han¬
delt es sich um die frappante Malerei prächtiger Stoffe und reicher Gesammt-
erscheinung — wer thut es seinem Bilde der Gräfin K. darin gleich? in holder
weiblicher Anmuth und seelischer Lieblichkeit erreicht er nicht minder das
schönste künstlerische Resultat wie hier in dem Bilde der Gräfin G. Und doch
gelang ihm diesmal vielleicht der glücklichste seiner Würfe mit dem Gildniß des
schönen blonden Knaben in ganzer Gestalt, in schwarzer Sammettracht. Die
Stellung dieser so munter und vornehm nachlässig auf der Ecke des braunen
Lehnstuhls schaukelnden Kindergestalt ist so momentan, so der zufälligen Wirk¬
lichkeit abgelauscht, daß jede Erinnerung des Gestellten aufhört und so ungesucht
edel und künstlerisch schön, daß sich nichts der freien Meisterschaft in Farbe und
Malerei vergleicht, womit diese reizende Erscheinung und ihre ganze einfach
prächtige Umgebung bingemalt ist. Der geistreiche Titus Ulrich trifft das Rechte,
wenn er sagt, daß dies bewundernswerthe Bildniß bestimmt schien, zu jener
Gattung der „typischen Porträts" gezählt zu werden wie der „Kluc Kv^" von
Gainsborough oder die Kinder des Rubens und Andre.

Mit diesem Eindruck eines in sich vollendeten Kunstwerkes wollen wir
Von der diesjährigen Ausstellung scheiden.




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[0356] Das glänzendste Talent unter den deutschen Bildnißmalern ist und bleibt G. Richter. Wie sehr er es auch versteht, die höchste Eleganz zu malen, so ver¬ liert er doch nicht den unbeirrten Blick für die Schlichtheit gesunder Natur. Den verschiedensten Aufgaben wird er gerecht. Er weiß den Charakter in der Tiefe zu erfassen, giebt oft auch wohl nur die zarteste Blüthe der Erscheinung , immer aber ein schönes und einschmeichelndes Bild. Wenn er im Durchschnitt seine Men¬ schen vornehmer malt, als sie sind, so hat er diesmal in dem unschätzbaren Bilde seiner Mutter gezeigt, welcher Innigkeit, welcher Einfachheit, welcher schlich¬ ten Treue der Naturauffassung er fähig ist, welcher prunklosen malerischen Be¬ handlung. Von diesem Porträt geht eine tief gemüthvolle Wirkung aus! man fühlt, wie des Künstlers eignes liebendes Sohnesherz mit gearbeitet hat. Han¬ delt es sich um die frappante Malerei prächtiger Stoffe und reicher Gesammt- erscheinung — wer thut es seinem Bilde der Gräfin K. darin gleich? in holder weiblicher Anmuth und seelischer Lieblichkeit erreicht er nicht minder das schönste künstlerische Resultat wie hier in dem Bilde der Gräfin G. Und doch gelang ihm diesmal vielleicht der glücklichste seiner Würfe mit dem Gildniß des schönen blonden Knaben in ganzer Gestalt, in schwarzer Sammettracht. Die Stellung dieser so munter und vornehm nachlässig auf der Ecke des braunen Lehnstuhls schaukelnden Kindergestalt ist so momentan, so der zufälligen Wirk¬ lichkeit abgelauscht, daß jede Erinnerung des Gestellten aufhört und so ungesucht edel und künstlerisch schön, daß sich nichts der freien Meisterschaft in Farbe und Malerei vergleicht, womit diese reizende Erscheinung und ihre ganze einfach prächtige Umgebung bingemalt ist. Der geistreiche Titus Ulrich trifft das Rechte, wenn er sagt, daß dies bewundernswerthe Bildniß bestimmt schien, zu jener Gattung der „typischen Porträts" gezählt zu werden wie der „Kluc Kv^" von Gainsborough oder die Kinder des Rubens und Andre. Mit diesem Eindruck eines in sich vollendeten Kunstwerkes wollen wir Von der diesjährigen Ausstellung scheiden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/356>, abgerufen am 03.07.2024.