Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

muß, daß die Legalität der Verwaltung in England durch den Zwang erreicht
wird, sich stets innerhalb fester Rechtsnormen halten zu müssen, daß also jeder
administrative Act zugleich ein jurisdictioneller Act ist. Wir folgen in unserem
kurzen Ueberblick dem Gange der Darstellung des Verfassers.

Der Ausgangspunkt der friedensrichterlichcn Thätigkeit ist die Friedens¬
bewahrung im alten Sinne des Worts. Wenn z. B. jemand von einem An¬
deren mit Schaden an Gut oder Leben bedroht wird, so hat der Friedensrich¬
ter entweder auf Denunciation des Gefährdeten, oder aus eigener Initiative
gegen den des beabsichtigten Fricdcnsbruches Verdächtigen einzuschreiten und
ihn zur Bürgschaftsstellung für loyales Verhalten zu zwingen, eventuell zu ver¬
haften und bis zur. nächsten Quartalsitzung in Haft zu behalten. An diese
älteste Pflicht des Friedensrichters schließt sich die Voruntersuchung wegen sol¬
cher Verbrechen, die zu der Kompetenz der Assisen oder der friedensrichtcrlichen
Quartalsitzungen gehören, sowie selbständige Jurisdiction ohne Zuziehung einer
Jury wegen Polizeivergeheu*). Ferner haben die Friedensrichter über Steuer-
defraudationen eine mit den Reichsgerichten concurrirende Strafgewalt, desglei¬
chen über Vergehen, die durch die Presse begangen sind. Dazu kommt nun
noch die Handhabung der sehr ausgedehnten, durch eine zahllose Menge von
Statuten geordneten Gewerbe-, Sitten-, Jagd- und Schifffartbspolizei, die Ju¬
risdiction über Mieths- und Pachtverhältnisse u. s. w., wobei jedoch zu bemer¬
ken ist, daß die definitive Entscheidung in vielen Fällen den Quartalsitzungen
vorbehalten bleibt. Uebrigens ist es dem Friedensrichter gestattet und in manchen
Fällen sogar vorgeschrieben, noch einen zweiten Kollegen zuzuziehn, worüber
sich indessen ein festes Princip nicht aufstellen läßi. Im Allgemeinen gilt es
wohl als nodilö "Moium, daß der Friedensrichter in solchen Fällen, in denen
es wünschenswert!) erscheint, jeden Verdacht der Parteilichkeit fern zu halten,
einen oder auch mehre Kollegen zu einer pcM^ sWAOn beruft.

Von diesen Me^ 3<Z88inen8 sind wohl zu unterscheiden die förmlichen
Kpoeial SWÄons, in denen die Friedensrichter der einzelnen Grafschaftsbezirke
(früher der Hunclrecls, gegenwärtig nach einer neuen Eintheilung, die soweit
als möglich den neuen Kreisarmenverbänden entspricht, der "ösÄonal ätvisionK)
zu gemeinschaftlichen Acten verbunden sind. Diesen Bezirkssessioncn liegt ob
die ErnennunMresp. Bestätigung gewisser Gcmeindevecnnten, die Wegeadmini¬
stration, die Revision der von den Ortsgemeindebeamten aufgestellten Geschwor¬
nenlisten; ferner haben sie gewisse gewerbliche Concessionen zu ertheilen und
bilden das Forum für Paternitätsklagen. -- In den Quartalsitzungen der Frie¬
densrichter kommen zusammen die Grafschaftsbeamten zur Berichterstattung und



") Diese Vcfugniß erscheint principiell auch einigen englischen Rechtslehrern nicht ganz
unbedenklich.

muß, daß die Legalität der Verwaltung in England durch den Zwang erreicht
wird, sich stets innerhalb fester Rechtsnormen halten zu müssen, daß also jeder
administrative Act zugleich ein jurisdictioneller Act ist. Wir folgen in unserem
kurzen Ueberblick dem Gange der Darstellung des Verfassers.

