Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.kam, hatte Graf v. Marcolini dem Hrn. v. Serra bereits angezeigt, daß man Der Umschwung in der sächsischen Politik fand also keineswegs, wie noch kam, hatte Graf v. Marcolini dem Hrn. v. Serra bereits angezeigt, daß man Der Umschwung in der sächsischen Politik fand also keineswegs, wie noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189886"/> <p xml:id="ID_957" prev="#ID_956"> kam, hatte Graf v. Marcolini dem Hrn. v. Serra bereits angezeigt, daß man<lb/> seine letzten Forderungen bewilligen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_958" next="#ID_959"> Der Umschwung in der sächsischen Politik fand also keineswegs, wie noch<lb/> Butan in seiner sächsischen Geschichte erzählt, auf die förmlich ausgesprochene<lb/> Drohung Napoleons statt, Sachsen als erobertes Land zu behandeln, wenn sich<lb/> der König nicht offen für Frankreich erklärte, und keineswegs dachte man, wie<lb/> dort ebenfalls zu lesen ist, daran, noch mit Oestreich zu berathen, was zu thun<lb/> sei, denn als Graf Stadion am 8. Mai eintraf, hatte er infolge des wieder¬<lb/> hergestellten Anschlusses an Frankreich nur eine sehr kurze Audienz, in der von<lb/> den gegenseitigen Beziehungen der beiden Höfe von Wien und Dresden gar<lb/> nicht mehr die Rede war; General Gersdorf war mit den gefaßten Beschlüssen<lb/> bereits nach dem kaiserlichen Hauptquartier unterwegs. Die Abreise des Kö¬<lb/> nigs nach Dresden war schon für den 9. festgesetzt. In der Nacht vorher traf<lb/> Oberst Montesquieu mit dem drohenden Schreiben Napoleons ein, welches for¬<lb/> derte 1) einen ausdrücklichen Befehl, die Festung Torgau und deren Be¬<lb/> satzung zur Verfügung des Kaisers und unter das Commando des Generals<lb/> Reynier zu stellen, und die in Böhmen cantonnirende sächsische Reiterei sofort<lb/> nach Dresden in Marsch zu setzen; 2) eine ausdrückliche und vom König<lb/> unterzeichnete Erklärung, daß S. M. bereit sei, alle seine Verpflichtungen<lb/> als Mitglied des Rheinbundes zu erfüllen und daß er mit keiner Macht einen<lb/> mit diesen Verpflichtungen in Widerspruch stehenden Vertrag abgeschlossen habe;<lb/> :y eine genaue Erklärung über die Beziehungen zu Oestreich, auf welche<lb/> General Thielmann bei seiner Antwort auf Reyniers Aufforderung zur Oeff-<lb/> nung Torgaus hingewiesen hatte. Sechs Stunden Bedenkzeit waren dem Kö¬<lb/> nig gelassen. Wenn er in dieser Frist auf jene Forderungen nicht eingehe,<lb/> sollte Hr. v, Serra seine Pässe verlangen. Wie gesagt, als die Schreiben ankamen,<lb/> standen die Entschlüsse des sächsischen Hofes schon fest, und die Redaction einer<lb/> Verbalnote, welche die Beziehungen zu Oestreich als ein beim Rückzüge des<lb/> Königs nach Böhmen abgeschlossenes vertrauliches Übereinkommen darstellte,<lb/> das den Zweck gehabt habe, sich über die Verwendung der verfügbaren Streit¬<lb/> kräfte Sachsens im Interesse der allgemeinen Pacificativn zu verständigen, war<lb/> die letzte Arbeit, welche Hr. v. Senfft als Minister Sachsens verrichtete. Die<lb/> Auseinandersetzungen mit Hrn. v. Serra sielen dem General Cerrini zu, der<lb/> provisorisch das Portefeuille des Auswärtigen übernommen hatte. Der König<lb/> hatte bis zuletzt seinem ehemaligen Minister lebhaftes Bedauern über seinen<lb/> Rücktritt zu erkennen gegeben, als er aber durch den Grafen Einsiedel, der zur<lb/> Unterstützung der vom Grafen Montesquieu überbrachten Forderungen ebenfalls<lb/> in Prag erschien, von der schlimmen Meinung des Kaisers gegen Hrn. v. Senfft<lb/> erfuhr, glaubte er seine Empfindungen nicht mehr vor dem Publicum zeigen<lb/> zu dürfen und auf dem Wege vom Schloß nach den zur Abreise bereitstehenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
kam, hatte Graf v. Marcolini dem Hrn. v. Serra bereits angezeigt, daß man
seine letzten Forderungen bewilligen werde.
