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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Farbe bekennen, und wenn Einzelne dies in dankenswerter Weise gethan
haben, der Verein als solcher hat es nicht gethan.. Um älter zu werden,
hat er sich zu verjüngen verschmäht, und schließlich ist er auseinandergegangen
mit einstimmigen Beschlüssen, aber so disparaten Elementen, daß man sich wun¬
dert, wie viel Köpfe unter einen Hut gehen. Er lavirt, um sich für bessere
Zeiten zu erhalten; wenn die besseren Zeiten aber da sind, wozu brauchen wir
dann den Nationalverein?

Wir wollen nicht ungerecht sein. Die aus Eitelkeit geborene Agitation
eines süddeutschen Schöngeistes hat er s.ä -rbsuräuill geführt, und den un¬
geschminkten Particularismus, den ein ehrlicher Holste in aller Einfalt pre¬
digte, hat er kühl bei Seite geschoben. Aber was ist das Großes? Was
er beschlossen hat, konnte trotzdem ein ehrlicher Reformvereinler auch be¬
schließen.

Denn daß eine deutsche Flotte noch nicht existirt, wohl aber eine preußische,
daß, wohl oder übel, Preußen verstattet werden muß, die deutsche Nordküste
zu schützen, daß die maritimen Hilfsmittel der Herzogthümer diesem nationalen
Zwecke zur Verfügung gestellt werden müssen, -- wer, von einigen verrannten
Particularisten abgesehen, hat den Muth es zu leugnen? Mit sauersüßem Ge¬
sicht mögen es Manche zugestehen, Manche auch nur. weil doch nichts daran
zu ändern ist, aber wo Ehre und Scham und nationales Empfinden lebendig
sind, wird es da bestritten? Der Kampf fängt erst an, wo die Frage des
maritimen Anschlusses aufhört,

Wohl, wirst man ein, so hat der Verein doch einer einmüthigen Meinung
Ausdruck gegeben; und ist denn der maritime Anschluß nicht auch die Haupt¬
sache? Mit Verlaub. Vereine gründet man nicht, um Meinungen zu constatiren,
sondern um für Meinungen Propaganda zu machen. Und zugegeben, daß die
andern Anschluhfragen verhältnismäßig unbedeutend sind, nicht daß man davon
nicht gesprochen hat, wird getadelt, sondern daß man beschlossen hat, nicht da¬
von zu sprechen.

Und im Nationalverein! Da er zum ersten Mal thatsächliche Gelegenheit
hat, für sein eigenstes Programm in die Schranken zu treten, ändert er sein
Programm. Bis auf bessere Zeiten, sagt man uns Mieder. Wir aber meinen:
wenn bessere Zeiten kommen. -- der Nationalverein kann seine Hände in Un¬
schuld waschen, er hat sie nicht heraufgeführt.

Aber Bismarck! das ist die große Beschwörungsformel, die uns entgegen¬
gehalten wird. Nun denn, jeder möge sich erinnern, wie oft er in den Literatur¬
geschichten gelesen hat, Friedrich der Große sei ein wichtiges Moment für die
Erhebung unserer deutschen Literatur zu classischer Höhe gewesen. Wir wollen
den großen König nicht durch einen Vergleich mit dem gegenwärtigen preußischen
Ministerpräsidenten erniedrigen; aber das Eine wird man uns zugestehen müssen:


Farbe bekennen, und wenn Einzelne dies in dankenswerter Weise gethan
haben, der Verein als solcher hat es nicht gethan.. Um älter zu werden,
hat er sich zu verjüngen verschmäht, und schließlich ist er auseinandergegangen
mit einstimmigen Beschlüssen, aber so disparaten Elementen, daß man sich wun¬
dert, wie viel Köpfe unter einen Hut gehen. Er lavirt, um sich für bessere
Zeiten zu erhalten; wenn die besseren Zeiten aber da sind, wozu brauchen wir
dann den Nationalverein?

Wir wollen nicht ungerecht sein. Die aus Eitelkeit geborene Agitation
eines süddeutschen Schöngeistes hat er s.ä -rbsuräuill geführt, und den un¬
geschminkten Particularismus, den ein ehrlicher Holste in aller Einfalt pre¬
digte, hat er kühl bei Seite geschoben. Aber was ist das Großes? Was
er beschlossen hat, konnte trotzdem ein ehrlicher Reformvereinler auch be¬
schließen.

Denn daß eine deutsche Flotte noch nicht existirt, wohl aber eine preußische,
daß, wohl oder übel, Preußen verstattet werden muß, die deutsche Nordküste
zu schützen, daß die maritimen Hilfsmittel der Herzogthümer diesem nationalen
Zwecke zur Verfügung gestellt werden müssen, — wer, von einigen verrannten
Particularisten abgesehen, hat den Muth es zu leugnen? Mit sauersüßem Ge¬
sicht mögen es Manche zugestehen, Manche auch nur. weil doch nichts daran
zu ändern ist, aber wo Ehre und Scham und nationales Empfinden lebendig
sind, wird es da bestritten? Der Kampf fängt erst an, wo die Frage des
maritimen Anschlusses aufhört,

Wohl, wirst man ein, so hat der Verein doch einer einmüthigen Meinung
Ausdruck gegeben; und ist denn der maritime Anschluß nicht auch die Haupt¬
sache? Mit Verlaub. Vereine gründet man nicht, um Meinungen zu constatiren,
sondern um für Meinungen Propaganda zu machen. Und zugegeben, daß die
andern Anschluhfragen verhältnismäßig unbedeutend sind, nicht daß man davon
nicht gesprochen hat, wird getadelt, sondern daß man beschlossen hat, nicht da¬
von zu sprechen.

Und im Nationalverein! Da er zum ersten Mal thatsächliche Gelegenheit
hat, für sein eigenstes Programm in die Schranken zu treten, ändert er sein
Programm. Bis auf bessere Zeiten, sagt man uns Mieder. Wir aber meinen:
wenn bessere Zeiten kommen. — der Nationalverein kann seine Hände in Un¬
schuld waschen, er hat sie nicht heraufgeführt.

Aber Bismarck! das ist die große Beschwörungsformel, die uns entgegen¬
gehalten wird. Nun denn, jeder möge sich erinnern, wie oft er in den Literatur¬
geschichten gelesen hat, Friedrich der Große sei ein wichtiges Moment für die
Erhebung unserer deutschen Literatur zu classischer Höhe gewesen. Wir wollen
den großen König nicht durch einen Vergleich mit dem gegenwärtigen preußischen
Ministerpräsidenten erniedrigen; aber das Eine wird man uns zugestehen müssen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/320>, abgerufen am 01.07.2024.