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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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daß seine Prämissen sämmtlich auf Verdrehung des wahren Sachverhalts
beruhen, und daß andrerseits der eigentliche Grund der Abneigung, welche die
Prcßorgane des preußischen Premiers pflichtschuldigst gegen den Herzog Fried¬
rich sechsmal die Woche an den Tag zu legen haben, ganz wo anders als in
seiner Anerkennung des Staatsgrundgesetzcs, wenigstens nur zum geringen Theil
in dieser zu suchen ist. Wo hauptsächlich, weih die Welt, und so würde es
überflüssig sein, wenn wir unternehmen wollten, jenes Räsonnement für die
Federn, denen es entfloß, zu widerlegen. Sie wissen genau so gut wie wir,
daß der Nationalverein und die Demokratie so wenig mit einander gemein
haben, daß die letztere in ihren Führern -- wir erinnern an Lasalle und Rüstow
-- nicht Worte genug finden kann, ersteren zu verunglimpfen. Sie wissen
ferner, daß der Herzog die Septemberverfassung weder den Demokraten, noch
dem Nationalvcrein zu Gefallen, sondern einfach deswegen anerkannt hat, weil
sie nach voraussichtlicher Vernichtung der Grundlagen der dänischen Gesammt-
staatsverfassung ganz ebenso wieder ins Leben treten mußte wie nach Auf¬
hebung des londoner Protokolls sein Erbrecht auf den Thron der Herzogthümer
wieder auflebte. Sie wissen oder könnten doch wissen, daß die Verfassung jetzt,
d. h. nach dem Tode Friedrich des Siebenten und so lange die Voraussetzungen,
unter denen sie entstand, nicht wieder Geltung erlangen, nichts enthält, was
die monarchische Gewalt mehr, als die Bestimmungen des deutschen Bundcs-
rechts zulassen, einschränkt, und daß die Paragraphen, in denen derartige Be¬
schränkung ausgesprochen ist, nicht aus demokratischen, sondern aus nationalen
Rücksichten in die Verfassung aufgenommen wurden. Die officiöse Journalistik
weiß endlich ohne Zweifel, daß die Verfassung von Achtundvierzig, wenn sie
auch weit freisinniger wäre, als sie in Wirklichkeit ist, bei dem vorwiegend kon¬
servativen Sinne des Schleswig-holsteinischen Volkes niemals zu Maßlosigkeiten
führen könnte, und daß dieser conservative Sinn dieselbe aus eigner Entschließung,
ohne Anregung von Oben oder Außen corrigiren würde falls ihr Gebrauch
später Einzelnes in ihr als mit der Gerechtigkeit gegen alle oder mit einer
starken und wohlgeordneten Regierung unverträglich erscheinen lassen sollte.
Alles dies ist den Herren Braß und Konsorten zur Genüge bekannt, und wenn
sie dennoch denunciren und schmähen, so geschieht es eben auf Ordre, in glei¬
cher Weise wie sie die Person des Herzogs, seine Räthe, sein gesäumtes Volk
tagtäglich auf Ordre mit ihren Kothwürfcn tractiren.

Dagegen wird es Leute geben, die dem Herzog und den Herzogtümern
zwar aufrichtig wohlwollen, die jedoch, mit dem Wortlaut des Schleswig-hol-
steinischen Grundgesetzes unbekannt, durch die dreisten Anklagen der Officiösen
bedenklich geworden und von der Meinung geleitet, jenes Staatsgrundgesetz
müsse als Kind des Jahres Achtundvierzig doch Wohl über das Maß von Frei¬
heit, welches sich mit der Ordnung verträgt, hinausgehen, ebenso aufrichtig vor


daß seine Prämissen sämmtlich auf Verdrehung des wahren Sachverhalts
beruhen, und daß andrerseits der eigentliche Grund der Abneigung, welche die
Prcßorgane des preußischen Premiers pflichtschuldigst gegen den Herzog Fried¬
rich sechsmal die Woche an den Tag zu legen haben, ganz wo anders als in
seiner Anerkennung des Staatsgrundgesetzcs, wenigstens nur zum geringen Theil
in dieser zu suchen ist. Wo hauptsächlich, weih die Welt, und so würde es
überflüssig sein, wenn wir unternehmen wollten, jenes Räsonnement für die
Federn, denen es entfloß, zu widerlegen. Sie wissen genau so gut wie wir,
daß der Nationalverein und die Demokratie so wenig mit einander gemein
haben, daß die letztere in ihren Führern — wir erinnern an Lasalle und Rüstow
— nicht Worte genug finden kann, ersteren zu verunglimpfen. Sie wissen
ferner, daß der Herzog die Septemberverfassung weder den Demokraten, noch
dem Nationalvcrein zu Gefallen, sondern einfach deswegen anerkannt hat, weil
sie nach voraussichtlicher Vernichtung der Grundlagen der dänischen Gesammt-
staatsverfassung ganz ebenso wieder ins Leben treten mußte wie nach Auf¬
hebung des londoner Protokolls sein Erbrecht auf den Thron der Herzogthümer
wieder auflebte. Sie wissen oder könnten doch wissen, daß die Verfassung jetzt,
d. h. nach dem Tode Friedrich des Siebenten und so lange die Voraussetzungen,
unter denen sie entstand, nicht wieder Geltung erlangen, nichts enthält, was
die monarchische Gewalt mehr, als die Bestimmungen des deutschen Bundcs-
rechts zulassen, einschränkt, und daß die Paragraphen, in denen derartige Be¬
schränkung ausgesprochen ist, nicht aus demokratischen, sondern aus nationalen
Rücksichten in die Verfassung aufgenommen wurden. Die officiöse Journalistik
weiß endlich ohne Zweifel, daß die Verfassung von Achtundvierzig, wenn sie
auch weit freisinniger wäre, als sie in Wirklichkeit ist, bei dem vorwiegend kon¬
servativen Sinne des Schleswig-holsteinischen Volkes niemals zu Maßlosigkeiten
führen könnte, und daß dieser conservative Sinn dieselbe aus eigner Entschließung,
ohne Anregung von Oben oder Außen corrigiren würde falls ihr Gebrauch
später Einzelnes in ihr als mit der Gerechtigkeit gegen alle oder mit einer
starken und wohlgeordneten Regierung unverträglich erscheinen lassen sollte.
Alles dies ist den Herren Braß und Konsorten zur Genüge bekannt, und wenn
sie dennoch denunciren und schmähen, so geschieht es eben auf Ordre, in glei¬
cher Weise wie sie die Person des Herzogs, seine Räthe, sein gesäumtes Volk
tagtäglich auf Ordre mit ihren Kothwürfcn tractiren.

Dagegen wird es Leute geben, die dem Herzog und den Herzogtümern
zwar aufrichtig wohlwollen, die jedoch, mit dem Wortlaut des Schleswig-hol-
steinischen Grundgesetzes unbekannt, durch die dreisten Anklagen der Officiösen
bedenklich geworden und von der Meinung geleitet, jenes Staatsgrundgesetz
müsse als Kind des Jahres Achtundvierzig doch Wohl über das Maß von Frei¬
heit, welches sich mit der Ordnung verträgt, hinausgehen, ebenso aufrichtig vor


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/191>, abgerufen am 22.07.2024.