Der Ausgangspunkt der friedensrichterlichcn Thätigkeit ist die Friedens¬
bewahrung im alten Sinne des Worts. Wenn z. B. jemand von einem An¬
deren mit Schaden an Gut oder Leben bedroht wird, so hat der Friedensrich¬
ter entweder auf Denunciation des Gefährdeten, oder aus eigener Initiative
gegen den des beabsichtigten Fricdcnsbruches Verdächtigen einzuschreiten und
ihn zur Bürgschaftsstellung für loyales Verhalten zu zwingen, eventuell zu ver¬
haften und bis zur. nächsten Quartalsitzung in Haft zu behalten. An diese
älteste Pflicht des Friedensrichters schließt sich die Voruntersuchung wegen sol¬
cher Verbrechen, die zu der Kompetenz der Assisen oder der friedensrichtcrlichen
Quartalsitzungen gehören, sowie selbständige Jurisdiction ohne Zuziehung einer
Jury wegen Polizeivergeheu*). Ferner haben die Friedensrichter über Steuer-
defraudationen eine mit den Reichsgerichten concurrirende Strafgewalt, desglei¬
chen über Vergehen, die durch die Presse begangen sind. Dazu kommt nun
noch die Handhabung der sehr ausgedehnten, durch eine zahllose Menge von
Statuten geordneten Gewerbe-, Sitten-, Jagd- und Schifffartbspolizei, die Ju¬
risdiction über Mieths- und Pachtverhältnisse u. s. w., wobei jedoch zu bemer¬
ken ist, daß die definitive Entscheidung in vielen Fällen den Quartalsitzungen
vorbehalten bleibt. Uebrigens ist es dem Friedensrichter gestattet und in manchen
Fällen sogar vorgeschrieben, noch einen zweiten Kollegen zuzuziehn, worüber
sich indessen ein festes Princip nicht aufstellen läßi. Im Allgemeinen gilt es
wohl als nodilö «Moium, daß der Friedensrichter in solchen Fällen, in denen
es wünschenswert!) erscheint, jeden Verdacht der Parteilichkeit fern zu halten,
einen oder auch mehre Kollegen zu einer pcM^ sWAOn beruft.

Von diesen Me^ 3<Z88inen8 sind wohl zu unterscheiden die förmlichen
Kpoeial SWÄons, in denen die Friedensrichter der einzelnen Grafschaftsbezirke
(früher der Hunclrecls, gegenwärtig nach einer neuen Eintheilung, die soweit
als möglich den neuen Kreisarmenverbänden entspricht, der «ösÄonal ätvisionK)
zu gemeinschaftlichen Acten verbunden sind. Diesen Bezirkssessioncn liegt ob
die ErnennunMresp. Bestätigung gewisser Gcmeindevecnnten, die Wegeadmini¬
stration, die Revision der von den Ortsgemeindebeamten aufgestellten Geschwor¬
nenlisten; ferner haben sie gewisse gewerbliche Concessionen zu ertheilen und
bilden das Forum für Paternitätsklagen. — In den Quartalsitzungen der Frie¬
densrichter kommen zusammen die Grafschaftsbeamten zur Berichterstattung und



