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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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und des Uebergangs nach Alsen sind bereits ausgeschrieben, und auch von solchen
Malern, die nicht dazu aufgefordert wurden, rüstet sich jeder, der nur selbst an
seine Befähigung für leidenschaftlich bewegte Darstellung, für Pulverdampf und
Handgemenge glaubt, neben den officiell Bevorzugten den Wettlauf nach jenen kriege¬
rischen Lorbeeren anzutreten. Also gedulden wir uns bis zur nächsten Ausstellung.

Wir treten, ehe wir die breite "gelinde" Treppe hinaufsteigen, die zu den
Gemciidesälen führt, in die zur Linken im Erdgeschoß gelegenen Räume, welche
die Ausstellung der Werke der Plastik beherbergen. Jene allbekannten Bild¬
hauernamen der berliner Schule, Meister, welche hier in jeder Hinsicht die
künstlerische Erbschaft Rauchs übernommen haben, sind diesmal gänzlich unver-
treten: Kiß, Drake, Hagen, Bläser, Albert Wolff, Schievelbein. Sie haben
das Feld andern, zum Theil jüngeren Kräften überlassen. Für die Aufstellung
von großen und complicirten Monumentalwerken bieten diese beschränkten
Räume keinen Platz. Er wird schon aus diesem materiellen Grunde fast aus¬
schließlich einerseits von Porträtstatuen und Büsten, andrerseits von einzelnen
Idealgestalten und Gruppen in mäßigen Größenverhältnissen gefüllt. Das
Gipsmodell herrscht selbstverständlich vor. Bestellungen auf Marmorausführungen
fließen bei uns so spärlich wie die auf große Gemälde, und um eine größere
Marmorarbeit auf eigne Gefahr hin zu unternehmen, dazu gehört ein Gott-
und Menschenvertrauen, ein Wagemuth und vor allem ein Capital- oder
wenigstens Nentenbesitz, dessen sich nur sehr wenige Glückliche unter unsern
Bildhauern rühmen können. Aus der Zahl der hier ausstellenden Künstler
treten durch originelleres Talent etwa vier bis fünf hervor. Bei den andern
handelt es sich um ein etwas mehr oder weniger besser Machen. Im Uebrigen
bietet ihre Anschauungsweise, ihre Schule, ihre Art zu arbeiten nicht wesent¬
liche persönliche Unterschiede. Es wird dadurch bei Vielen schwer, ihre Werke
in der Erinnerung auseinanderzuhalten. Jenes auf dieser Ausstellung, und
nicht blos auf ihr Alles überragende Bildhauerwerk, auf das ich bereits hin¬
wies, ist die neueste Schöpfung des jugendlichen Meisters, der seit seinem ersten
Auftreten bei uns vor nun sechs Jahren mehr Interesse erregt, eine leidenschaft¬
lichere Parteinahme für und gegen sich entflammt hat, als irgendeiner seiner
künstlerischen Genossen: Nein hold Begas. Der Sohn des berühmten Malers,
der Bruder zweier begabter tüchtiger Nachfolger desselben, setzt durch den
Glanz seines Talents bereits die Namen seiner Familiengenossen in Schatten.
Indem die Eigenthümlichkeit seiner Begabung und Richtung, die Art seines
Wollens und Könnens von alle dem so gründlich verschieden, dem so ent¬
gegengesetzt ist, was sich in unsrer heutigen Plastik einen gewissen Anspruch
auf normale Allgemeingiltigkeit zu erringen gewußt hat. mußte er nothwendig
die Feindschaft einestheils der ästhetischen Kritik, andrer Seits seiner College"
gegen sich wach rufen.


und des Uebergangs nach Alsen sind bereits ausgeschrieben, und auch von solchen
Malern, die nicht dazu aufgefordert wurden, rüstet sich jeder, der nur selbst an
seine Befähigung für leidenschaftlich bewegte Darstellung, für Pulverdampf und
Handgemenge glaubt, neben den officiell Bevorzugten den Wettlauf nach jenen kriege¬
rischen Lorbeeren anzutreten. Also gedulden wir uns bis zur nächsten Ausstellung.

Wir treten, ehe wir die breite „gelinde" Treppe hinaufsteigen, die zu den
Gemciidesälen führt, in die zur Linken im Erdgeschoß gelegenen Räume, welche
die Ausstellung der Werke der Plastik beherbergen. Jene allbekannten Bild¬
hauernamen der berliner Schule, Meister, welche hier in jeder Hinsicht die
künstlerische Erbschaft Rauchs übernommen haben, sind diesmal gänzlich unver-
treten: Kiß, Drake, Hagen, Bläser, Albert Wolff, Schievelbein. Sie haben
das Feld andern, zum Theil jüngeren Kräften überlassen. Für die Aufstellung
von großen und complicirten Monumentalwerken bieten diese beschränkten
Räume keinen Platz. Er wird schon aus diesem materiellen Grunde fast aus¬
schließlich einerseits von Porträtstatuen und Büsten, andrerseits von einzelnen
Idealgestalten und Gruppen in mäßigen Größenverhältnissen gefüllt. Das
Gipsmodell herrscht selbstverständlich vor. Bestellungen auf Marmorausführungen
fließen bei uns so spärlich wie die auf große Gemälde, und um eine größere
Marmorarbeit auf eigne Gefahr hin zu unternehmen, dazu gehört ein Gott-
und Menschenvertrauen, ein Wagemuth und vor allem ein Capital- oder
wenigstens Nentenbesitz, dessen sich nur sehr wenige Glückliche unter unsern
Bildhauern rühmen können. Aus der Zahl der hier ausstellenden Künstler
treten durch originelleres Talent etwa vier bis fünf hervor. Bei den andern
handelt es sich um ein etwas mehr oder weniger besser Machen. Im Uebrigen
bietet ihre Anschauungsweise, ihre Schule, ihre Art zu arbeiten nicht wesent¬
liche persönliche Unterschiede. Es wird dadurch bei Vielen schwer, ihre Werke
in der Erinnerung auseinanderzuhalten. Jenes auf dieser Ausstellung, und
nicht blos auf ihr Alles überragende Bildhauerwerk, auf das ich bereits hin¬
wies, ist die neueste Schöpfung des jugendlichen Meisters, der seit seinem ersten
Auftreten bei uns vor nun sechs Jahren mehr Interesse erregt, eine leidenschaft¬
lichere Parteinahme für und gegen sich entflammt hat, als irgendeiner seiner
künstlerischen Genossen: Nein hold Begas. Der Sohn des berühmten Malers,
der Bruder zweier begabter tüchtiger Nachfolger desselben, setzt durch den
Glanz seines Talents bereits die Namen seiner Familiengenossen in Schatten.
Indem die Eigenthümlichkeit seiner Begabung und Richtung, die Art seines
Wollens und Könnens von alle dem so gründlich verschieden, dem so ent¬
gegengesetzt ist, was sich in unsrer heutigen Plastik einen gewissen Anspruch
auf normale Allgemeingiltigkeit zu erringen gewußt hat. mußte er nothwendig
die Feindschaft einestheils der ästhetischen Kritik, andrer Seits seiner College»
gegen sich wach rufen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/170>, abgerufen am 03.07.2024.