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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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thums Warschau zu gelangen. Er gab dem östreichischen Diplomaten daher zu
verstehen, daß er nur dann im Stande sei, den König zu einem engeren An¬
schluß an den wiener Hof zu rathen, wenn dieser letztere durch seine Garantie
die Frankreichs ersetzen oder wenigstens für ein Aequivalent gutsagen wolle.
So wurde Polen zum zweiten Male verhängnißvoll für die sächsische Dynastie,
die früher für seine Erwerbung durch den Uebertritt zum Katholicismus das
protestantische Primat in Deutschland hingegeben und damit den besten Theil
ihres politischen Einflusses geopfert hatte.

Fürst Esterhazy versprach, in Wien, wohin er in Privatangelegenheiten
reiste, dem Grafen Metternich Rechenschaft von diesen Ansichten und Wünschen
abzulegen, und man wartete nun in Plauen abermals, was die Ereignisse Wei¬
teres bringen würden. Diese ließen denn auch nicht auf sich warten. Marschall
Davoust ließ die dresdner Brücke sprengen, eine Handlung nutzloser Bru¬
talität, die so start auf den König wirkte, daß Hr. v. Senfft den Eindruck be¬
nutzen konnte, um den König zu dem Befehl zu bestimmen, die sächsischen Trup¬
pen in der Nahe von Torgau zusammenzuziehen, durch welche Bewegung sie
von den Franzosen getrennt wurden. Das Borrücken der Spitzen des verbün¬
deten Heeres über die Elbe und die Ueberzeugung, daß die geringen französischen
Streitkräfte unter dem Vicekönig Eugen das ganze Königreich dem Feinde hät¬
ten überlassen müssen, bestimmten dann den König, da weder er noch sein Mi¬
nister sich zu dein Anschlusse an Preußen und Nußland entschließen konnten und
Wollten, zum Verlassen des eigenen Landes und zur Abreise nach Bayern. Ein
Versuch der Regierung dieses Staates, das sächsische Cabinet zu einer vertrau¬
ticken Verständigung zu bewegen, die gemeinsame Schritte zu dem Zwecke re¬
geln sollte, ihrem Bündniß mit Frankreich einen Charakter größerer Unabhängig¬
keit zu geben, scheiterte an dem Mißtrauen, das Hr. v. Senfft wohl mit Necht
gegen den franzvsenfreundlichen Minister Montgelas hegte.

Die BeseMig Sachsens durch die Verbündeten trug mittlerweile ihre Früchte.
Die Volksmeinung, die sich frei fühlte von langem Druck, stellte sich offen aus
ihre Seite, die vom König vor seiner Abreise als Landesregierung eingesetzte
Immediatcommissivn rappvrtute die Wünsche des Landes auf Befreiung vom
französischen Bündniß dem sächsischen Hofe nach Regensburg, und selbst die Hal-
tung der Armee verrieth, daß ein Verharren bei der bisher befolgten Politik
nicht länger möglich sei. Dies fühlte denn auch der König und faßte nun end¬
lich den Entschluß, sich an Oestreich anzuschließen und die durch den General
Heister überbrachte Aufforderung des Königs von Preußen abzulehnen, welche
zur Verbindung mit den Alliirten einlud.

Oestreich nahm damals eine eigenthümliche Stellung ein. Es behauptete,
noch Verbündeter Frankreichs zu sein, beanspruchte aber zugleich eine vermittelnde
Rolle. Wurde diese von den beiden kämpfenden Parteien anerkannt, so mußte


thums Warschau zu gelangen. Er gab dem östreichischen Diplomaten daher zu
verstehen, daß er nur dann im Stande sei, den König zu einem engeren An¬
schluß an den wiener Hof zu rathen, wenn dieser letztere durch seine Garantie
die Frankreichs ersetzen oder wenigstens für ein Aequivalent gutsagen wolle.
So wurde Polen zum zweiten Male verhängnißvoll für die sächsische Dynastie,
die früher für seine Erwerbung durch den Uebertritt zum Katholicismus das
protestantische Primat in Deutschland hingegeben und damit den besten Theil
ihres politischen Einflusses geopfert hatte.

Fürst Esterhazy versprach, in Wien, wohin er in Privatangelegenheiten
reiste, dem Grafen Metternich Rechenschaft von diesen Ansichten und Wünschen
abzulegen, und man wartete nun in Plauen abermals, was die Ereignisse Wei¬
teres bringen würden. Diese ließen denn auch nicht auf sich warten. Marschall
Davoust ließ die dresdner Brücke sprengen, eine Handlung nutzloser Bru¬
talität, die so start auf den König wirkte, daß Hr. v. Senfft den Eindruck be¬
nutzen konnte, um den König zu dem Befehl zu bestimmen, die sächsischen Trup¬
pen in der Nahe von Torgau zusammenzuziehen, durch welche Bewegung sie
von den Franzosen getrennt wurden. Das Borrücken der Spitzen des verbün¬
deten Heeres über die Elbe und die Ueberzeugung, daß die geringen französischen
Streitkräfte unter dem Vicekönig Eugen das ganze Königreich dem Feinde hät¬
ten überlassen müssen, bestimmten dann den König, da weder er noch sein Mi¬
nister sich zu dein Anschlusse an Preußen und Nußland entschließen konnten und
Wollten, zum Verlassen des eigenen Landes und zur Abreise nach Bayern. Ein
Versuch der Regierung dieses Staates, das sächsische Cabinet zu einer vertrau¬
ticken Verständigung zu bewegen, die gemeinsame Schritte zu dem Zwecke re¬
geln sollte, ihrem Bündniß mit Frankreich einen Charakter größerer Unabhängig¬
keit zu geben, scheiterte an dem Mißtrauen, das Hr. v. Senfft wohl mit Necht
gegen den franzvsenfreundlichen Minister Montgelas hegte.