Der Umschwung in der sächsischen Politik fand also keineswegs, wie noch
Butan in seiner sächsischen Geschichte erzählt, auf die förmlich ausgesprochene
Drohung Napoleons statt, Sachsen als erobertes Land zu behandeln, wenn sich
der König nicht offen für Frankreich erklärte, und keineswegs dachte man, wie
dort ebenfalls zu lesen ist, daran, noch mit Oestreich zu berathen, was zu thun
sei, denn als Graf Stadion am 8. Mai eintraf, hatte er infolge des wieder¬
hergestellten Anschlusses an Frankreich nur eine sehr kurze Audienz, in der von
den gegenseitigen Beziehungen der beiden Höfe von Wien und Dresden gar
nicht mehr die Rede war; General Gersdorf war mit den gefaßten Beschlüssen
bereits nach dem kaiserlichen Hauptquartier unterwegs. Die Abreise des Kö¬
nigs nach Dresden war schon für den 9. festgesetzt. In der Nacht vorher traf
Oberst Montesquieu mit dem drohenden Schreiben Napoleons ein, welches for¬
derte 1) einen ausdrücklichen Befehl, die Festung Torgau und deren Be¬
satzung zur Verfügung des Kaisers und unter das Commando des Generals
Reynier zu stellen, und die in Böhmen cantonnirende sächsische Reiterei sofort
nach Dresden in Marsch zu setzen; 2) eine ausdrückliche und vom König
unterzeichnete Erklärung, daß S. M. bereit sei, alle seine Verpflichtungen
als Mitglied des Rheinbundes zu erfüllen und daß er mit keiner Macht einen
mit diesen Verpflichtungen in Widerspruch stehenden Vertrag abgeschlossen habe;
:y eine genaue Erklärung über die Beziehungen zu Oestreich, auf welche
General Thielmann bei seiner Antwort auf Reyniers Aufforderung zur Oeff-
nung Torgaus hingewiesen hatte. Sechs Stunden Bedenkzeit waren dem Kö¬
nig gelassen. Wenn er in dieser Frist auf jene Forderungen nicht eingehe,
sollte Hr. v, Serra seine Pässe verlangen. Wie gesagt, als die Schreiben ankamen,
standen die Entschlüsse des sächsischen Hofes schon fest, und die Redaction einer
Verbalnote, welche die Beziehungen zu Oestreich als ein beim Rückzüge des
Königs nach Böhmen abgeschlossenes vertrauliches Übereinkommen darstellte,
das den Zweck gehabt habe, sich über die Verwendung der verfügbaren Streit¬
kräfte Sachsens im Interesse der allgemeinen Pacificativn zu verständigen, war
die letzte Arbeit, welche Hr. v. Senfft als Minister Sachsens verrichtete. Die
Auseinandersetzungen mit Hrn. v. Serra sielen dem General Cerrini zu, der
provisorisch das Portefeuille des Auswärtigen übernommen hatte. Der König
hatte bis zuletzt seinem ehemaligen Minister lebhaftes Bedauern über seinen
Rücktritt zu erkennen gegeben, als er aber durch den Grafen Einsiedel, der zur
Unterstützung der vom Grafen Montesquieu überbrachten Forderungen ebenfalls
in Prag erschien, von der schlimmen Meinung des Kaisers gegen Hrn. v. Senfft
erfuhr, glaubte er seine Empfindungen nicht mehr vor dem Publicum zeigen
zu dürfen und auf dem Wege vom Schloß nach den zur Abreise bereitstehenden
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