Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.in die Sphäre der niedern Politik eingereiht werde", so ist dies doch eine einsei¬ Auch in Betreff des zweiten Theils, der "die Thatsachen der Natur, der 37*
in die Sphäre der niedern Politik eingereiht werde», so ist dies doch eine einsei¬ Auch in Betreff des zweiten Theils, der „die Thatsachen der Natur, der 37*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189919"/> <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> in die Sphäre der niedern Politik eingereiht werde», so ist dies doch eine einsei¬<lb/> tige Auffassung und zwar aus zwei Gründen: 1) gehört die Gesetzgebung nicht<lb/> ausschließlich der Sphäre der niederen Politik an, und 2) beschränkt sich die<lb/> Wirksamkeit der Kammern keineswegs auf die Gesetzgebung, sie greift vielmehr,<lb/> nicht aus Anmaßung, sondern der Natur der Dinge nach vielfach in Gebiete<lb/> über, die unzweifelhaft der höhern Politik angehören, wie der Herr Verfasser<lb/> selbst anzuerkennen scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> Auch in Betreff des zweiten Theils, der „die Thatsachen der Natur, der<lb/> Geschichte und der gegenwärtigen Weltlage als Bedingungen und Bewegaründe<lb/> der Politik", also das ganze Gebiet der Machtfrage und realen Verhältnisse be¬<lb/> handelt, haben wir im Allgemeinen dasselbe zu bemerken. Es werden hier zu¬<lb/> nächst die Verhältnisse besprochen, die sich aus den mannigfachen, nothwendigen<lb/> Ungleichheiten der menschlichen Gesellschaft ergeben, die Verschiedenheiten nach<lb/> Stand, Vermögen. Race, Nationalität. Auch in Betreff dieser allgemeinen Be¬<lb/> trachtungen sei daher noch bemerkt, daß der Verfasser zum Theil nicht ohne<lb/> Einsicht und Erfolg bemüht ist. widerstrebende Ansichten zu vermitteln, und dem<lb/> Radikalismus der Ideen, der aus einer einseitigen Auffassung der Dinge ent¬<lb/> springt, die Realität der Verhältnisse entgegenzustellen, freilich ohne daß es<lb/> ihm gelungen ist, sich selbst von Einseitigkeiten frei zu halten. So, um eine<lb/> gelegentliche Bemerkung, die weniger an sich als wegen der von ihr gemach¬<lb/> ten Anwendung charakteristisch ist. als Beispiel anzuführen, beschränkt Fröbel<lb/> den Satz: „Wissen ist Macht" durch den Zusatz: „aber die Vielwisserei kann einen<lb/> Staat zu Grunde richt««." Der Bemerkung liegt der richtige Gedanke zu<lb/> Grunde, daß ein einseitiges Vorwiegen ästhetischer Interessen oder philoso¬<lb/> phischer Reflexion und Grübelei in einer Nation ein Zeichen anormaler Zu¬<lb/> stände ist; unrichtig ist aber, daß derartige Bildungserscheinungen die Ursachen<lb/> des Verfalles sind; sie sind vielmehr Symptome einer innern Krankheit des<lb/> Staatskörpers, und der Staatsmann, der, statt eine andere Art der Thätigkeit<lb/> zu beleben, nur in negativer Weise den Uebertreibungen der Cultur in gewissen<lb/> Richtungen entgegenarbeiten wollte, würde gerade so verfahren, wie der Arzt,<lb/> der die Heilung einer Krankheit von einem Unterdrücken der Symptome erwar¬<lb/> tet. Die nun folgende Anwendung des Satzes ist natürlich gegen Preußen<lb/> gerichtet. Preußen ist der Kerl, der speculirt und der den Weg aus der dürren<lb/> Haide nicht herauszufinden weiß. „Die eigenthümliche Unfruchtbarkeit und Ge¬<lb/> haltlosigkeit der preußischen Politik ist nur ein Ausdruck der unfruchtbaren spe¬<lb/> kulativen Richtung der preußischen Politik überhaupt." Schließlich äußert sich<lb/> Fröbel dahin: Man müßte das gesammte preußische Erziehungswesen vom<lb/> Staate emancipiren und dem Privatleben übergeben, wenn das Uebel schnell<lb/> und gründlich geheilt werden sollte. Wir fürchten leider, daß selbst diese he¬<lb/> roische Cur nicht die gewünschten Früchte bringen würde. Doch genug von</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 37*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
in die Sphäre der niedern Politik eingereiht werde», so ist dies doch eine einsei¬
tige Auffassung und zwar aus zwei Gründen: 1) gehört die Gesetzgebung nicht
ausschließlich der Sphäre der niederen Politik an, und 2) beschränkt sich die
Wirksamkeit der Kammern keineswegs auf die Gesetzgebung, sie greift vielmehr,
nicht aus Anmaßung, sondern der Natur der Dinge nach vielfach in Gebiete
über, die unzweifelhaft der höhern Politik angehören, wie der Herr Verfasser
selbst anzuerkennen scheint.
