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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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seine glänzenden malerischen Eigenschaften ein gerechtes Aufsehn gemacht, und
Siegerts aiunulhigc, sauber und zierlich gemalte Genrescenen, -- die ein-
geschlafene Großmutter, das Mädchen am Fenster -- auch ihm diesmal viel
Freunde gewonnen. Im Gegensah zu diesen beiden Künstlern scheut Wisz-
niewski sich nicht, seine Gestalten aus der uns umgebenden modernsten
bürgerlichen Wirklichkeit zu wählen und das sinnige fesselnde Bild, das er
uns' hier giebt, beweist am besten, wie wenig irgendein Costüm den Künstler
hindern kann, wahrhaft poetische und malerische Wirkungen hervorzubringen.
Eduard Meyer heim, der Vater dieses reich begabten Künstlergcschlechts, hat
diesmal nur zwei Bildchen kleinsten Formats ausgestellt: eine junge Bäuerin
oder Taglöhncrfrau ihrem kleine" nacklbcinigen Jungen von der eignen Mahl¬
zeit nuttheilend, und ein Mädchen, von Kaninchen umgeben, Kartoffeln schälend;
beide so frisch und innig empfunden und mit so minutiöser Zierlichkeit durch¬
geführt wie die Arbeiten seiner schönsten Zeit.

Der jüngste Sohn des Meisters, Paul, scheint bestimmt, dem berühmten
Namen einen neuen und noch reichern Glanz zu geben. Bor der Mehrzahl
der Maler hat er die große Vielseitigkeit des Talents voraus. Die menschliche
Gestalt, die Thierwelt, die Landschaft sind ihm gleich geläufig und diese Fähig¬
keit, jedes Reich der Wirklichkeit künstlerisch zu beherrsche", erweitert den Kreis
seiner Anschauung und der Bildstvffe, unter denen er zu wählen vermag, in
seltnem Maße. In der unschätzbaren sorglichen Pflege und Schule seines Va¬
ters hat sich seine große natürliche Begabung auch die für die Farbe und Tech¬
nik der Malerei so gesund, so folgerecht, so tüchtig und se> zeitig entwickelt,
daß eben heute'in verhältnißmäßig großer Jugend diese künstlerischen Mittel be¬
reits zu einer völlig beherrschten Sprache geworden sind, um seine höchst origi¬
nellen, meist echt humoristischen Anschauungen und Ideen darin jedem verständ¬
lich und jedem erfreulich auszudrücken. Der "Ziegenmarkt" und "die Mena¬
gerie" sind seine diesmalige" Hauptbilder, in deren bewundernder Anerkennung
Kunstgenossen. Kritik und Publicum sich durchaus einig zeigten. Der Ziegen¬
markt findet in offner Dorfstraße statt; eine hvchkomische alte Bäuerin, die mit
dem Treiber der Heerde um eins der Thiere feilscht, es gründlich prüfend und
betastend, ein hübsches junges Weib, welches das von ihr gekaufte Vieh am Strick
fortzieht, ein zuschauender Junge, welchem andre Ziegen seine große Sonnen¬
blume "betnabbern", die er hinter sich nachschleppen läßt, die Heerde und ihr
Hirt, alle diese Theile, aus welchen sich das heiterste und lebendigste Ganze
zusammenseht, sind mit der gleichen Wahrheit und Wirklichkeit, mit der gleichen
Laune und mit der gleichen malerischen Kraft und Feinheit zur Darstellung
gebracht. Noch reicher und mannigfaltiger an Inhalt und Erscheinung ist das
Bild der "Menagerie", keiner großstädtisch angesessenen in bequemem, geschloss-
nen Naum, sondern solch einer wie sie in irgendeinem kleinen Nest ihren Wohn-


seine glänzenden malerischen Eigenschaften ein gerechtes Aufsehn gemacht, und
Siegerts aiunulhigc, sauber und zierlich gemalte Genrescenen, — die ein-
geschlafene Großmutter, das Mädchen am Fenster — auch ihm diesmal viel
Freunde gewonnen. Im Gegensah zu diesen beiden Künstlern scheut Wisz-
niewski sich nicht, seine Gestalten aus der uns umgebenden modernsten
bürgerlichen Wirklichkeit zu wählen und das sinnige fesselnde Bild, das er
uns' hier giebt, beweist am besten, wie wenig irgendein Costüm den Künstler
hindern kann, wahrhaft poetische und malerische Wirkungen hervorzubringen.
Eduard Meyer heim, der Vater dieses reich begabten Künstlergcschlechts, hat
diesmal nur zwei Bildchen kleinsten Formats ausgestellt: eine junge Bäuerin
oder Taglöhncrfrau ihrem kleine» nacklbcinigen Jungen von der eignen Mahl¬
zeit nuttheilend, und ein Mädchen, von Kaninchen umgeben, Kartoffeln schälend;
beide so frisch und innig empfunden und mit so minutiöser Zierlichkeit durch¬
geführt wie die Arbeiten seiner schönsten Zeit.