Die BeseMig Sachsens durch die Verbündeten trug mittlerweile ihre Früchte.
Die Volksmeinung, die sich frei fühlte von langem Druck, stellte sich offen aus
ihre Seite, die vom König vor seiner Abreise als Landesregierung eingesetzte
Immediatcommissivn rappvrtute die Wünsche des Landes auf Befreiung vom
französischen Bündniß dem sächsischen Hofe nach Regensburg, und selbst die Hal-
tung der Armee verrieth, daß ein Verharren bei der bisher befolgten Politik
nicht länger möglich sei. Dies fühlte denn auch der König und faßte nun end¬
lich den Entschluß, sich an Oestreich anzuschließen und die durch den General
Heister überbrachte Aufforderung des Königs von Preußen abzulehnen, welche
zur Verbindung mit den Alliirten einlud.

Oestreich nahm damals eine eigenthümliche Stellung ein. Es behauptete,
noch Verbündeter Frankreichs zu sein, beanspruchte aber zugleich eine vermittelnde
Rolle. Wurde diese von den beiden kämpfenden Parteien anerkannt, so mußte


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[0256] thums Warschau zu gelangen. Er gab dem östreichischen Diplomaten daher zu verstehen, daß er nur dann im Stande sei, den König zu einem engeren An¬ schluß an den wiener Hof zu rathen, wenn dieser letztere durch seine Garantie die Frankreichs ersetzen oder wenigstens für ein Aequivalent gutsagen wolle. So wurde Polen zum zweiten Male verhängnißvoll für die sächsische Dynastie, die früher für seine Erwerbung durch den Uebertritt zum Katholicismus das protestantische Primat in Deutschland hingegeben und damit den besten Theil ihres politischen Einflusses geopfert hatte. Fürst Esterhazy versprach, in Wien, wohin er in Privatangelegenheiten reiste, dem Grafen Metternich Rechenschaft von diesen Ansichten und Wünschen abzulegen, und man wartete nun in Plauen abermals, was die Ereignisse Wei¬ teres bringen würden. Diese ließen denn auch nicht auf sich warten. Marschall Davoust ließ die dresdner Brücke sprengen, eine Handlung nutzloser Bru¬ talität, die so start auf den König wirkte, daß Hr. v. Senfft den Eindruck be¬ nutzen konnte, um den König zu dem Befehl zu bestimmen, die sächsischen Trup¬ pen in der Nahe von Torgau zusammenzuziehen, durch welche Bewegung sie von den Franzosen getrennt wurden. Das Borrücken der Spitzen des verbün¬ deten Heeres über die Elbe und die Ueberzeugung, daß die geringen französischen Streitkräfte unter dem Vicekönig Eugen das ganze Königreich dem Feinde hät¬ ten überlassen müssen, bestimmten dann den König, da weder er noch sein Mi¬ nister sich zu dein Anschlusse an Preußen und Nußland entschließen konnten und Wollten, zum Verlassen des eigenen Landes und zur Abreise nach Bayern. Ein Versuch der Regierung dieses Staates, das sächsische Cabinet zu einer vertrau¬ ticken Verständigung zu bewegen, die gemeinsame Schritte zu dem Zwecke re¬ geln sollte, ihrem Bündniß mit Frankreich einen Charakter größerer Unabhängig¬ keit zu geben, scheiterte an dem Mißtrauen, das Hr. v. Senfft wohl mit Necht gegen den franzvsenfreundlichen Minister Montgelas hegte. Die BeseMig Sachsens durch die Verbündeten trug mittlerweile ihre Früchte. Die Volksmeinung, die sich frei fühlte von langem Druck, stellte sich offen aus ihre Seite, die vom König vor seiner Abreise als Landesregierung eingesetzte Immediatcommissivn rappvrtute die Wünsche des Landes auf Befreiung vom französischen Bündniß dem sächsischen Hofe nach Regensburg, und selbst die Hal- tung der Armee verrieth, daß ein Verharren bei der bisher befolgten Politik nicht länger möglich sei. Dies fühlte denn auch der König und faßte nun end¬ lich den Entschluß, sich an Oestreich anzuschließen und die durch den General Heister überbrachte Aufforderung des Königs von Preußen abzulehnen, welche zur Verbindung mit den Alliirten einlud. Oestreich nahm damals eine eigenthümliche Stellung ein. Es behauptete, noch Verbündeter Frankreichs zu sein, beanspruchte aber zugleich eine vermittelnde Rolle. Wurde diese von den beiden kämpfenden Parteien anerkannt, so mußte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/256>, abgerufen am 22.07.2024.