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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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stützten Entschluß zu fassen, wie von selbst zur Wahl einer Mittellinie, und
entschied sich für Bayern, um wenigstens innerhalb der Staaten des Rhein¬
bundes zu bleiben.

Die Abreise des Hofes erfolgte, als in Dresden die Nachricht eintraf,
daß Oberst Prendel mit einer Abtheilung Kosaken bei Lauban das sächsische
Gebiet betreten hatte, am 25. Februar, und ging vorläufig nach Plauen, wo¬
hin Hr. v. Senfft am 27. folgte. Unter den fremden Diplomaten, die sich an¬
schlössen, befand sich Hr. v. Pfeffel, der bayrische Gesandte, ein alter und ver¬
trauter Freund des sächsischen Ministers. In einer vertraulichen Unterredung
mit ihm gab Hr. v. Senfft zum ersten Male dem Wunsche Ausdruck, seinen Für¬
sten und sein Vaterland wie ganz Deutschland von den schmachvollen Fesseln
des Rheinbundes erlöst zu sehen. Hr. v. Pfeffel machte kein Hehl daraus, daß
ihm der östreichische Minister, Fürst Esterhazy, bereits im Vertrauen mitgetheilt
habe, das wiener Cabinet gehe mit dem Plane um, die Rhcinbundshöfe von
dem politischen Systeme Frankreichs loszumachen und sie zu sich herüberzuziehen,
und beide Staatsmänner besprachen mit einander die Mittel, welche zur Durch¬
führung dieses Unternehmens zu Gebote standen, die Hindernisse, auf die es
stoßen konnte, vor allem aber die Rechtsgründe, die sich für die Auflösung eines
Verhältnisses anführen ließen, das der Kaiser Napoleon lediglich zur Ausbeutung
seiner Verbündeten mißbraucht hatte.

Als Fürst Esterhazy, der mittlerweile ebenfalls in Plauen eingetroffen war, auf
diese Weise das Terrain sondirt sah und es günstig gefunden hatte, suchte er Hrn.
v. Senfft auf und schlug ihm von Seiten seines Hoff vor, den König zu ge¬
meinschaftlichen Vorstellungen mit Bayern und Württemberg bei Napoleon zu
bestimmen, welche ihn überreden sollten, wie dringend wünschenswerth ein Ein¬
gehen auf den von Oestreich vorgeschlagenen Frieden sei, den die Erschöpfung
ihrer Länder und die Stimmung ihrer Unterthanen fast zum gebieterischen Be¬
dürfniß machten. Nachdem Hr. v. Senfft den König von dieser Mittheilung
in Kenntniß gesetzt hatte, gab er in officieller Form zur Antwort, daß S. M.
schon wiederholt dem Kaiser Napoleon seine Friedenswünsche mitgetheilt habe,
daß er nicht unterlassen werde, sie zu erneuern, da er mit Dankbarkeit das
Interesse und die Bemühungen anerkenne, welche der Kaiser von Oestreich für die
allgemeine Pacisication und hauptsächlich für die Ruhe Deutschlands an den
Tag lege, daß er aber doch besorgen müsse, dieser Anschein einer Verständigung
zwischen mehren Höfen zum Zwecke gemeinsamer Fricdcnsvorstellungcn könne
einen nachtheiligen Eindruck beim französischen Cabinet hervorbringen.

In vertraulicher Weise theilte der sächsische Minister dem Fürsten Esterhazy
noch die besonderen Gründe mit, die Sachsen bestimmten, die Freundschaft Na¬
poleons zu cultiviren, da auf ihr die einzige Aussicht für den sächsischen Hos
beruhe, wieder in Besitz des bereits von Nußland militärisch besetzten Herzog-


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stützten Entschluß zu fassen, wie von selbst zur Wahl einer Mittellinie, und
entschied sich für Bayern, um wenigstens innerhalb der Staaten des Rhein¬
bundes zu bleiben.

Die Abreise des Hofes erfolgte, als in Dresden die Nachricht eintraf,
daß Oberst Prendel mit einer Abtheilung Kosaken bei Lauban das sächsische
Gebiet betreten hatte, am 25. Februar, und ging vorläufig nach Plauen, wo¬
hin Hr. v. Senfft am 27. folgte. Unter den fremden Diplomaten, die sich an¬
schlössen, befand sich Hr. v. Pfeffel, der bayrische Gesandte, ein alter und ver¬
trauter Freund des sächsischen Ministers. In einer vertraulichen Unterredung
mit ihm gab Hr. v. Senfft zum ersten Male dem Wunsche Ausdruck, seinen Für¬
sten und sein Vaterland wie ganz Deutschland von den schmachvollen Fesseln
des Rheinbundes erlöst zu sehen. Hr. v. Pfeffel machte kein Hehl daraus, daß
ihm der östreichische Minister, Fürst Esterhazy, bereits im Vertrauen mitgetheilt
habe, das wiener Cabinet gehe mit dem Plane um, die Rhcinbundshöfe von
dem politischen Systeme Frankreichs loszumachen und sie zu sich herüberzuziehen,
und beide Staatsmänner besprachen mit einander die Mittel, welche zur Durch¬
führung dieses Unternehmens zu Gebote standen, die Hindernisse, auf die es
stoßen konnte, vor allem aber die Rechtsgründe, die sich für die Auflösung eines
Verhältnisses anführen ließen, das der Kaiser Napoleon lediglich zur Ausbeutung
seiner Verbündeten mißbraucht hatte.

Als Fürst Esterhazy, der mittlerweile ebenfalls in Plauen eingetroffen war, auf
diese Weise das Terrain sondirt sah und es günstig gefunden hatte, suchte er Hrn.
v. Senfft auf und schlug ihm von Seiten seines Hoff vor, den König zu ge¬
meinschaftlichen Vorstellungen mit Bayern und Württemberg bei Napoleon zu
bestimmen, welche ihn überreden sollten, wie dringend wünschenswerth ein Ein¬
gehen auf den von Oestreich vorgeschlagenen Frieden sei, den die Erschöpfung
ihrer Länder und die Stimmung ihrer Unterthanen fast zum gebieterischen Be¬
dürfniß machten. Nachdem Hr. v. Senfft den König von dieser Mittheilung
in Kenntniß gesetzt hatte, gab er in officieller Form zur Antwort, daß S. M.
schon wiederholt dem Kaiser Napoleon seine Friedenswünsche mitgetheilt habe,
daß er nicht unterlassen werde, sie zu erneuern, da er mit Dankbarkeit das
Interesse und die Bemühungen anerkenne, welche der Kaiser von Oestreich für die
allgemeine Pacisication und hauptsächlich für die Ruhe Deutschlands an den
Tag lege, daß er aber doch besorgen müsse, dieser Anschein einer Verständigung
zwischen mehren Höfen zum Zwecke gemeinsamer Fricdcnsvorstellungcn könne
einen nachtheiligen Eindruck beim französischen Cabinet hervorbringen.

In vertraulicher Weise theilte der sächsische Minister dem Fürsten Esterhazy
noch die besonderen Gründe mit, die Sachsen bestimmten, die Freundschaft Na¬
poleons zu cultiviren, da auf ihr die einzige Aussicht für den sächsischen Hos
beruhe, wieder in Besitz des bereits von Nußland militärisch besetzten Herzog-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/255>, abgerufen am 22.07.2024.