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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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sitz unter dem übergespannten Zeltdach für die kurzen Tage eines Jahrmarkts
aufschlägt. Die malerische Kunst ist zunächst zu bewundern, mit welcher das
halb verhüllte und gedämpfte Tageslicht im Bilde durchgeführt ist, das eben
durch dieses leinene Dach erzeugt wird; nicht minder freilich die Darstellung
der menschlichen und thierischen Persönlichkeiten, wie des wunderlichen Schau¬
platzes mit seinen Kästgen und sonstigem Menageriemventarium, worüber eben
dieses Helldunkel ausgebreitet ist. Eine ganz köstliche Gesellschaft auserlesener,
kenntnißbegieriger Kleinstädter hat sich um den "Erklärer" versammelt, der von
seinem Kistenvvstament herab die furchtbaren Eigenschaften der große" Riesen-
schlange Predigt, welche er sich zum Staunen seines Publicums um Hals und
Leib gewickelt hat. In diesem Zuhörerkreise wird der Knabe einer jungen
Bäuerin heftig erschreckt durch einen Pelikan, der maschiiienartig seinen unge¬
heuren Schnabel aufklappt, als wollte er mit der Brezel den Besitzer derselben
zugleich verschlingen. Dromedar und Löwe, Affen und Papageien zur ebnen
Erde und oben am Gerüst, nahe der luftigen Decke, beleben den ganzen Schau¬
platz mit charakteristischen Bewohnern und sind mit derselben in das innerste
Wesen der natürlichen Bildung eindringenden Gestaltungskunst auf die Lein--
wand gebracht, wie jene Menschen, die sich dort ihrer wundern.

Paul Meyerheim kommt an Vielseitigkeit des Könnens wie an technischer Leich¬
tigkeit der talentvolle Charles Hoguet zum Mindesten gleich. Nur ist ihm weit
weniger Selbstverleugnung gegeben, als ersterem. Die außerordentliche Bntuofität
des Mächens und eine daraus hervorgegangene sehr bestimmte und immer wieder¬
kehrende persönliche Manier geben allen seinen Bildern, wie verschieden auch die
gewählten Gegenstände sind, eine große Ebenmäßigkeit des Aussehens. Landschaften,
Seestücke. Architekturen, Thierbilder, Stillleben malt er mit derselben erstaun¬
lichen Leichtigkeit, mit derselben Kraft einer glänzenden Wirkung. Seine "auf¬
fliegenden Wildenten", seine "Küche" und "Speisekammer" machen sich in dieser
Hinsicht besonders geltend. Letzteres Bild, >n der Malerei "todter Natur" das
vollendetste dieser Ausstellung, zeigt den Künstler selbst in der Gestalt jenes mit
köstlicher Laune gemalten grinsend lachenden Kochs, der die Pastete in Form
eines Fasanen auf der Schüssel trägt.

Die Thiermalerei, seit sie der verewigte Schmitson durch die wahrhaft
geniale Kraft, mit welcher er sich dieses Genres bemächtigte, zu so hohen Ehren
bei uns gebracht, sehen wir aus unsern Ausstellungen eine besonders lebhafte
Beachtung finden und immer noch von tüchtigen Talenten geübt, welche
wie P. Meyerheim, Hoguet und Steffeck dieselbe mehr mit dem Genre,
oder wie Brendel, v. Krockow, Ockel, Hallatz, Voltz mehr mit der
Landschaft in nächsten Zusammenhang bringen. Ste ffeck hat drei sehr hübsche
humoristische Bilder jener Gattung ausgestellt: ein an der Erde sitzendes Kind
von seinem Spielgefährten, dem Hunde, seiner Puppe beraubt, dann eine (Hunde-)


Grenzboten IV. 1864. 44

sitz unter dem übergespannten Zeltdach für die kurzen Tage eines Jahrmarkts
aufschlägt. Die malerische Kunst ist zunächst zu bewundern, mit welcher das
halb verhüllte und gedämpfte Tageslicht im Bilde durchgeführt ist, das eben
durch dieses leinene Dach erzeugt wird; nicht minder freilich die Darstellung
der menschlichen und thierischen Persönlichkeiten, wie des wunderlichen Schau¬
platzes mit seinen Kästgen und sonstigem Menageriemventarium, worüber eben
dieses Helldunkel ausgebreitet ist. Eine ganz köstliche Gesellschaft auserlesener,
kenntnißbegieriger Kleinstädter hat sich um den „Erklärer" versammelt, der von
seinem Kistenvvstament herab die furchtbaren Eigenschaften der große» Riesen-
schlange Predigt, welche er sich zum Staunen seines Publicums um Hals und
Leib gewickelt hat. In diesem Zuhörerkreise wird der Knabe einer jungen
Bäuerin heftig erschreckt durch einen Pelikan, der maschiiienartig seinen unge¬
heuren Schnabel aufklappt, als wollte er mit der Brezel den Besitzer derselben
zugleich verschlingen. Dromedar und Löwe, Affen und Papageien zur ebnen
Erde und oben am Gerüst, nahe der luftigen Decke, beleben den ganzen Schau¬
platz mit charakteristischen Bewohnern und sind mit derselben in das innerste
Wesen der natürlichen Bildung eindringenden Gestaltungskunst auf die Lein--
wand gebracht, wie jene Menschen, die sich dort ihrer wundern.