Der jüngste Sohn des Meisters, Paul, scheint bestimmt, dem berühmten
Namen einen neuen und noch reichern Glanz zu geben. Bor der Mehrzahl
der Maler hat er die große Vielseitigkeit des Talents voraus. Die menschliche
Gestalt, die Thierwelt, die Landschaft sind ihm gleich geläufig und diese Fähig¬
keit, jedes Reich der Wirklichkeit künstlerisch zu beherrsche», erweitert den Kreis
seiner Anschauung und der Bildstvffe, unter denen er zu wählen vermag, in
seltnem Maße. In der unschätzbaren sorglichen Pflege und Schule seines Va¬
ters hat sich seine große natürliche Begabung auch die für die Farbe und Tech¬
nik der Malerei so gesund, so folgerecht, so tüchtig und se> zeitig entwickelt,
daß eben heute'in verhältnißmäßig großer Jugend diese künstlerischen Mittel be¬
reits zu einer völlig beherrschten Sprache geworden sind, um seine höchst origi¬
nellen, meist echt humoristischen Anschauungen und Ideen darin jedem verständ¬
lich und jedem erfreulich auszudrücken. Der „Ziegenmarkt" und „die Mena¬
gerie" sind seine diesmalige» Hauptbilder, in deren bewundernder Anerkennung
Kunstgenossen. Kritik und Publicum sich durchaus einig zeigten. Der Ziegen¬
markt findet in offner Dorfstraße statt; eine hvchkomische alte Bäuerin, die mit
dem Treiber der Heerde um eins der Thiere feilscht, es gründlich prüfend und
betastend, ein hübsches junges Weib, welches das von ihr gekaufte Vieh am Strick
fortzieht, ein zuschauender Junge, welchem andre Ziegen seine große Sonnen¬
blume „betnabbern", die er hinter sich nachschleppen läßt, die Heerde und ihr
Hirt, alle diese Theile, aus welchen sich das heiterste und lebendigste Ganze
zusammenseht, sind mit der gleichen Wahrheit und Wirklichkeit, mit der gleichen
Laune und mit der gleichen malerischen Kraft und Feinheit zur Darstellung
gebracht. Noch reicher und mannigfaltiger an Inhalt und Erscheinung ist das
Bild der „Menagerie", keiner großstädtisch angesessenen in bequemem, geschloss-
nen Naum, sondern solch einer wie sie in irgendeinem kleinen Nest ihren Wohn-


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[0348] seine glänzenden malerischen Eigenschaften ein gerechtes Aufsehn gemacht, und Siegerts aiunulhigc, sauber und zierlich gemalte Genrescenen, — die ein- geschlafene Großmutter, das Mädchen am Fenster — auch ihm diesmal viel Freunde gewonnen. Im Gegensah zu diesen beiden Künstlern scheut Wisz- niewski sich nicht, seine Gestalten aus der uns umgebenden modernsten bürgerlichen Wirklichkeit zu wählen und das sinnige fesselnde Bild, das er uns' hier giebt, beweist am besten, wie wenig irgendein Costüm den Künstler hindern kann, wahrhaft poetische und malerische Wirkungen hervorzubringen. Eduard Meyer heim, der Vater dieses reich begabten Künstlergcschlechts, hat diesmal nur zwei Bildchen kleinsten Formats ausgestellt: eine junge Bäuerin oder Taglöhncrfrau ihrem kleine» nacklbcinigen Jungen von der eignen Mahl¬ zeit nuttheilend, und ein Mädchen, von Kaninchen umgeben, Kartoffeln schälend; beide so frisch und innig empfunden und mit so minutiöser Zierlichkeit durch¬ geführt wie die Arbeiten seiner schönsten Zeit. Der jüngste Sohn des Meisters, Paul, scheint bestimmt, dem berühmten Namen einen neuen und noch reichern Glanz zu geben. Bor der Mehrzahl der Maler hat er die große Vielseitigkeit des Talents voraus. Die menschliche Gestalt, die Thierwelt, die Landschaft sind ihm gleich geläufig und diese Fähig¬ keit, jedes Reich der Wirklichkeit künstlerisch zu beherrsche», erweitert den Kreis seiner Anschauung und der Bildstvffe, unter denen er zu wählen vermag, in seltnem Maße. In der unschätzbaren sorglichen Pflege und Schule seines Va¬ ters hat sich seine große natürliche Begabung auch die für die Farbe und Tech¬ nik der Malerei so gesund, so folgerecht, so tüchtig und se> zeitig entwickelt, daß eben heute'in verhältnißmäßig großer Jugend diese künstlerischen Mittel be¬ reits zu einer völlig beherrschten Sprache geworden sind, um seine höchst origi¬ nellen, meist echt humoristischen Anschauungen und Ideen darin jedem verständ¬ lich und jedem erfreulich auszudrücken. Der „Ziegenmarkt" und „die Mena¬ gerie" sind seine diesmalige» Hauptbilder, in deren bewundernder Anerkennung Kunstgenossen. Kritik und Publicum sich durchaus einig zeigten. Der Ziegen¬ markt findet in offner Dorfstraße statt; eine hvchkomische alte Bäuerin, die mit dem Treiber der Heerde um eins der Thiere feilscht, es gründlich prüfend und betastend, ein hübsches junges Weib, welches das von ihr gekaufte Vieh am Strick fortzieht, ein zuschauender Junge, welchem andre Ziegen seine große Sonnen¬ blume „betnabbern", die er hinter sich nachschleppen läßt, die Heerde und ihr Hirt, alle diese Theile, aus welchen sich das heiterste und lebendigste Ganze zusammenseht, sind mit der gleichen Wahrheit und Wirklichkeit, mit der gleichen Laune und mit der gleichen malerischen Kraft und Feinheit zur Darstellung gebracht. Noch reicher und mannigfaltiger an Inhalt und Erscheinung ist das Bild der „Menagerie", keiner großstädtisch angesessenen in bequemem, geschloss- nen Naum, sondern solch einer wie sie in irgendeinem kleinen Nest ihren Wohn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/348>, abgerufen am 22.07.2024.