Auch in Betreff des zweiten Theils, der „die Thatsachen der Natur, der
Geschichte und der gegenwärtigen Weltlage als Bedingungen und Bewegaründe
der Politik", also das ganze Gebiet der Machtfrage und realen Verhältnisse be¬
handelt, haben wir im Allgemeinen dasselbe zu bemerken. Es werden hier zu¬
nächst die Verhältnisse besprochen, die sich aus den mannigfachen, nothwendigen
Ungleichheiten der menschlichen Gesellschaft ergeben, die Verschiedenheiten nach
Stand, Vermögen. Race, Nationalität. Auch in Betreff dieser allgemeinen Be¬
trachtungen sei daher noch bemerkt, daß der Verfasser zum Theil nicht ohne
Einsicht und Erfolg bemüht ist. widerstrebende Ansichten zu vermitteln, und dem
Radikalismus der Ideen, der aus einer einseitigen Auffassung der Dinge ent¬
springt, die Realität der Verhältnisse entgegenzustellen, freilich ohne daß es
ihm gelungen ist, sich selbst von Einseitigkeiten frei zu halten. So, um eine
gelegentliche Bemerkung, die weniger an sich als wegen der von ihr gemach¬
ten Anwendung charakteristisch ist. als Beispiel anzuführen, beschränkt Fröbel
den Satz: „Wissen ist Macht" durch den Zusatz: „aber die Vielwisserei kann einen
Staat zu Grunde richt««." Der Bemerkung liegt der richtige Gedanke zu
Grunde, daß ein einseitiges Vorwiegen ästhetischer Interessen oder philoso¬
phischer Reflexion und Grübelei in einer Nation ein Zeichen anormaler Zu¬
stände ist; unrichtig ist aber, daß derartige Bildungserscheinungen die Ursachen
des Verfalles sind; sie sind vielmehr Symptome einer innern Krankheit des
Staatskörpers, und der Staatsmann, der, statt eine andere Art der Thätigkeit
zu beleben, nur in negativer Weise den Uebertreibungen der Cultur in gewissen
Richtungen entgegenarbeiten wollte, würde gerade so verfahren, wie der Arzt,
der die Heilung einer Krankheit von einem Unterdrücken der Symptome erwar¬
tet. Die nun folgende Anwendung des Satzes ist natürlich gegen Preußen
gerichtet. Preußen ist der Kerl, der speculirt und der den Weg aus der dürren
Haide nicht herauszufinden weiß. „Die eigenthümliche Unfruchtbarkeit und Ge¬
haltlosigkeit der preußischen Politik ist nur ein Ausdruck der unfruchtbaren spe¬
kulativen Richtung der preußischen Politik überhaupt." Schließlich äußert sich
Fröbel dahin: Man müßte das gesammte preußische Erziehungswesen vom
Staate emancipiren und dem Privatleben übergeben, wenn das Uebel schnell
und gründlich geheilt werden sollte. Wir fürchten leider, daß selbst diese he¬
roische Cur nicht die gewünschten Früchte bringen würde. Doch genug von
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