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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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welche wir den Tafeln zur Statistik der östreichischen Monarchie entlehnen. Da
dieselben von der k. k. statistischen Centralcommission in Wien herausgegeben
sind, haben sie den Werth officieller Urkunden, können also nicht angefochten
werden. Hier die Tabelle:



Sonach hat das kleine Tirol und Vorarlberg mit 509 Quadratmeilen und
850,000 Einwohnern über 2'/- (schreibe dritthalb) Tausend Säcularkleriker,
über zwölfhundert Mönche und über tausend Nonnen. Diese geistliche Armee
muß ein armes Ländchen ernähren, dessen Einwohner ohne Verdienst in der
Fremde gar nicht leben konnten. Tirol nimmt an absoluter Zahl seines Säcular-
tlerus unter den deutsch-slavischen Kronländern den dritten Rang, mit seinen
Mönchen den zweiten Rang ein und übertrifft mit der Zahl der Nonnen alle
übrigen, ja es hat mehr Nonnen, als die beiden größten deutsch-slavischen Kron¬
länder Böhmen und Galizien zusammen, während es an absoluter Anzahl der
Bevölkerung unter diesen Kronia'übern' erst den sechsten Platz einnimmt. In
relativer Beziehung kommt ihm wohl kein anderes Kronland bezüglich seines
Klerus auch nur nahe. In Tirol und Vorarlberg kommt auf je 220 Ein¬
wohner ein Säcular- oder Negulartleriker und rechnet man die Nonnen hinzu,
auf je 170 Einwohner eine geistliche Person! Somit gehört mehr als Pro-
cent unserer Bevölkerung dem geistlichen Stande an. Ist es nicht die abge¬
schmackteste Komödie, daß man dennoch in Tirol über Mangel an Geistlichen
klagt? Vielleicht dürfen in Zukunft die Ehen nur mit dem Vorbehalt geschlossen
werden, alle Kinder in schwarze Röcke oder Kutten zu stecken!

Das sind unumstößliche Zahlen der Statistik; ihre Tabellen geben jedoch
nichts über den Zustand der Bildung und Sittlichkeit. Fromme Priester be¬
haupten geradezu, es sei vom Uebel, wenn der Bauer mehr wisse als den Ka¬
techismus. Ein Offizier, der die Rekruten prüfte, gab uns höchst sonderbare


welche wir den Tafeln zur Statistik der östreichischen Monarchie entlehnen. Da
dieselben von der k. k. statistischen Centralcommission in Wien herausgegeben
sind, haben sie den Werth officieller Urkunden, können also nicht angefochten
werden. Hier die Tabelle:



Sonach hat das kleine Tirol und Vorarlberg mit 509 Quadratmeilen und
850,000 Einwohnern über 2'/- (schreibe dritthalb) Tausend Säcularkleriker,
über zwölfhundert Mönche und über tausend Nonnen. Diese geistliche Armee
muß ein armes Ländchen ernähren, dessen Einwohner ohne Verdienst in der
Fremde gar nicht leben konnten. Tirol nimmt an absoluter Zahl seines Säcular-
tlerus unter den deutsch-slavischen Kronländern den dritten Rang, mit seinen
Mönchen den zweiten Rang ein und übertrifft mit der Zahl der Nonnen alle
übrigen, ja es hat mehr Nonnen, als die beiden größten deutsch-slavischen Kron¬
länder Böhmen und Galizien zusammen, während es an absoluter Anzahl der
Bevölkerung unter diesen Kronia'übern' erst den sechsten Platz einnimmt. In
relativer Beziehung kommt ihm wohl kein anderes Kronland bezüglich seines
Klerus auch nur nahe. In Tirol und Vorarlberg kommt auf je 220 Ein¬
wohner ein Säcular- oder Negulartleriker und rechnet man die Nonnen hinzu,
auf je 170 Einwohner eine geistliche Person! Somit gehört mehr als Pro-
cent unserer Bevölkerung dem geistlichen Stande an. Ist es nicht die abge¬
schmackteste Komödie, daß man dennoch in Tirol über Mangel an Geistlichen
klagt? Vielleicht dürfen in Zukunft die Ehen nur mit dem Vorbehalt geschlossen
werden, alle Kinder in schwarze Röcke oder Kutten zu stecken!

Das sind unumstößliche Zahlen der Statistik; ihre Tabellen geben jedoch
nichts über den Zustand der Bildung und Sittlichkeit. Fromme Priester be¬
haupten geradezu, es sei vom Uebel, wenn der Bauer mehr wisse als den Ka¬
techismus. Ein Offizier, der die Rekruten prüfte, gab uns höchst sonderbare


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[0340] welche wir den Tafeln zur Statistik der östreichischen Monarchie entlehnen. Da dieselben von der k. k. statistischen Centralcommission in Wien herausgegeben sind, haben sie den Werth officieller Urkunden, können also nicht angefochten werden. Hier die Tabelle: Länder. Mönche schen SiicnlarllcruS. .Nonnen. Niederöstreich 1326 1232752 Oberöstreich 733 442296 Salzburg 331 125261 Steiermark 1182 616329 Kärnten ö28 190105 Jstrien 908 17778 Tirol und Vorarlberg 2660!! 1224!!1032!! Böhmen 3581 1128492 Mähren 1670 345210 Schlesien 282 36134 Galizien 3928 736513 Bukowina 68 60 Sonach hat das kleine Tirol und Vorarlberg mit 509 Quadratmeilen und 850,000 Einwohnern über 2'/- (schreibe dritthalb) Tausend Säcularkleriker, über zwölfhundert Mönche und über tausend Nonnen. Diese geistliche Armee muß ein armes Ländchen ernähren, dessen Einwohner ohne Verdienst in der Fremde gar nicht leben konnten. Tirol nimmt an absoluter Zahl seines Säcular- tlerus unter den deutsch-slavischen Kronländern den dritten Rang, mit seinen Mönchen den zweiten Rang ein und übertrifft mit der Zahl der Nonnen alle übrigen, ja es hat mehr Nonnen, als die beiden größten deutsch-slavischen Kron¬ länder Böhmen und Galizien zusammen, während es an absoluter Anzahl der Bevölkerung unter diesen Kronia'übern' erst den sechsten Platz einnimmt. In relativer Beziehung kommt ihm wohl kein anderes Kronland bezüglich seines Klerus auch nur nahe. In Tirol und Vorarlberg kommt auf je 220 Ein¬ wohner ein Säcular- oder Negulartleriker und rechnet man die Nonnen hinzu, auf je 170 Einwohner eine geistliche Person! Somit gehört mehr als Pro- cent unserer Bevölkerung dem geistlichen Stande an. Ist es nicht die abge¬ schmackteste Komödie, daß man dennoch in Tirol über Mangel an Geistlichen klagt? Vielleicht dürfen in Zukunft die Ehen nur mit dem Vorbehalt geschlossen werden, alle Kinder in schwarze Röcke oder Kutten zu stecken! Das sind unumstößliche Zahlen der Statistik; ihre Tabellen geben jedoch nichts über den Zustand der Bildung und Sittlichkeit. Fromme Priester be¬ haupten geradezu, es sei vom Uebel, wenn der Bauer mehr wisse als den Ka¬ techismus. Ein Offizier, der die Rekruten prüfte, gab uns höchst sonderbare

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/340>, abgerufen am 22.07.2024.