") Diese Vcfugniß erscheint principiell auch einigen englischen Rechtslehrern nicht ganz
unbedenklich.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189808"/>
          <p xml:id="ID_681" prev="#ID_680"> muß, daß die Legalität der Verwaltung in England durch den Zwang erreicht<lb/>
wird, sich stets innerhalb fester Rechtsnormen halten zu müssen, daß also jeder<lb/>
administrative Act zugleich ein jurisdictioneller Act ist. Wir folgen in unserem<lb/>
kurzen Ueberblick dem Gange der Darstellung des Verfassers.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_682"> Der Ausgangspunkt der friedensrichterlichcn Thätigkeit ist die Friedens¬<lb/>
bewahrung im alten Sinne des Worts. Wenn z. B. jemand von einem An¬<lb/>
deren mit Schaden an Gut oder Leben bedroht wird, so hat der Friedensrich¬<lb/>
ter entweder auf Denunciation des Gefährdeten, oder aus eigener Initiative<lb/>
gegen den des beabsichtigten Fricdcnsbruches Verdächtigen einzuschreiten und<lb/>
ihn zur Bürgschaftsstellung für loyales Verhalten zu zwingen, eventuell zu ver¬<lb/>
haften und bis zur. nächsten Quartalsitzung in Haft zu behalten. An diese<lb/>
älteste Pflicht des Friedensrichters schließt sich die Voruntersuchung wegen sol¬<lb/>
cher Verbrechen, die zu der Kompetenz der Assisen oder der friedensrichtcrlichen<lb/>
Quartalsitzungen gehören, sowie selbständige Jurisdiction ohne Zuziehung einer<lb/>
Jury wegen Polizeivergeheu*). Ferner haben die Friedensrichter über Steuer-<lb/>
defraudationen eine mit den Reichsgerichten concurrirende Strafgewalt, desglei¬<lb/>
chen über Vergehen, die durch die Presse begangen sind. Dazu kommt nun<lb/>
noch die Handhabung der sehr ausgedehnten, durch eine zahllose Menge von<lb/>
Statuten geordneten Gewerbe-, Sitten-, Jagd- und Schifffartbspolizei, die Ju¬<lb/>
risdiction über Mieths- und Pachtverhältnisse u. s. w., wobei jedoch zu bemer¬<lb/>
ken ist, daß die definitive Entscheidung in vielen Fällen den Quartalsitzungen<lb/>
vorbehalten bleibt. Uebrigens ist es dem Friedensrichter gestattet und in manchen<lb/>
Fällen sogar vorgeschrieben, noch einen zweiten Kollegen zuzuziehn, worüber<lb/>
sich indessen ein festes Princip nicht aufstellen läßi. Im Allgemeinen gilt es<lb/>
wohl als nodilö «Moium, daß der Friedensrichter in solchen Fällen, in denen<lb/>
es wünschenswert!) erscheint, jeden Verdacht der Parteilichkeit fern zu halten,<lb/>
einen oder auch mehre Kollegen zu einer pcM^ sWAOn beruft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_683" next="#ID_684"> Von diesen Me^ 3&lt;Z88inen8 sind wohl zu unterscheiden die förmlichen<lb/>
Kpoeial SWÄons, in denen die Friedensrichter der einzelnen Grafschaftsbezirke<lb/>
(früher der Hunclrecls, gegenwärtig nach einer neuen Eintheilung, die soweit<lb/>
als möglich den neuen Kreisarmenverbänden entspricht, der «ösÄonal ätvisionK)<lb/>
zu gemeinschaftlichen Acten verbunden sind. Diesen Bezirkssessioncn liegt ob<lb/>
die ErnennunMresp. Bestätigung gewisser Gcmeindevecnnten, die Wegeadmini¬<lb/>
stration, die Revision der von den Ortsgemeindebeamten aufgestellten Geschwor¬<lb/>
nenlisten; ferner haben sie gewisse gewerbliche Concessionen zu ertheilen und<lb/>
bilden das Forum für Paternitätsklagen. &#x2014; In den Quartalsitzungen der Frie¬<lb/>
densrichter kommen zusammen die Grafschaftsbeamten zur Berichterstattung und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot"> ") Diese Vcfugniß erscheint principiell auch einigen englischen Rechtslehrern nicht ganz<lb/>
unbedenklich.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0184] muß, daß die Legalität der Verwaltung in England durch den Zwang erreicht wird, sich stets innerhalb fester Rechtsnormen halten zu müssen, daß also jeder administrative Act zugleich ein jurisdictioneller Act ist. Wir folgen in unserem kurzen Ueberblick dem Gange der Darstellung des Verfassers. Der Ausgangspunkt der friedensrichterlichcn Thätigkeit ist die Friedens¬ bewahrung im alten Sinne des Worts. Wenn z. B. jemand von einem An¬ deren mit Schaden an Gut oder Leben bedroht wird, so hat der Friedensrich¬ ter entweder auf Denunciation des Gefährdeten, oder aus eigener Initiative gegen den des beabsichtigten Fricdcnsbruches Verdächtigen einzuschreiten und ihn zur Bürgschaftsstellung für loyales Verhalten zu zwingen, eventuell zu ver¬ haften und bis zur. nächsten Quartalsitzung in Haft zu behalten. An diese älteste Pflicht des Friedensrichters schließt sich die Voruntersuchung wegen sol¬ cher Verbrechen, die zu der Kompetenz der Assisen oder der friedensrichtcrlichen Quartalsitzungen gehören, sowie selbständige Jurisdiction ohne Zuziehung einer Jury wegen Polizeivergeheu*). Ferner haben die Friedensrichter über Steuer- defraudationen eine mit den Reichsgerichten concurrirende Strafgewalt, desglei¬ chen über Vergehen, die durch die Presse begangen sind. Dazu kommt nun noch die Handhabung der sehr ausgedehnten, durch eine zahllose Menge von Statuten geordneten Gewerbe-, Sitten-, Jagd- und Schifffartbspolizei, die Ju¬ risdiction über Mieths- und Pachtverhältnisse u. s. w., wobei jedoch zu bemer¬ ken ist, daß die definitive Entscheidung in vielen Fällen den Quartalsitzungen vorbehalten bleibt. Uebrigens ist es dem Friedensrichter gestattet und in manchen Fällen sogar vorgeschrieben, noch einen zweiten Kollegen zuzuziehn, worüber sich indessen ein festes Princip nicht aufstellen läßi. Im Allgemeinen gilt es wohl als nodilö «Moium, daß der Friedensrichter in solchen Fällen, in denen es wünschenswert!) erscheint, jeden Verdacht der Parteilichkeit fern zu halten, einen oder auch mehre Kollegen zu einer pcM^ sWAOn beruft. Von diesen Me^ 3<Z88inen8 sind wohl zu unterscheiden die förmlichen Kpoeial SWÄons, in denen die Friedensrichter der einzelnen Grafschaftsbezirke (früher der Hunclrecls, gegenwärtig nach einer neuen Eintheilung, die soweit als möglich den neuen Kreisarmenverbänden entspricht, der «ösÄonal ätvisionK) zu gemeinschaftlichen Acten verbunden sind. Diesen Bezirkssessioncn liegt ob die ErnennunMresp. Bestätigung gewisser Gcmeindevecnnten, die Wegeadmini¬ stration, die Revision der von den Ortsgemeindebeamten aufgestellten Geschwor¬ nenlisten; ferner haben sie gewisse gewerbliche Concessionen zu ertheilen und bilden das Forum für Paternitätsklagen. — In den Quartalsitzungen der Frie¬ densrichter kommen zusammen die Grafschaftsbeamten zur Berichterstattung und ") Diese Vcfugniß erscheint principiell auch einigen englischen Rechtslehrern nicht ganz unbedenklich.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/184
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/184>, abgerufen am 03.07.2024.