Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.sucht beim Dreschen und Spinnen den Andern zu überbieten. Jung und Alt. Mit einem Worte, der heutige Wende ist ein Muster eifrigen Schaffens Ein Charakterzug weniger lobenswerther Art ist der krasse Materialismus schmutzige Wirthschaften kommen jetzt im Wendlande nicht mehr vor als Ein Hauptzug im Wesen des Wenden ist Starrsinn und Hartnäckigkeit. sucht beim Dreschen und Spinnen den Andern zu überbieten. Jung und Alt. Mit einem Worte, der heutige Wende ist ein Muster eifrigen Schaffens Ein Charakterzug weniger lobenswerther Art ist der krasse Materialismus schmutzige Wirthschaften kommen jetzt im Wendlande nicht mehr vor als Ein Hauptzug im Wesen des Wenden ist Starrsinn und Hartnäckigkeit. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189835"/> <p xml:id="ID_787" prev="#ID_786"> sucht beim Dreschen und Spinnen den Andern zu überbieten. Jung und Alt.<lb/> selbst der hinfällige greise Großvater, die kindisch gewordene Großmutter noch<lb/> läßt die Spindel sausen und zupft mit zitternder Hand die Heede. Im Decem¬<lb/> ber beginnt dann die Weberei, Frau und Magd lösen sich ab und der Web¬<lb/> stuhl steht fast nie still. Unaufhörlich fliegt der Schutz durch das Geschlinge<lb/> der Fäden, und knarrend dreht sich der Baum, um Elle auf Elle der Leinwand<lb/> aufzuwinden. Geht man durch die Fluren des Wendlandcs, so erblickt man<lb/> allenthalben die Früchte dieser Emsigkeit, eine Ordnung und Wohlbestelltheit<lb/> der Felder, wie man sie anderwärts selten antrifft.</p><lb/> <p xml:id="ID_788"> Mit einem Worte, der heutige Wende ist ein Muster eifrigen Schaffens<lb/> und Strebens, und die Folge davon ist, daß es, obwohl der Grundbesitz im<lb/> Wendlandc sehr getheilt ist. hier sehr wenig Arme und viel Wohlhabende giebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_789"> Ein Charakterzug weniger lobenswerther Art ist der krasse Materialismus<lb/> der wendischen Bauern und ihre stark ausgeprägte Habsucht. Häusig trifft man<lb/> nach Brandunglück oder zu Zwecken von Neubauten die schamloseste Bettelei,<lb/> die meilenweit ihre Gänge macht. Mag der Wende kaufen oder verkaufen, nie<lb/> wird er vergessen, sich von dem Kaufmann oder Handwerker, mit dem er das<lb/> betreffende Geschäft abschließt, zum Schlüsse ein „Punkeneitz", eine Zugabe aus-<lb/> zubitten, wenn sich der Handel auch um hundert Thaler dreht und die Zugabe<lb/> nur ein Schnaps ist. Allenthalben weiß er seinen Vortheil warzuuehmen, und<lb/> wie sehr die Juden in andern Theilen Hannovers durch ihre Anlagen für den<lb/> Schacher florircn, im Wendlande gedeiht keiner.</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> schmutzige Wirthschaften kommen jetzt im Wendlande nicht mehr vor als<lb/> in andern deutschen Gegenden. Die Häuser sind überall Heller, sauberer und<lb/> bequemer geworden und in den Stuben findet man nicht selten Luxusmvbel.</p><lb/> <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Ein Hauptzug im Wesen des Wenden ist Starrsinn und Hartnäckigkeit.<lb/> Was er sich in den Kopf gesetzt hat, versucht er auf jede Weise durchzutreiben,<lb/> was er nicht will, das thut er nicht und wenn man ihm stundenlang mit den<lb/> besten Gründen zuredet; daher haben Verwaltungsbeamte, die nicht sein volles<lb/> Vertrauen genießen, einen harten Stand. Selbst wo es sich um Dinge von<lb/> Groschenwerth handelt, wird nicht nachgegeben und lieber der Weg des Pro¬<lb/> cesses veschrittcn, gleichviel was es kostet. Beharrlich bei seiner Meinung blei¬<lb/> bend dreht der Bauer sich unablässig im Cirkel mit Rede und Gegenrede, und<lb/> wenn nicht das Gesetz endlich dazwischen fährt, kommt es zu keinem Austrag.<lb/> Mancher alte Bauer kann die von ihm während seines Lebens geführten Pro¬<lb/> cesse nach Dutzenden zählen, und mehr als ein Hof ist durch unverständige Rechts¬<lb/> streite ruinirt worden. Indeß hat sich dies in den letzten zwölf Jahren beträcht¬<lb/> lich gebessert, und zwar hat man diese Wendung zum Guten dem neuen öffent-<lb/> lichen und mündlichen Proceßverfahren zuzuschreiben. Da der Wende Ausgaben<lb/> scheut und die jetzige raschere Entwickelung der Rechtsstreitigkeiten die Ausgaben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
sucht beim Dreschen und Spinnen den Andern zu überbieten. Jung und Alt.
