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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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der Niederlande und die Flächen der Mark, die Gletscher und Alpengebirge
Norwegens, der Schweiz und der Pyrenäen, so wie die Dünen am Meer und das
bescheidenste Dörfchen in anspruchsloser Ebne. Das Naturgefühl ist stärker, die Auf.
fassung und Beobachtung geschärfter, die Kunst, Luft, Wasser, Terrain und
Vegetation zu malen, reifer und allgemeiner geworden. Und doch, werden
sich auch hier aus dieser Masse des Tüchtigen noch immer ebenso wie auf einer
geringeren Stufe der gemeinsamen Ausbildung einzelne Meister in der bedeuten¬
den Besonderheit ihres künstlerischen Gepräges herausheben.

Ziemlich scharf gesondert stehen sich die beiden Richtungen des landschaft¬
lichen Idealismus und Realismus gegenüber, die beiden Gruppen: derer, denen
die Landschaft ein aus poetischer Phantasie erzeugtes Gebilde ist, dessen Form
und Farbe sie nur soweit es eben jener poetischen Intention entspricht, der
wirklichen Natur entlehnen, und derer, welchen erst eine solche, local bestimmte
die Anregung zum Bilde giebt, dessen wahre Aufgabe dann auch nothwendig
in der künstlerischen Reproduction ihrer in sich folgerechten und charakteristischen
Eigenart ist. Daß diese letztere Künstlergruppe jene an Zahl weU überwiegt,
ist für unsre Zeit selbstverständlich. Hier ist allem voran ein Künstlername zu
nennen, welcher von zwei Brüdern geführt, das überragend größte Talent
und Können bezeichnet, was in den verschiedenen unter sich abweichenden Rich¬
tungen innerhalb der realistischen Landschaftsmalerei gegenwärtig thätig ist:
Ueberhand. Andreas unbestreitbar der Erste und Größte aller Maler nordisch,
heimathlicher Natur, Oswald der des italienischen Südens mit seiner heißeren
Sonne und dem zarteren, magischeren, farbenreicheren Zauber seiner Lüfte-
Jener hat außer einem erstaunlichen Secbilde, dem Ausfluß der Scheide bei
Vliessingen, eine niederdeutsche Landschaft im Herbststurm ausgestellt, die ihm
jenen Rang unter den Zeitgenossen einräumen müßte, wenn er nicht schon längst
der seine wäre. Es ist die mächtige Gesundheit in der Auffassung einer doch
eigentlich tief melancholischen Naturstimmung, das fast Heroische in der Schil¬
derung ganz einfacher mit keinem stolzen Reiz prangender heimischer Land¬
schaft, und die höchste, reifste Meisterschaft der Malerei darin, was dem Bilde
seinen imponirenden Eindruck giebt. Einfluß und Beispiel dieses Meisters läßt
sich mehr oder weniger direct in einer großen Zahl von Malern nordeuropäischer
Landschaft erkennen. Am entschiedensten in dem trefflichen Deiters. dessen
"westfälisches Dorf" durch nah verwandte künstlerische Eigenschaften ausgezeich-
net ist. Ludecke. Genschow sind außerdem von diesen eigentlichen Dorfmalern
zu nennen. Wald und Haide finden an A. Weber, P.ortmann, Max
Schmidt, Pape, Engelhard t, Ruths die begabtesten Darsteller. In den
Werken des ersten ist es die Traulichkeit der deutschen Waldnatur und die bei
etwas stumpfem Colorit immer wahrhaft gediegene Malerei, was ihnen den
großen Reiz verleiht. Portmann bringt durch Gewitter und einschlagenden


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der Niederlande und die Flächen der Mark, die Gletscher und Alpengebirge
Norwegens, der Schweiz und der Pyrenäen, so wie die Dünen am Meer und das
bescheidenste Dörfchen in anspruchsloser Ebne. Das Naturgefühl ist stärker, die Auf.
fassung und Beobachtung geschärfter, die Kunst, Luft, Wasser, Terrain und
Vegetation zu malen, reifer und allgemeiner geworden. Und doch, werden
sich auch hier aus dieser Masse des Tüchtigen noch immer ebenso wie auf einer
geringeren Stufe der gemeinsamen Ausbildung einzelne Meister in der bedeuten¬
den Besonderheit ihres künstlerischen Gepräges herausheben.

