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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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wäre, so daß dem abgetretenen Theile der Monarchie die Autonomie gesichert
würde, während die Integrität der Monarchie aufrecht erhalten bleibe, indem
eine Erklärung dieser Männer von den Cabineten benutzt werden könnte."

Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir nach allem, was im Vorherigen
den Entstellungen der Denkschrift als die Wahrheit entgegengehalten worden ist,
die Uebertragung der russischen Ansprüche (nicht Rechte; denn solche hat das
Haus Gottorp so wenig wie das Haus Glücksburg) auf den Großherzog von
Oldenburg nichts als eine Intrigue mit dem Zwecke war, die definitive Lösung
der Erbfolgefrage im deutschen Interesse zu hintertreiben oder doch hinauszu¬
schieben, um Zeit zu Verhandlungen mit jenen "einflußreichen Männern in
Holstein, welche sich nicht für den Prinzen bon Augustenburg ausgesprochen ha¬
ben", zu gewinnen und durch Benutzung einer Erklärung dieser Herren, mit
denen natürlich die Scheel-PIessen, die Blome und deren Suite gemeint sind,
die Integrität der dänischen Monarchie wieder herzustellen. Jedenfalls ist die
Rolle, die Großherzog Peter nach unsern Enthüllungen im Auftrage seines Pe¬
tersburger Vetters zu spielen übernommen hat. eine sehr zweideutige. Kein
Sehender wird seinen Advocaten glauben, daß Nußland indem es ihn bewo¬
gen, als Candidat aufzutreten, deutsche Interessen zu fördern beabsichtigt habe,
und kaum wird man sich nach dem angeführten Gesandtschaftsbericht vom 3. Juni
noch des Verdachts erwehren, daß Rußland den oldenburgischen Prätendenten
sofort fallen lassen würde wie 18S2, wenn eine Erklärung der holsteinischen "Ein¬
flußreichen" die Möglichkeit böte, eine Personalunion zu Stande zu bringen.

Wenn die Denkschrift gegen den Schluß hin sagt, was Rußland zu der
Cession von Kissingen bewogen habe, sei ein Geheimniß, so ist denkbar, daß
der Verfasser der Denkschrift einen Schleier vor den Augen hat. Für uns
Andere ist die Sache nichts weniger als geheimnißvoll. Wenn irgend möglich
Neubefestigung des londoner Protokolls von 1852 und Aufrechthaltung der
dänischen Monarchie auf Grund einer Willensäußerung der antiaugustenburgischen
Partei in der holsteinischen Ritterschaft, wo dann der Oldenburger zurückzutre¬
ten hätte, oder, wenn das nicht zu erreichen: Thronbesteigung des russischen
Kandidaten in den Herzogtümern, Einsetzung eines Fürsten in Schleswig-
Holstein, der in dem Czaren den Chef seines Hauses verehrt, also entweder
ein Nußland verpflichteter Herrscher im ganzen bisherigen dänischen Staate
oder zwei russische V asall e n fürsten, einer in Dänemark und einer in
den Herzogthümern. Das und nichts Anderes wird das Geheimniß sein, welches
die Denkschrift nicht zu ergründen vermag.

Nach dem Gesagten hat der Verfasser dieser Vertheidigungsschrift dem Gro߬
herzog Peter mit derselben keinen Dienst erwiesen, der zu danken wäre; denn
schwerlich wird die Kandidatur Oldenburgs durch dieselbe populärer geworden sein,
zumal inzwischen Rußland in Kopenhagen eine Familienverbindung angeknüpft


wäre, so daß dem abgetretenen Theile der Monarchie die Autonomie gesichert
würde, während die Integrität der Monarchie aufrecht erhalten bleibe, indem
eine Erklärung dieser Männer von den Cabineten benutzt werden könnte."

Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir nach allem, was im Vorherigen
den Entstellungen der Denkschrift als die Wahrheit entgegengehalten worden ist,
die Uebertragung der russischen Ansprüche (nicht Rechte; denn solche hat das
Haus Gottorp so wenig wie das Haus Glücksburg) auf den Großherzog von
Oldenburg nichts als eine Intrigue mit dem Zwecke war, die definitive Lösung
der Erbfolgefrage im deutschen Interesse zu hintertreiben oder doch hinauszu¬
schieben, um Zeit zu Verhandlungen mit jenen „einflußreichen Männern in
Holstein, welche sich nicht für den Prinzen bon Augustenburg ausgesprochen ha¬
ben", zu gewinnen und durch Benutzung einer Erklärung dieser Herren, mit
denen natürlich die Scheel-PIessen, die Blome und deren Suite gemeint sind,
die Integrität der dänischen Monarchie wieder herzustellen. Jedenfalls ist die
Rolle, die Großherzog Peter nach unsern Enthüllungen im Auftrage seines Pe¬
tersburger Vetters zu spielen übernommen hat. eine sehr zweideutige. Kein
Sehender wird seinen Advocaten glauben, daß Nußland indem es ihn bewo¬
gen, als Candidat aufzutreten, deutsche Interessen zu fördern beabsichtigt habe,
und kaum wird man sich nach dem angeführten Gesandtschaftsbericht vom 3. Juni
noch des Verdachts erwehren, daß Rußland den oldenburgischen Prätendenten
sofort fallen lassen würde wie 18S2, wenn eine Erklärung der holsteinischen „Ein¬
flußreichen" die Möglichkeit böte, eine Personalunion zu Stande zu bringen.

Wenn die Denkschrift gegen den Schluß hin sagt, was Rußland zu der
Cession von Kissingen bewogen habe, sei ein Geheimniß, so ist denkbar, daß
der Verfasser der Denkschrift einen Schleier vor den Augen hat. Für uns
Andere ist die Sache nichts weniger als geheimnißvoll. Wenn irgend möglich
Neubefestigung des londoner Protokolls von 1852 und Aufrechthaltung der
dänischen Monarchie auf Grund einer Willensäußerung der antiaugustenburgischen
Partei in der holsteinischen Ritterschaft, wo dann der Oldenburger zurückzutre¬
ten hätte, oder, wenn das nicht zu erreichen: Thronbesteigung des russischen
Kandidaten in den Herzogtümern, Einsetzung eines Fürsten in Schleswig-
Holstein, der in dem Czaren den Chef seines Hauses verehrt, also entweder
ein Nußland verpflichteter Herrscher im ganzen bisherigen dänischen Staate
oder zwei russische V asall e n fürsten, einer in Dänemark und einer in
den Herzogthümern. Das und nichts Anderes wird das Geheimniß sein, welches
die Denkschrift nicht zu ergründen vermag.

Nach dem Gesagten hat der Verfasser dieser Vertheidigungsschrift dem Gro߬
herzog Peter mit derselben keinen Dienst erwiesen, der zu danken wäre; denn
schwerlich wird die Kandidatur Oldenburgs durch dieselbe populärer geworden sein,
zumal inzwischen Rußland in Kopenhagen eine Familienverbindung angeknüpft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/142>, abgerufen am 03.07.2024.