selbst der hinfällige greise Großvater, die kindisch gewordene Großmutter noch
läßt die Spindel sausen und zupft mit zitternder Hand die Heede. Im Decem¬
ber beginnt dann die Weberei, Frau und Magd lösen sich ab und der Web¬
stuhl steht fast nie still. Unaufhörlich fliegt der Schutz durch das Geschlinge
der Fäden, und knarrend dreht sich der Baum, um Elle auf Elle der Leinwand
aufzuwinden. Geht man durch die Fluren des Wendlandcs, so erblickt man
allenthalben die Früchte dieser Emsigkeit, eine Ordnung und Wohlbestelltheit
der Felder, wie man sie anderwärts selten antrifft.
Mit einem Worte, der heutige Wende ist ein Muster eifrigen Schaffens
und Strebens, und die Folge davon ist, daß es, obwohl der Grundbesitz im
Wendlandc sehr getheilt ist. hier sehr wenig Arme und viel Wohlhabende giebt.
Ein Charakterzug weniger lobenswerther Art ist der krasse Materialismus
der wendischen Bauern und ihre stark ausgeprägte Habsucht. Häusig trifft man
nach Brandunglück oder zu Zwecken von Neubauten die schamloseste Bettelei,
die meilenweit ihre Gänge macht. Mag der Wende kaufen oder verkaufen, nie
wird er vergessen, sich von dem Kaufmann oder Handwerker, mit dem er das
betreffende Geschäft abschließt, zum Schlüsse ein „Punkeneitz", eine Zugabe aus-
zubitten, wenn sich der Handel auch um hundert Thaler dreht und die Zugabe
nur ein Schnaps ist. Allenthalben weiß er seinen Vortheil warzuuehmen, und
wie sehr die Juden in andern Theilen Hannovers durch ihre Anlagen für den
Schacher florircn, im Wendlande gedeiht keiner.
schmutzige Wirthschaften kommen jetzt im Wendlande nicht mehr vor als
in andern deutschen Gegenden. Die Häuser sind überall Heller, sauberer und
bequemer geworden und in den Stuben findet man nicht selten Luxusmvbel.
Ein Hauptzug im Wesen des Wenden ist Starrsinn und Hartnäckigkeit.
Was er sich in den Kopf gesetzt hat, versucht er auf jede Weise durchzutreiben,
was er nicht will, das thut er nicht und wenn man ihm stundenlang mit den
besten Gründen zuredet; daher haben Verwaltungsbeamte, die nicht sein volles
Vertrauen genießen, einen harten Stand. Selbst wo es sich um Dinge von
Groschenwerth handelt, wird nicht nachgegeben und lieber der Weg des Pro¬
cesses veschrittcn, gleichviel was es kostet. Beharrlich bei seiner Meinung blei¬
bend dreht der Bauer sich unablässig im Cirkel mit Rede und Gegenrede, und
wenn nicht das Gesetz endlich dazwischen fährt, kommt es zu keinem Austrag.
Mancher alte Bauer kann die von ihm während seines Lebens geführten Pro¬
cesse nach Dutzenden zählen, und mehr als ein Hof ist durch unverständige Rechts¬
streite ruinirt worden. Indeß hat sich dies in den letzten zwölf Jahren beträcht¬
lich gebessert, und zwar hat man diese Wendung zum Guten dem neuen öffent-
lichen und mündlichen Proceßverfahren zuzuschreiben. Da der Wende Ausgaben
scheut und die jetzige raschere Entwickelung der Rechtsstreitigkeiten die Ausgaben
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