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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ausbruch der Revolution zu dieser über. Die Soldaten folgten ihnen zum
Theil dorthin, die Masse verlief sich und wer seiner Fahne treu bleiben wollte,
mußte sich einzeln durch die Sklavenstaaten nach dem Norden durcharbeiten. Die
alte Armee konnte also keinen Stamm zu Neuformationen abgeben, es war
vielmehr eine Neubildung in allen Theilen nothwendig; selbst für Führerstellen
standen nur wenige Elemente zu Gebote, welche Vertrauen erwecken konnten.
Die Militärakademie der Vereinigten Staaten in Westpoint, die für das
stehende Heer die Offiziere geliefert hatte, war eigentlich nur von solchen jungen
Leuten besucht worden, welche den aristokratischen Familien angehörten. All¬
jährlich traten 40 Zöglinge aus der Anstalt in die'Armee; die aus dem Süden
blieben in der Regel in derselben, die vom Norden aber gingen gewöhnlich
nach einiger Zeit als Civilingenieurc ins Privatleben über. -- Beim Ausbruch
der Revolution gehörten die activen Offiziere deshalb zum größten Theil dem
Süden an, während der Norden seine früheren Westpvintschüler aus ihren
Privatstellen entnahm; so war z. B. Mac Clellan zur Zeit Eisenbahnbeamter.
Für beide Armeen bildeten die Westpointschüler das gesuchteste und beste Ma¬
terial. Im Norden, dem die militärischen Elemente noch mehr fehlen als dem
Süden, kamen sie mehr zur Geltung als bei den Gegnern. Die offizielle Liste
der Armee für 1863 führt bei der Nordarmee 275 Generale auf, von denen
93 nicht aus der Akademie hervorgegangen sind, während die Südarmee 134
Generale angiebt, von denen 35 nicht in Westpoint erzogen waren. In der Nord¬
armee gehören zu diesen letzteren aus der Zahl der bekannteren Namen Fre-
mont, Summer, Banks, Butter, Sigel und Blenker; von der Südarmee aber
keiner. -- Neben der regulären Armee bestand in der Union eine Milizarmee,
welche von den einzelnen Staaten zu stellen war und deren Offiziere durch
Wahl der Mannschaft ernannt wurden. Diese Miliz hatte bis dahin bei Fest¬
lichkeiten gedient und nur in dem Kriege gegen Mexiko ein Truppcncvrps ins
Feld gestellt. Die Erfolge jenes Feldzugs verdankte die Union den Regularen;
die Miliz bildete vielmehr den Schrecken ihrer Führer und der ruhigen Be¬
wohner des Landes; der Ruhm der Campagne siel aber nichts desto weniger
der Miliz und ihren Führern zu. Aus diese griff man denn auch jetzt zurück
und der greise General Scott erhielt den Auftrag zur Bildung und Führung
des Nordheeres.

Anders bei der Armee der Südstaaten. Die Führer derselben hatten bei
ihrem letzten Siege in der Präsidentenwahl 1856 bereits die Gefahr erkannt,
welche ihrer Gewalt durch die republikanische Partei drohte und faßten 1860
für den Fall einer Niederlage den Beschluß, sich vom Norden zu trennen.
Als gute Staatsmänner wußten sie, daß zur Durchführung dieses Zwecks ein
Heer gehörte. Sie hatten deshalb die letzten vier Jahre ihrer Macht benutzt,
einerseits um die militärischen Kräfte der Union dem Süden zuzuwenden und


Grenjboten IV. 1864. 42

Ausbruch der Revolution zu dieser über. Die Soldaten folgten ihnen zum
Theil dorthin, die Masse verlief sich und wer seiner Fahne treu bleiben wollte,
mußte sich einzeln durch die Sklavenstaaten nach dem Norden durcharbeiten. Die
alte Armee konnte also keinen Stamm zu Neuformationen abgeben, es war
vielmehr eine Neubildung in allen Theilen nothwendig; selbst für Führerstellen
standen nur wenige Elemente zu Gebote, welche Vertrauen erwecken konnten.
Die Militärakademie der Vereinigten Staaten in Westpoint, die für das
stehende Heer die Offiziere geliefert hatte, war eigentlich nur von solchen jungen
Leuten besucht worden, welche den aristokratischen Familien angehörten. All¬
jährlich traten 40 Zöglinge aus der Anstalt in die'Armee; die aus dem Süden
blieben in der Regel in derselben, die vom Norden aber gingen gewöhnlich
nach einiger Zeit als Civilingenieurc ins Privatleben über. — Beim Ausbruch
der Revolution gehörten die activen Offiziere deshalb zum größten Theil dem
Süden an, während der Norden seine früheren Westpvintschüler aus ihren
Privatstellen entnahm; so war z. B. Mac Clellan zur Zeit Eisenbahnbeamter.
Für beide Armeen bildeten die Westpointschüler das gesuchteste und beste Ma¬
terial. Im Norden, dem die militärischen Elemente noch mehr fehlen als dem
Süden, kamen sie mehr zur Geltung als bei den Gegnern. Die offizielle Liste
der Armee für 1863 führt bei der Nordarmee 275 Generale auf, von denen
93 nicht aus der Akademie hervorgegangen sind, während die Südarmee 134
Generale angiebt, von denen 35 nicht in Westpoint erzogen waren. In der Nord¬
armee gehören zu diesen letzteren aus der Zahl der bekannteren Namen Fre-
mont, Summer, Banks, Butter, Sigel und Blenker; von der Südarmee aber
keiner. — Neben der regulären Armee bestand in der Union eine Milizarmee,
welche von den einzelnen Staaten zu stellen war und deren Offiziere durch
Wahl der Mannschaft ernannt wurden. Diese Miliz hatte bis dahin bei Fest¬
lichkeiten gedient und nur in dem Kriege gegen Mexiko ein Truppcncvrps ins
Feld gestellt. Die Erfolge jenes Feldzugs verdankte die Union den Regularen;
die Miliz bildete vielmehr den Schrecken ihrer Führer und der ruhigen Be¬
wohner des Landes; der Ruhm der Campagne siel aber nichts desto weniger
der Miliz und ihren Führern zu. Aus diese griff man denn auch jetzt zurück
und der greise General Scott erhielt den Auftrag zur Bildung und Führung
des Nordheeres.

Anders bei der Armee der Südstaaten. Die Führer derselben hatten bei
ihrem letzten Siege in der Präsidentenwahl 1856 bereits die Gefahr erkannt,
welche ihrer Gewalt durch die republikanische Partei drohte und faßten 1860
für den Fall einer Niederlage den Beschluß, sich vom Norden zu trennen.
Als gute Staatsmänner wußten sie, daß zur Durchführung dieses Zwecks ein
Heer gehörte. Sie hatten deshalb die letzten vier Jahre ihrer Macht benutzt,
einerseits um die militärischen Kräfte der Union dem Süden zuzuwenden und


Grenjboten IV. 1864. 42
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/333>, abgerufen am 22.07.2024.