Ziemlich scharf gesondert stehen sich die beiden Richtungen des landschaft¬
lichen Idealismus und Realismus gegenüber, die beiden Gruppen: derer, denen
die Landschaft ein aus poetischer Phantasie erzeugtes Gebilde ist, dessen Form
und Farbe sie nur soweit es eben jener poetischen Intention entspricht, der
wirklichen Natur entlehnen, und derer, welchen erst eine solche, local bestimmte
die Anregung zum Bilde giebt, dessen wahre Aufgabe dann auch nothwendig
in der künstlerischen Reproduction ihrer in sich folgerechten und charakteristischen
Eigenart ist. Daß diese letztere Künstlergruppe jene an Zahl weU überwiegt,
ist für unsre Zeit selbstverständlich. Hier ist allem voran ein Künstlername zu
nennen, welcher von zwei Brüdern geführt, das überragend größte Talent
und Können bezeichnet, was in den verschiedenen unter sich abweichenden Rich¬
tungen innerhalb der realistischen Landschaftsmalerei gegenwärtig thätig ist:
Ueberhand. Andreas unbestreitbar der Erste und Größte aller Maler nordisch,
heimathlicher Natur, Oswald der des italienischen Südens mit seiner heißeren
Sonne und dem zarteren, magischeren, farbenreicheren Zauber seiner Lüfte-
Jener hat außer einem erstaunlichen Secbilde, dem Ausfluß der Scheide bei
Vliessingen, eine niederdeutsche Landschaft im Herbststurm ausgestellt, die ihm
jenen Rang unter den Zeitgenossen einräumen müßte, wenn er nicht schon längst
der seine wäre. Es ist die mächtige Gesundheit in der Auffassung einer doch
eigentlich tief melancholischen Naturstimmung, das fast Heroische in der Schil¬
derung ganz einfacher mit keinem stolzen Reiz prangender heimischer Land¬
schaft, und die höchste, reifste Meisterschaft der Malerei darin, was dem Bilde
seinen imponirenden Eindruck giebt. Einfluß und Beispiel dieses Meisters läßt
sich mehr oder weniger direct in einer großen Zahl von Malern nordeuropäischer
Landschaft erkennen. Am entschiedensten in dem trefflichen Deiters. dessen
»westfälisches Dorf" durch nah verwandte künstlerische Eigenschaften ausgezeich-
net ist. Ludecke. Genschow sind außerdem von diesen eigentlichen Dorfmalern
zu nennen. Wald und Haide finden an A. Weber, P.ortmann, Max
Schmidt, Pape, Engelhard t, Ruths die begabtesten Darsteller. In den
Werken des ersten ist es die Traulichkeit der deutschen Waldnatur und die bei
etwas stumpfem Colorit immer wahrhaft gediegene Malerei, was ihnen den
großen Reiz verleiht. Portmann bringt durch Gewitter und einschlagenden


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[0351] der Niederlande und die Flächen der Mark, die Gletscher und Alpengebirge Norwegens, der Schweiz und der Pyrenäen, so wie die Dünen am Meer und das bescheidenste Dörfchen in anspruchsloser Ebne. Das Naturgefühl ist stärker, die Auf. fassung und Beobachtung geschärfter, die Kunst, Luft, Wasser, Terrain und Vegetation zu malen, reifer und allgemeiner geworden. Und doch, werden sich auch hier aus dieser Masse des Tüchtigen noch immer ebenso wie auf einer geringeren Stufe der gemeinsamen Ausbildung einzelne Meister in der bedeuten¬ den Besonderheit ihres künstlerischen Gepräges herausheben. Ziemlich scharf gesondert stehen sich die beiden Richtungen des landschaft¬ lichen Idealismus und Realismus gegenüber, die beiden Gruppen: derer, denen die Landschaft ein aus poetischer Phantasie erzeugtes Gebilde ist, dessen Form und Farbe sie nur soweit es eben jener poetischen Intention entspricht, der wirklichen Natur entlehnen, und derer, welchen erst eine solche, local bestimmte die Anregung zum Bilde giebt, dessen wahre Aufgabe dann auch nothwendig in der künstlerischen Reproduction ihrer in sich folgerechten und charakteristischen Eigenart ist. Daß diese letztere Künstlergruppe jene an Zahl weU überwiegt, ist für unsre Zeit selbstverständlich. Hier ist allem voran ein Künstlername zu nennen, welcher von zwei Brüdern geführt, das überragend größte Talent und Können bezeichnet, was in den verschiedenen unter sich abweichenden Rich¬ tungen innerhalb der realistischen Landschaftsmalerei gegenwärtig thätig ist: Ueberhand. Andreas unbestreitbar der Erste und Größte aller Maler nordisch, heimathlicher Natur, Oswald der des italienischen Südens mit seiner heißeren Sonne und dem zarteren, magischeren, farbenreicheren Zauber seiner Lüfte- Jener hat außer einem erstaunlichen Secbilde, dem Ausfluß der Scheide bei Vliessingen, eine niederdeutsche Landschaft im Herbststurm ausgestellt, die ihm jenen Rang unter den Zeitgenossen einräumen müßte, wenn er nicht schon längst der seine wäre. Es ist die mächtige Gesundheit in der Auffassung einer doch eigentlich tief melancholischen Naturstimmung, das fast Heroische in der Schil¬ derung ganz einfacher mit keinem stolzen Reiz prangender heimischer Land¬ schaft, und die höchste, reifste Meisterschaft der Malerei darin, was dem Bilde seinen imponirenden Eindruck giebt. Einfluß und Beispiel dieses Meisters läßt sich mehr oder weniger direct in einer großen Zahl von Malern nordeuropäischer Landschaft erkennen. Am entschiedensten in dem trefflichen Deiters. dessen »westfälisches Dorf" durch nah verwandte künstlerische Eigenschaften ausgezeich- net ist. Ludecke. Genschow sind außerdem von diesen eigentlichen Dorfmalern zu nennen. Wald und Haide finden an A. Weber, P.ortmann, Max Schmidt, Pape, Engelhard t, Ruths die begabtesten Darsteller. In den Werken des ersten ist es die Traulichkeit der deutschen Waldnatur und die bei etwas stumpfem Colorit immer wahrhaft gediegene Malerei, was ihnen den großen Reiz verleiht. Portmann bringt durch Gewitter und einschlagenden 44»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/351>, abgerufen am 22.07.2024.