Paul Meyerheim kommt an Vielseitigkeit des Könnens wie an technischer Leich¬
tigkeit der talentvolle Charles Hoguet zum Mindesten gleich. Nur ist ihm weit
weniger Selbstverleugnung gegeben, als ersterem. Die außerordentliche Bntuofität
des Mächens und eine daraus hervorgegangene sehr bestimmte und immer wieder¬
kehrende persönliche Manier geben allen seinen Bildern, wie verschieden auch die
gewählten Gegenstände sind, eine große Ebenmäßigkeit des Aussehens. Landschaften,
Seestücke. Architekturen, Thierbilder, Stillleben malt er mit derselben erstaun¬
lichen Leichtigkeit, mit derselben Kraft einer glänzenden Wirkung. Seine „auf¬
fliegenden Wildenten", seine „Küche" und „Speisekammer" machen sich in dieser
Hinsicht besonders geltend. Letzteres Bild, >n der Malerei „todter Natur" das
vollendetste dieser Ausstellung, zeigt den Künstler selbst in der Gestalt jenes mit
köstlicher Laune gemalten grinsend lachenden Kochs, der die Pastete in Form
eines Fasanen auf der Schüssel trägt.

Die Thiermalerei, seit sie der verewigte Schmitson durch die wahrhaft
geniale Kraft, mit welcher er sich dieses Genres bemächtigte, zu so hohen Ehren
bei uns gebracht, sehen wir aus unsern Ausstellungen eine besonders lebhafte
Beachtung finden und immer noch von tüchtigen Talenten geübt, welche
wie P. Meyerheim, Hoguet und Steffeck dieselbe mehr mit dem Genre,
oder wie Brendel, v. Krockow, Ockel, Hallatz, Voltz mehr mit der
Landschaft in nächsten Zusammenhang bringen. Ste ffeck hat drei sehr hübsche
humoristische Bilder jener Gattung ausgestellt: ein an der Erde sitzendes Kind
von seinem Spielgefährten, dem Hunde, seiner Puppe beraubt, dann eine (Hunde-)


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[0349] sitz unter dem übergespannten Zeltdach für die kurzen Tage eines Jahrmarkts aufschlägt. Die malerische Kunst ist zunächst zu bewundern, mit welcher das halb verhüllte und gedämpfte Tageslicht im Bilde durchgeführt ist, das eben durch dieses leinene Dach erzeugt wird; nicht minder freilich die Darstellung der menschlichen und thierischen Persönlichkeiten, wie des wunderlichen Schau¬ platzes mit seinen Kästgen und sonstigem Menageriemventarium, worüber eben dieses Helldunkel ausgebreitet ist. Eine ganz köstliche Gesellschaft auserlesener, kenntnißbegieriger Kleinstädter hat sich um den „Erklärer" versammelt, der von seinem Kistenvvstament herab die furchtbaren Eigenschaften der große» Riesen- schlange Predigt, welche er sich zum Staunen seines Publicums um Hals und Leib gewickelt hat. In diesem Zuhörerkreise wird der Knabe einer jungen Bäuerin heftig erschreckt durch einen Pelikan, der maschiiienartig seinen unge¬ heuren Schnabel aufklappt, als wollte er mit der Brezel den Besitzer derselben zugleich verschlingen. Dromedar und Löwe, Affen und Papageien zur ebnen Erde und oben am Gerüst, nahe der luftigen Decke, beleben den ganzen Schau¬ platz mit charakteristischen Bewohnern und sind mit derselben in das innerste Wesen der natürlichen Bildung eindringenden Gestaltungskunst auf die Lein-- wand gebracht, wie jene Menschen, die sich dort ihrer wundern. Paul Meyerheim kommt an Vielseitigkeit des Könnens wie an technischer Leich¬ tigkeit der talentvolle Charles Hoguet zum Mindesten gleich. Nur ist ihm weit weniger Selbstverleugnung gegeben, als ersterem. Die außerordentliche Bntuofität des Mächens und eine daraus hervorgegangene sehr bestimmte und immer wieder¬ kehrende persönliche Manier geben allen seinen Bildern, wie verschieden auch die gewählten Gegenstände sind, eine große Ebenmäßigkeit des Aussehens. Landschaften, Seestücke. Architekturen, Thierbilder, Stillleben malt er mit derselben erstaun¬ lichen Leichtigkeit, mit derselben Kraft einer glänzenden Wirkung. Seine „auf¬ fliegenden Wildenten", seine „Küche" und „Speisekammer" machen sich in dieser Hinsicht besonders geltend. Letzteres Bild, >n der Malerei „todter Natur" das vollendetste dieser Ausstellung, zeigt den Künstler selbst in der Gestalt jenes mit köstlicher Laune gemalten grinsend lachenden Kochs, der die Pastete in Form eines Fasanen auf der Schüssel trägt. Die Thiermalerei, seit sie der verewigte Schmitson durch die wahrhaft geniale Kraft, mit welcher er sich dieses Genres bemächtigte, zu so hohen Ehren bei uns gebracht, sehen wir aus unsern Ausstellungen eine besonders lebhafte Beachtung finden und immer noch von tüchtigen Talenten geübt, welche wie P. Meyerheim, Hoguet und Steffeck dieselbe mehr mit dem Genre, oder wie Brendel, v. Krockow, Ockel, Hallatz, Voltz mehr mit der Landschaft in nächsten Zusammenhang bringen. Ste ffeck hat drei sehr hübsche humoristische Bilder jener Gattung ausgestellt: ein an der Erde sitzendes Kind von seinem Spielgefährten, dem Hunde, seiner Puppe beraubt, dann eine (Hunde-) Grenzboten IV. 1864. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/349>, abgerufen am 22.07.2024.