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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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in Personalunion mit Dänemark verbleibe und so die Integrität der Monarchie
erhalten werde.

Dies ist der wahre Hergang mit jenen russischen Einwirkungen: nicht für
Aufhebung, sondern für Aufrechterhaltung des londoner Protokolls war man
thätig und zwar mit zähester, unermüdlichster Hartnäckigkeit. Wie sehr dies der
Fall war, wie lebhaft man sich bemühte, die dänische Regierung für die Per¬
sonalunion zu gewinnen, ergiebt sich unter andern auch aus den Berichten des
dänischen Gesandten am Petersburger Hofe. So berichtet derselbe unterm 27. Mai:
"Ich habe den Eindruck bekommen, daß, wenn die dänische Regierung ohne
Vorbehalt und vollständig die Personalunion anstreben würde, Rußland für eine
solche Combination wirken, wenn auch nicht activ dafür eintreten würde."

Die Denkschrift will uns glauben machen, daß Nußland aus Interesse für
Deutschland seine angeblichen Rechte auf die Herzogtümer dem Großherzog
Peter cedirt habe. Nach den Berichten des dänischen Gesandten ist aber als
unzweifelhaft anzunehmen, daß die Petersburger Politik dabei vielmehr das dä¬
nische Interesse im Auge hatte. Unterm 1. Juni schreibt derselbe:

"Da Rußland den londoner Tractat allein nicht aufrecht erhalten kann oder
will, so hat der russische Kaiser unter diesen Umständen sich bewogen gefunden,
seine Rechte an den Großherzog von Oldenburg zu übertragen, welcher der Mei¬
nung des russischen Cabinets nach ein weniger unbequemer Nachbar und für
das Selbstgefühl Dänemarks minder verletzend sein würde, als der Prinz von
Augustenburg, welcher gewissermaßen ein aufrührerischer Unterthan und offen
als Feind aufgetreten ist. Das plötzliche und unerwartete Borgehen Englands
mit Beziehung aus den londoner Tractat rührt, wie man hier meint, davon
her, daß die englischen Staatsmänner bei Dänemark keine Geneigtheit für eine
Union mit den beiden Herzogthümern gefunden zu haben glauben, wodurch die
Integrität der Monarchie unter den jetzigen Umständen nach ihrer wie nach russi¬
scher Auffassung allein bewahrt werden könnte. Man sieht die Sache hier so
an, als ob die Integrität der Monarchie der inneren Politik zum Opfer ge¬
bracht worden sei; Rücksichten auf die äußere Politik würden nicht mit Noth¬
wendigkeit dahin geführt haben."

Daß endlich Rußland selbst nach der Cession von Kissingen seine Bemü¬
hungen für die Integrität der dänischen Monarchie nicht aufgab, und mit wel¬
chen Plänen und Hoffnungen es sich in dieser Hinsicht trug, zeigt die Depesche
des gedachten Gesandten vom 3. Juni, in welcher wir folgendem Passus be¬
gegnen:

"Fürst Gortschakvff ist der Ansicht, daß man die holsteinischen Stände in
Betreff des Schicksals der abgetretenen Landestheile hören wird, und daß es
einflußreiche Männer in Holstein giebt, welche sich nicht für den Prinzen von
Augustenburg ausgesprochen haben, und mit welchen eine Verhandlung möglich


Grenzboten IV. 1864. 18

in Personalunion mit Dänemark verbleibe und so die Integrität der Monarchie
erhalten werde.

Dies ist der wahre Hergang mit jenen russischen Einwirkungen: nicht für
Aufhebung, sondern für Aufrechterhaltung des londoner Protokolls war man
thätig und zwar mit zähester, unermüdlichster Hartnäckigkeit. Wie sehr dies der
Fall war, wie lebhaft man sich bemühte, die dänische Regierung für die Per¬
sonalunion zu gewinnen, ergiebt sich unter andern auch aus den Berichten des
dänischen Gesandten am Petersburger Hofe. So berichtet derselbe unterm 27. Mai:
„Ich habe den Eindruck bekommen, daß, wenn die dänische Regierung ohne
Vorbehalt und vollständig die Personalunion anstreben würde, Rußland für eine
solche Combination wirken, wenn auch nicht activ dafür eintreten würde."

Die Denkschrift will uns glauben machen, daß Nußland aus Interesse für
Deutschland seine angeblichen Rechte auf die Herzogtümer dem Großherzog
Peter cedirt habe. Nach den Berichten des dänischen Gesandten ist aber als
unzweifelhaft anzunehmen, daß die Petersburger Politik dabei vielmehr das dä¬
nische Interesse im Auge hatte. Unterm 1. Juni schreibt derselbe:

„Da Rußland den londoner Tractat allein nicht aufrecht erhalten kann oder
will, so hat der russische Kaiser unter diesen Umständen sich bewogen gefunden,
seine Rechte an den Großherzog von Oldenburg zu übertragen, welcher der Mei¬
nung des russischen Cabinets nach ein weniger unbequemer Nachbar und für
das Selbstgefühl Dänemarks minder verletzend sein würde, als der Prinz von
Augustenburg, welcher gewissermaßen ein aufrührerischer Unterthan und offen
als Feind aufgetreten ist. Das plötzliche und unerwartete Borgehen Englands
mit Beziehung aus den londoner Tractat rührt, wie man hier meint, davon
her, daß die englischen Staatsmänner bei Dänemark keine Geneigtheit für eine
Union mit den beiden Herzogthümern gefunden zu haben glauben, wodurch die
Integrität der Monarchie unter den jetzigen Umständen nach ihrer wie nach russi¬
scher Auffassung allein bewahrt werden könnte. Man sieht die Sache hier so
an, als ob die Integrität der Monarchie der inneren Politik zum Opfer ge¬
bracht worden sei; Rücksichten auf die äußere Politik würden nicht mit Noth¬
wendigkeit dahin geführt haben."

Daß endlich Rußland selbst nach der Cession von Kissingen seine Bemü¬
hungen für die Integrität der dänischen Monarchie nicht aufgab, und mit wel¬
chen Plänen und Hoffnungen es sich in dieser Hinsicht trug, zeigt die Depesche
des gedachten Gesandten vom 3. Juni, in welcher wir folgendem Passus be¬
gegnen:

„Fürst Gortschakvff ist der Ansicht, daß man die holsteinischen Stände in
Betreff des Schicksals der abgetretenen Landestheile hören wird, und daß es
einflußreiche Männer in Holstein giebt, welche sich nicht für den Prinzen von
Augustenburg ausgesprochen haben, und mit welchen eine Verhandlung möglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/141>, abgerufen am 03.07.2024.