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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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dadurch dem König die Möglichkeit offen gelassen, sich wieder Frankreich zu
nähern, indem er eine Verhandlung, die nicht an die Oeffentlichkeit gelangt
und vor den Augen des Publicums ohne Wirkung geblieben war, als
ungeschehen betrachten konnte.

Der französische Gesandte, Herr v. Serra, der dem sächsischen Hofe auf
seinen Wanderungen gefolgt war, hatte von allen diesen Verhandlungen nichts
bemerkt, wohl aber war der Kaiser Napoleon durch das Verhalten des Gene¬
rals Thielmann in Torgau und durch die Weigerung des Verlangens, die den König
begleitende sächsische Reiterei zur französischen Armee stoßen zu lassen, argwöhnisch
geworden. Der König hatte sich über diese letztere Ablehnung schriftlich erklärt,
aber der Offizier, der dieses Schreiben überreicht hatte, brachte eine Antwort
zurück, welche die Forderung wiederholte und zugleich merken ließ, wie mi߬
fällig dem Kaiser diese offenbare Erkaltung der Freundschaft des Königs sei,
die er den Rathschlägen der Feinde zuschrieb, welche die gemeinsame Sache
Frankreichs und Sachsens in dem Cabinet Sr. Majestät habe. Mündlich hatte
er sich noch schärfer ausgesprochen. Bald darauf traf in Prag ein Courier des
Herzogs von Sachsen-Weimar mit einem Briefe ein. den dieser Fürst auf das
ausdrückliche Verlangen Napoleons geschrieben hatte. Dieses Schreiben prägte
dem König die Nothwendigkeit ein, sich für oder gegen Frankreich zu entscheiden
und verhehlte nicht, daß der gänzliche Verlust Sachsens die Folge einer Ab¬
weichung von der bisher innegehaltenen Bahn sein könne. Dieses Schreiben
jedoch machte den König ebenso wenig wankend, als ein officieller Schritt des
Herrn v. Serra, der in einer Audienz' in aller Form die Forderung wieder¬
holte, die sächsische Reiterei und die Festung Torgau zur Verfügung des Kaisers
zu stellen. Er deutete zugleich an. daß er im Falle der Weigerung weiteren
Jnstructionen nachzukommen habe. Der König hörte ihn nicht ohne einige
Bewegung an. versprach die Sache in Erwägung zu ziehen, aber Tags darauf
konnte Herr v. Senfft dem Herrn v. Serra eine Note überreichen, in welcher
er im Auftrag des Königs die Weigerung wiederholte und sie durch die früher
schon angeführten Gründe rechtfertigte. Der Bruch mit Frankreich schien voll¬
kommen, der Anschluß an Oestreich entschieden zu sein.

Da kam plötzlich wie ein Donnerschlag die Nachricht von dem für die Ver¬
bündeten unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Liitzeii. Zuerst durch einen
polnischen Offizier, der über Prag nach Krakau reiste, dann ausführlicher am
6. Mai in einem Schreiben des Grafen Georg v. Einsiedel, der. um Jnstruc¬
tionen für eine Sendung an den Kaiser von Nußland zu empfangen, nach Prag
geladen war und nun schrieb, er brauche Wohl jetzt nicht mehr zu kommen.
Die Nachricht brachte auf den König den schlimmsten Eindruck hervor, indem
sie das Genie Napoleons in dem vollen Umfang der Herrschaft über den ängst¬
lichen und beschränkten Geist Friedrich Augusts wiederherstellte. Der König


dadurch dem König die Möglichkeit offen gelassen, sich wieder Frankreich zu
nähern, indem er eine Verhandlung, die nicht an die Oeffentlichkeit gelangt
und vor den Augen des Publicums ohne Wirkung geblieben war, als
ungeschehen betrachten konnte.

Der französische Gesandte, Herr v. Serra, der dem sächsischen Hofe auf
seinen Wanderungen gefolgt war, hatte von allen diesen Verhandlungen nichts
bemerkt, wohl aber war der Kaiser Napoleon durch das Verhalten des Gene¬
rals Thielmann in Torgau und durch die Weigerung des Verlangens, die den König
begleitende sächsische Reiterei zur französischen Armee stoßen zu lassen, argwöhnisch
geworden. Der König hatte sich über diese letztere Ablehnung schriftlich erklärt,
aber der Offizier, der dieses Schreiben überreicht hatte, brachte eine Antwort
zurück, welche die Forderung wiederholte und zugleich merken ließ, wie mi߬
fällig dem Kaiser diese offenbare Erkaltung der Freundschaft des Königs sei,
die er den Rathschlägen der Feinde zuschrieb, welche die gemeinsame Sache
Frankreichs und Sachsens in dem Cabinet Sr. Majestät habe. Mündlich hatte
er sich noch schärfer ausgesprochen. Bald darauf traf in Prag ein Courier des
Herzogs von Sachsen-Weimar mit einem Briefe ein. den dieser Fürst auf das
ausdrückliche Verlangen Napoleons geschrieben hatte. Dieses Schreiben prägte
dem König die Nothwendigkeit ein, sich für oder gegen Frankreich zu entscheiden
und verhehlte nicht, daß der gänzliche Verlust Sachsens die Folge einer Ab¬
weichung von der bisher innegehaltenen Bahn sein könne. Dieses Schreiben
jedoch machte den König ebenso wenig wankend, als ein officieller Schritt des
Herrn v. Serra, der in einer Audienz' in aller Form die Forderung wieder¬
holte, die sächsische Reiterei und die Festung Torgau zur Verfügung des Kaisers
zu stellen. Er deutete zugleich an. daß er im Falle der Weigerung weiteren
Jnstructionen nachzukommen habe. Der König hörte ihn nicht ohne einige
Bewegung an. versprach die Sache in Erwägung zu ziehen, aber Tags darauf
konnte Herr v. Senfft dem Herrn v. Serra eine Note überreichen, in welcher
er im Auftrag des Königs die Weigerung wiederholte und sie durch die früher
schon angeführten Gründe rechtfertigte. Der Bruch mit Frankreich schien voll¬
kommen, der Anschluß an Oestreich entschieden zu sein.

Da kam plötzlich wie ein Donnerschlag die Nachricht von dem für die Ver¬
bündeten unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Liitzeii. Zuerst durch einen
polnischen Offizier, der über Prag nach Krakau reiste, dann ausführlicher am
6. Mai in einem Schreiben des Grafen Georg v. Einsiedel, der. um Jnstruc¬
tionen für eine Sendung an den Kaiser von Nußland zu empfangen, nach Prag
geladen war und nun schrieb, er brauche Wohl jetzt nicht mehr zu kommen.
Die Nachricht brachte auf den König den schlimmsten Eindruck hervor, indem
sie das Genie Napoleons in dem vollen Umfang der Herrschaft über den ängst¬
lichen und beschränkten Geist Friedrich Augusts wiederherstellte. Der König


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/260>, abgerufen am 23.07.2024.